Schnipp, war die Krawatte ab. Spätestens zwei Stunden, nachdem die mit einer Schere bewaffnete Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) bei ihrem Fraktionskollegen Michael Hofmann (und in der Folge bei weiteren Parlamentariern) den Schlips gekürzt hatte, war dann aber Schluss mit lustig am Unsinnigen Donnerstag im Parlament. In der Debatte über den Folterskandal in der JVA Gablingen sorgte der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl für Aufregung, als er die Situation in bayerischen Gefängnissen mit dem US-Internierungslager Guantanamo verglich. Dort hielten US-Behörden völkerrechtswidrig hunderte Menschen fest, weil sie unter Terrorverdacht standen. Es kam zu Folterungen.
In Gablingen wurden Häftlinge mutmaßlich misshandelt
In Bayern dagegen geht es um das Gefängnis in Gablingen bei Augsburg. Dort kamen vor fünf Monaten mutmaßliche Folter und Misshandlungen durch Recherchen unserer Redaktion ans Licht. Inzwischen ermittelt eine fünfköpfige Sondertruppe der Staatsanwaltschaft Augsburg zusammen mit der Kripo gegen insgesamt 17 Bedienstete des Gefängnisses, darunter die frühere Spitze. Es geht um Körperverletzung im Amt und versuchte Strafvereitelung. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, seit Monaten werden Beschuldigte vernommen. Im Zentrum steht der Vorwurf, dass Häftlinge ohne hinreichenden Grund in so genannte gesicherte Hafträume gesperrt wurden und dort nackt zum Teil über Wochen ausharren mussten.
Auf diese Schilderungen hob Schuberl ab, als er sagte, in den Spezialzellen seien „Menschen gehalten worden wie Tiere“, abgeschnitten von der Außenwelt und ohne Möglichkeit, sich bei einem Anwalt Hilfe zu holen. Auch aus anderen Haftanstalten gebe es Berichte über Missstände. Schuberl warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vor, dass er sich bislang nicht für die Zustände in Bayerns Gefängnissen interessiert habe. „Das ist ihr Guantanamo, Herr Söder“, sagte Schuberl. Der Ministerpräsident war allerdings nicht anwesend.
Im Zentrum des Gefängnis-Skandals von Gablingen: Besonders gesicherte Hafträume
Im Regierungsbündnis sorgte die Attacke dennoch für Aufregung. Alexander Hold (FW) nannte Schuberls Äußerung „eine Schande für einen Demokraten“ und forderte vergeblich eine Entschuldigung Schuberls. Petra Guttenberger (CSU) warf Schuberl vor, es gehe ihm nur darum, die Dinge zu skandalisieren und alle Justizbeschäftigten unter Generalverdacht zu stellen. Das wiederum wies Schuberl als Verleumdung zurück.
Inhaltlich hatten die Grünen eine bessere Kontrolle der Zwangs- und Disziplinarmaßnahmen in Bayerns Gefängnissen gefordert, eine bessere Ausstattung der Besonders gesicherten Hafträume (BgH) und eine bessere psychologische Betreuung der Häftlinge in Krisensituationen.

Zwar kamen diese Anträge erwartungsgemäß nicht durch, dennoch wird sich im Strafvollzug einiges ändern. Das betonte Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Er verwies auf eine Kommission, die im Januar ihre Arbeit aufgenommen hat und bis zum Jahresende einen Bericht vorlegen soll. Laut Eisenreich soll darin geregelt werden, ab wann ein Richter über den Verbleib eines Häftlings in einer der Spezialzellen entscheiden wird. Zudem werde die psychologische Betreuung verbessert. Eisenreich betonte, dass er die Aufsicht des Ministeriums über die Haftanstalten verstärkt habe. Zum Kontrollsystem gehören nun auch überraschende Visiten. Eisenreich: „Jede Anstalt wird künftig einmal im Jahr unangekündigt besucht.“
SPD: Justizminister Eisenreich hat versagt
Der Minister hatte zu Beginn der Affäre in Gablingen zugeben müssen, dass sein Ministerium Beschwerden und Warnsignale über die Zustände in dem Gefängnis zu wenig beachtet hatte. Er selbst sei gar nicht informiert worden. Horst Arnold (SPD) klagte über eine „selbstgefällige Justizverwaltung“, die seit Jahren alle Probleme und Fehler in bayerischen Gefängnissen als Einzelfälle verharmlost habe. Politisch verantwortlich ist in Arnolds Augen der zuständige Minister Eisenreich, der SPD-Abgeordnete sprach von einem Versagen des Ministers. Zugleich attestierte er dem CSU-Politiker aber, dass er sich nun aufrichtig um Aufklärung und Verbesserungen bemühe. „Sie haben vieles getan, was richtig ist.“
Für die AfD verurteilte Rene Dierkes die Vorgänge in Gablingen. Dierkes forderte mehr Geld und eine bessere Ausbildung für die Beschäftigten im Justizvollzug. Bevor man über eine Änderung der Haftbedingungen spreche, müsse man das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen abwarten. Dierkes: „Haft muss immer noch Sanktion sein und keine Wohlfühloase.“
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