Friedrich Merz wird sich keine Illusionen machen. Der Empfang in Nürnberg wird alles andere als freundlich. Gleich mehrere Gruppen haben Proteste rund um die Frankenhalle angekündigt, in der am Samstag der kleine Parteitag der CSU stattfindet. Merz, CDU-Chef und Kanzlerkandidat, darf dann aber wenigstens drinnen auf ein warmes Willkommen hoffen. In der Halle, davon kann Merz ausgehen, wird er bejubelt werden. Das hat mehrere Gründe. Der wichtigste heißt Markus Söder.
Markus Söder hat Loyalität zu Friedrich Merz verordnet
Als Merz vor rund einem Monat ins oberbayerische Kloster Seeon zur Klausur mit den bayerischen Verbündeten kam, empfing ihn dort von mindestens einem Abgeordneten der missmutig vorgetragene Vorwurf, er führe Wahlkampf im Schlafwagen. Das würde seit dem AfD-Eklat in der vergangenen Woche keiner mehr sagen, wohl aber böte der Sauerländer Anlass zu kritischen Anmerkungen. Doch die sind nicht zu erwarten. Im Endspurt hat CSU-Chef Söder den Seinen nach außen hin absolute Loyalität zu Merz verordnet - und er hat die Abgeordneten im Griff. Wenn einer jetzt aus der Reihe tanzt, riskiert er den Karriere-Knick. Söder gibt die Richtung vor und hat sich mehrfach demonstrativ hinter den Kandidaten Merz gestellt. Denn dessen Erfolg soll auch Söders Sieg werden.
Söder stichelt nicht mehr gegen Merz
Der CSU-Chef und sein mit ihm rivalisierender Vize Manfred Weber gehörten in den Fernsehtalkshows zu den ersten Verteidigern von Merz, als klar wurde, dass dieser sich von der in Teilen rechtsextremen AfD bei seinen Anträgen zur Migrationspolitik würde unterstützen lassen. Söder unterlässt seit einiger Zeit Sticheleien in Richtung Merz - und vor allem: Als es am Freitag vor einer Woche im Bundestag zum Showdown kam, standen die CSU-Parlamentarier hinter dem CDU-Mann - mehr noch als dessen eigene Leute. Von den Bayern wurde keiner von plötzlichem Harndrang oder anderen Unpässlichkeiten befallen, die an der Abstimmung gehindert hätten. Ganz wohl war dabei offenbar nicht allen. Das geben CSU-Politiker aus Söders Umfeld in München in Gesprächen zu.
Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz (CSU) erzählt freimütig, dass ihm nach der Berliner Abstimmung schon ein wenig bang war vor den ersten Auftritten daheim in Augsburg Land. Was würde ihn erwarten? Durz wurde überrascht. Zwar erreichten ihn kritische Zuschriften, aber an den Info-Ständen gab es vor allem Zuspruch und Schulterklopfen. Ähnliches berichteten Abgeordnete aus anderen Teilen Bayerns..
Tausende protestieren gegen die Union
Gleichzeitig demonstrierten jedoch tausende Menschen in München, Nürnberg oder Augsburg gegen die Annäherung der Union an die AfD. Möglicherweise erreichen die Proteste an diesem Wochenende einen neuen Höhepunkt. In München werden am Samstag Zehntausende erwartet, in Nürnberg mehr als 15.000, in Berlin sollen es vergangenen Sonntag schon 160.000 Menschen gewesen sein. Dabei blieb es nicht immer friedlich.
In Bayern schützte die Polizei unter der Woche teilweise schon kleinere CSU-Veranstaltungen. Generalsekretär Martin Huber klagte gegenüber unserer Redaktion über Attacken auf Wahlkämpfer der Union und zunehmenden Vandalismus gegen Plakate und Geschäftsstellen. Bei der Ursachenforschung hielt sich Huber nicht lange mit Feinheiten auf: Er habe den Eindruck, dass die Attacken zunähmen, „vor allem, seitdem Olaf Scholz die Union mit haltlosen Vorwürfen attackiert.“ Zu Wahrheit gehört aber: Wahlkämpfer aller Parteien werden Opfer von Attacken - und das nicht erst seit dieser Bundestagswahl.
Polizei schützt CSU-Veranstaltungen
Der Augsburger Abgeordnete Volker Ullrich beobachtet die Entwicklung mit Sorge: „Es ist stets ehrenwert, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Aber wenn man dabei CSU und AfD in einen Topf wirft, dann geht das zu weit. Das polarisiert nur.“ Hinter Sätzen wie diesen steckt die Erkenntnis, dass man wahrscheinlich nach der Wahl wieder zusammenarbeiten muss. Je tiefer die Gräben sind, desto schwieriger wird das. Darauf hat jetzt auch Altkanzlerin Angela Merkel hingewiesen. In Hamburg mahnte die CDU-Politikerin im Ruhestand die Parteien der Mitte: „Es muss jetzt (...) wieder ein Zustand gefunden werden, in dem später auch wieder Kompromisse möglich sind.“
Aber Merkel ist Geschichte. „Das müssen wir jetzt durchziehen,“ so ein Mitglied der CSU-Spitze in München. Ein anderes bemüht einen Vergleich mit dem Fußball: „Wenn man in der 80. Minute 2:0 führt, ändert man doch nicht die Taktik.“
Wenn es so kommt, wie es die Umfragen derzeit nahelegen, dann wird diese Bundestagswahl mit einem schmucklosen Sieg der von Merz geführten Union enden - und einem Triumph der von Söder geführten CSU in Bayern. Die steht dort im Moment bei deutlich mehr als 40 Prozent. Das wäre so viel wie noch nie bei einer von Söder verantworteten Wahlkampagne. Bei den Landtagswahlen 2018 und 2023 war das Abschneiden der CSU eher mau. Nur zur Erinnerung: 2023 führten die 37 Prozent bei den Landtagswahlen zu einem vernehmlichen Grummeln in der Partei.
Welchen Preis fordert Söder von Merz?
Im Falle eines Wahlsieges wird Söder bei Merz seinen Preis einfordern, denn ohne ihn und seine CSU wird nichts gehen. Über den Koalitionsausschuss möchte der CSU-Chef mitregieren, das Nein zu einem Bündnis mit den Grünen hat er so oft wiederholt, dass er davon nur noch schwer herunterkommt. Sogar einen Minister hat er schon benannt: Günther Felßner soll das Landwirtschafts-Ressort bekommen. Den migrationspolitischen Kurs von Merz, diese Abkehr von der Ära Merkel, schreibt die CSU sich ohnehin auf die Fahnen. Motto: „Wir haben es ja schon immer gesagt.“
Aber war das schon alles?
Ursula Münch ist eine genaue Kennerin der deutschen und bayerischen Politik. Für die Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing ist Söders Anteil am Erfolg der Union unbestritten. „Er ist immens wichtig.“ Als Wahlkämpfer und Medienfigur habe der Franke eine Strahlkraft weit über die Grenzen des Freistaats hinaus entwickelt. Doch was soll er damit anfangen? Münch lenkt den Blick zurück auf den Freistaat. Das nächste Vorhaben könne sein, in Bayern die absolute Mehrheit für die CSU zurückzuerobern. „Das ist in der Welt der CSU sehr wichtig und könnte die Basis sein, um sich auf Bundesebene wieder ins Gespräch zu bringen.“
Die absolute Mehrheit in Bayern hat Söder zwar vor wenigen Jahren für unerreichbar erklärt. Aber wenn es darum geht, politische Ziele neuen Umständen anzupassen, hat er einige Übung. Im Grunde, so sagen ihm weniger Wohlmeinende nach, besteht Markus Söders politisches Programm aus zwei Worten: Markus Söder.
Söders Biografie: Ein Mann boxt sich nach oben
Wer seine Biografie betrachtet, der sieht: Für seine Karriere schont der Mann weder sich noch andere. Er hat sich nach oben geboxt, zuerst in seiner Heimatstadt Nürnberg, dann in München. Manche sagen, er hat sich der CSU regelrecht aufgezwungen. An Söders zähen Machtkampf mit Horst Seehofer erinnern sich noch viele in der Partei mit Schaudern. Der Franke hat schon viele wenig schmeichelhafte Etiketten angeheftet bekommen: Spaßpolitiker, Rüpel, Egomane. Gleichzeitig gilt er als Macher mit einem guten Gespür für Stimmungen und genißt inzwischen hohe Popularität.
Fest steht, Söder hat Erfolg: Mit 27 saß er schon im Landtag, mit 51 war er Bayerns jüngster Ministerpräsident nach dem Krieg. Auf Fragen nach seiner weiteren politischen Zukunft sagt der 58-Jährige stets, sein Platz sei als Ministerpräsident und Parteivorsitzender in Bayern. Das aber ist im Grunde nur eine Beschreibung des jetzigen Zustands. In der CDU hat im Sommer niemand nach ihm gerufen, als er sich als Kanzler-Kandidat anbot. Söder zog daraus die Konsequenz und übernahm die Rolle des starken Mannes an der Seite von Friedrich Merz. So stark, dass er auf dem Parteitag der CDU schon mal länger spricht als der eigentliche Hauptdarsteller, der Kandidat. Bei einem anderen fände das vielleicht keine Beachtung - bei Söder schon.
Söder war Bayerns jüngster Ministerpräsident der Nachkriegsgeschichte
Markus Söder wäre nicht Markus Söder, wenn er nicht mit seinem Image als ewig vom Ehrgeiz getriebener Machtpolitiker spielen würde. Als er vor knapp zwei Wochen in München ein wenig zu früh zu einem Termin mit Journalisten erscheint, nutzt er das gleich zu einem Scherz: „Man muss mit mir immer rechnen.“ Auch darüber wird sich Friedrich Merz keine Illusionen machen.
Eine Wahlwerbung für die Union. Mehr nicht.
Ist doch ein angenehmer Kontrast zur grün-roten Dauerwerbesendung im öffentlichen Staatsfernsehen Herr Deichmann.
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