München: Bahn sagt Einladung zur Debatte um Stammstrecke ab
Die zweite Stammstrecke für die Münchner S-Bahn könnte bis zu neun Jahre später kommen und mehrere Milliarden mehr kosten. Entsprechend sauer sind Oberbürgermeister und Stadtrat. Sie haben Redebedarf - und werden von der Bahn vertröstet.
Die Deutsche Bahn hat eine Einladung zu einer Stadtratsdebatte um Verzögerungen und Kostenexplosionen beim Bau der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke ausgeschlagen. "Auf Grund der kurzfristigen Einladung war uns eine Teilnahme am heutigen Termin jedoch leider nicht möglich", sagte eine Bahn-Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage. "Die Überarbeitung der Termin- und Kostenplanung ist unsererseits noch nicht vollständig abgeschlossen. Insoweit können wir derzeit noch nicht öffentlich Stellung zu einem veränderten Termin- und Kostenrahmen nehmen." Dafür bitte die Bahn um Verständnis.
Das Thema wurde nach der Absage am Mittwoch nicht mehr im Planungsausschuss behandelt. Stattdessen soll sich nun der Stadtrat am 27. Juli in seiner Vollversammlung damit befassen. "Ich gehe davon aus, dass die DB uns in der nächsten Vollversammlung am 27. Juli Rede und Antwort stehen wird", sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Der Münchner Stadtrat muss aus erster Hand über die unglaubliche weitere Verzögerung der zweite Stammstrecke und eine weitere Explosion der Kosten informiert werden, die jetzt im Raum stehen."
Die Absage dürfte den ohnehin erzürnten Münchner OB nicht gerade besänftigen. Mit harschen Worten hatte er am Montag eine Offenlegung aller Fakten gefordert, es sei "einigermaßen unglaublich", wie die Bahn sich aktuell verstecke. Auch die Fraktion aus CSU und Freien Wählern reagierte ähnlich. In einem Dringlichkeitsantrag hatten die Parteien am Montag die Einladung eines Bahn-Vertreters in die Ausschusssitzung gefordert.
Bei der Bahn könne man das Informationsbedürfnis des Münchner Stadtrats "sehr gut nachvollziehen", teilte die Sprecherin mit. "Es ist auch unser Anliegen, über die Entwicklungen im Projekt Auskunft zu geben." Die Bahn wisse um die "herausragende Bedeutung" des Verkehrsprojekts.
Vergangene Woche hatte die Nachricht für Aufsehen gesorgt, dass das bayerische Verkehrsministerium davon ausgeht, dass die Kosten für den Bau der zweiten Bahn-Röhre von 3,85 auf bis zu 7,2 Milliarden Euro steigen. Zudem könnte sich die Inbetriebnahme der zentralen Strecke durch die Innenstadt von 2028 auf 2037 verzögern. Der Bau ist ein Gemeinschaftsprojekt unter anderem der Deutschen Bahn, des Freistaats Bayern, der Stadt München und der Bundesrepublik.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte den knappen Vertrag für das Projekt veröffentlicht, den sein Amtsvorgänger Alexander Dobrindt (CSU) und dessen damaliger Parteichef Horst Seehofer als bayerischer Ministerpräsident 2016 unterschrieben hatten. Die Vereinbarung enthalte "keine Regelung für den Fall von Kostensteigerungen", teilte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums mit. "Die Verantwortung für die Sicherstellung der Gesamtfinanzierung des Vorhabens liegt nach dieser Erklärung beim Freistaat Bayern."
Im Freistaat sieht man das anders. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung": "Die Fakten sind eindeutig. Der Bund hat sich in einer Finanzierungsvereinbarung verpflichtet, 60 Prozent der förderfähigen Kosten zu übernehmen. Selbstverständlich muss er weiter dazu stehen. Es hilft auch kein Herausreden: Laut Grundgesetz ist der Bund für die Schieneninfrastruktur zuständig. Deswegen entlassen wir hier weder den Bund noch seine 100-prozentige Tochter, die Deutsche Bahn, aus der Verantwortung."
(dpa)
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