Auch Markus Söder hatte sich diesen Tag anders vorgestellt, das zeigt ein Blick auf seine plötzlich geänderte Terminplanung. Um zwölf Uhr gab der CSU-Chef und Ministerpräsident am Dienstag kurzfristig eine Erklärung ab. Im Anschluss eilte er in den Landtag, um mit der CSU-Fraktion zu sprechen. Das Thema war in beiden Fällen dasselbe: Schadensbegrenzung nach dem Desaster des ersten Wahlgangs in Berlin.
Denn auch in München saß der Frust über die Niederlage von Friedrich Merz im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler tief. Daraus machten führende CSU-Politiker auf dem Weg in die Fraktion keinen Hehl. Ulrike Scharf, stellvertretende Ministerpräsidentin, sagte gegenüber unserer Redaktion: „Ich bin fassungslos.“ Anderen Kabinettsmitgliedern ging es ähnlich, sie sagten es nur nicht so offen wie die Sozialministerin. Mitunter waren die verwendeten Worte auch nicht druckreif. Ein Mitglied der Söder‘schen Ministerriege antworte auf die Frage des Landtags-Pförtners, ob es nun nach Berlin gehe: „Lieber nach Buxtehude.“
Söder selbst mahnte dem Vernehmen nach in der Fraktionssitzung zu Ruhe und Besonnenheit. Es bringe jetzt nichts, nach Schuldigen zu suchen. Ähnlich hatte er sich mittags in einem kurzen Statement vor Medienvertretern eingelassen.
Söder warnt vor „unkalkulierbaren Folgen für die Demokratie“
Dort warnte der CSU-Vorsitzende vor unkalkulierbaren Folgen für Deutschland und die Demokratie im Falle einer gescheiterten Kanzler-Kür. „Der heutige Vormittag zeigt, dass wir in einer ernsten Lage sind. Eine ernste Lage für unser Land, aber auch für die Demokratie“, sagte der bayerische Ministerpräsident nach der Sitzung seines Kabinetts in München. Es sei der falsche Zeitpunkt für Spielchen, Denkzettel oder die Begleichung alter Rechnungen, mahnte Söder in Richtung jener Abgeordneten von Union und SPD, die Merz im ersten Wahlgang ihre Stimmen verweigert hatten. Zugleich gab er sich zuversichtlich für ein Happy-End - und das zu einem Zeitpunkt, als noch gar nicht feststand, ob ein zweiter Wahlgang stattfinden würde. „Noch ist alles lösbar, noch ist alles heilbar.“
Am Ende sollte Söder Recht behalten und in seiner Partei war die Erleichterung groß. „Diesen Spannungsbogen hätte es allerdings nicht gebraucht,“ sagte Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) unserer Redaktion. Er hofft, dass das Wahl-Drama von Berlin das „notwendige Erweckungserlebnis war, um allen deutlich zu machen, worum es geht: Die AfD darf in diesem Land keine Rolle mehr spielen.“
Generalsekretär Huber: „Die CSU stand. Davon können Sie ausgehen“
Unter den Parlamentariern der CSU-Fraktion kursiert vor allem diese Version für die Ursache des Berliner Fast-Desasters: Es sei ein Fehler gewesen, vor der Wahl des Kanzlers schon die Minister bekannt zu geben. Damit wurden nämlich in den Reihen der Regierungsfraktionen auch Enttäuschte produziert, die dann möglicherweise bei der Wahl ihr Mütchen kühlen wollten. Thorsten Schwab (CSU, Unterfranken) bemühte sich vor diesem Hintergrund um Zuversicht. „Ich glaube, dass das gar nicht so gemeint war. Da wollten ein paar einen Denkzettel verteilen und am Ende waren es dann zu viele.“ Ex-Ministerin Carolina Trautner plädierte für einen kühlen Kopf: „Betroffen macht es einen schon, aber die ganze Aufgeregtheit nützt jetzt nichts.“
An der CSU jedenfalls habe es von Anfang an nicht gelegen, beteuerte deren Generalsekretär Martin Huber gegenüber unserer Redaktion: „Die CSU stand. Davon können sie ausgehen.“ Schließlich, so ein schwäbischer CSU-Mann, wäre man ja schön blöd, wenn man die eigenen Erfolge bei den Koalitionsverhandlungen jetzt aufs Spiel setzen würde.
SPD-Abgeordnete sehen Schuld in der Unionsfraktion
Holger Grießhammer, Chef der SPD-Fraktion im Landtag, hält es dagegen durchaus für denkbar, dass auch CSUler unter den Abgeordneten sein könnten, die Merz ihre Stimme verweigerten. Enttäuschte und Unzufriedene gebe es in jeder Fraktion der Regierungskoalition. Seine Stellvertreterin Anna Rasehorn zeigte noch entschiedener mit Finger auf die Union. „Wir waren es nicht. Der Kanzler scheint wohl seine Fraktion nicht im Griff zu haben.“ Ihre Fraktionskollegin Martina Fehlner wies derweil darauf hin, welch schlechtes Bild die Politik insgesamt durch das Abstimmungsverhalten einzelner abgegeben habe.
Auch CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek war am Nachmittag besorgt, aber nicht ohne Hoffnung. „Manchmal braucht es für weißen Rauch auch einen zweiten Wahlgang,“ sagte er in Anspielung auf die am Mittwoch beginnende Papstwahl unserer Redaktion. Als der weiße Rauch in Berlin dann aufstieg, verdeutlichte Holetschek sofort, wo die CSU als kleinster Partner in der neuen Bundesregierung steht: „Jetzt beginnt die Zeit des Lieferns. Der neue Bundeskanzler kann sich dabei voll auf Bayern und die CSU verlassen.“
Für sich selber sieht Söder aber nie einen falschen Zeitpunkt für Spielchen, Denkzettel oder die Begleichung alter Rechnungen. Ich denk da nicht nur an Laschet oder Habeck. Es gibt unzählige weitere Beispiele. Es ist einfach widerlich, wie er sich hier wieder produziert hat. Ja, Horst Seehofer wusste es schon: "Er schmutzelt gerne".
Bitte bei der Wahrheit bleiben; Laschet hat sich selbst aus dem Rennen gelacht...
Für Herrn Boeldt: Die neue Wirtschaftsministerin Reiche von der CDU, eine ausgewiesene Energieexpertin, lobte heute Habeck für seine "fast übermenschliche Leistung" bei der Bewältigung der Energiekrise. Wie sie drauf kommt? Vielleicht, weil sie Ahnung vom Thema hat? :))
Die zahlreichen Gegenstimmen waren sicher kein Zufall, sondern eine abgesprochene Aktion. Da die SPD angesichts ihres guten Verhandlungsergebnisses keinen Grund dafür hat, kommen nur Abgeordnete der Union in Frage. Und da zeigt der Scheinwerfer nun auf die sog. Spahn-Boys. Spahn hat mit seinem Vorstoß bezüglich der AfD bereits gezeigt, wie gefährlich er ist.
Hab ich mir gestern auch gedacht. Und ich halte die Reaktion von Söder für ziemlich scheinheilig – ein Schelm, wer Böses dabe denkt. Erstaunlich, dass auserechnet Söder nicht in Berlin war. Der ist doch sonst immer vorne dran.
Zum zweiten Mal innerhalb zwei Monaten haben die Grünen bewiesen, dass ihnen Deutschland wichtiger ist, als ein parteipolitischer Vorteil. Die CSU hat drei Jahre lang alles unternommen, um die Ampel zu beschädigen. Die Union hat mehrere Aussagen im vergangenen halben Jahr gemacht, die sie nun alle nicht einhält. Ja, sie setzt jetzt genau das um, was Robert Habeck gefordert hat. In der CSU muss man sich jetzt überlegen, ob man sich nicht von dem einen oder anderen Grünenhasser verabschiedet. An erster Stelle müssen dafür die Herren Söder, Huber und Dobrindt genannt werden.
Die Grünen haben noch nie was Relevantes bewiesen - warum jetzt und was?
Treffend analysiert und zusammengefasst, Herr Kappelmaier
Herr Kappelmaier hat es genau auf den Punkt gebracht, ich kann mich da nur anschließen.
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