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Ostern 2024: Warum das Fest immer beliebter wird und seine Bedeutung sich drastisch wandelt

Interview

Ist Ostern bald populärer als Weihnachten? Eine Brauch-Expertin erklärt den Boom

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    Wo sind die anderen Tiere hin? Der Osterhase hat Henne, Fuchs und Storch als Gabenbringer übertrumpft.
    Wo sind die anderen Tiere hin? Der Osterhase hat Henne, Fuchs und Storch als Gabenbringer übertrumpft. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Frau Sandner, Ostern ist das höchste Fest der Christenheit. Aber weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland ist noch Mitglied in einer christlichen Kirche. Wie wirkt sich das auf Ostern aus?
    DANIELA SANDNER: Es sind zwar weniger Menschen Mitglied in der Kirche, aber auch viele Konfessionslose feiern natürlich Ostern. Das liegt daran, dass Ostern diese ganz deutliche weltliche Komponente entwickelt hat, die wenig mit der christlich-liturgischen zu tun hat. Rund um Ostern bilden sich Bräuche, die nicht unbedingt einen religiösen Ursprung haben. Die weltliche Art, Ostern zu feiern, überragt mittlerweile die liturgische.

    An welche weltlichen Bräuche denken Sie?
    SANDNER: An den Osterbrunch zum Beispiel und daran, dass man die komplette Wohnung jetzt auch österlich schmückt. Darauf sind ja ganze kommerzielle Branchen aufgesprungen. Und die Bevölkerung in Bayern ist einfach diverser geworden im Laufe der Jahrzehnte. Bräuche und die Art, wie sie begangen werden, reflektieren das. Hinzu kommt die Marketingmaschinerie, die dafür sorgt, dass wir Osterhasen kaufen, dass wir Süßigkeiten kaufen.

    Die Volkskunde-Expertin Daniela Sandner beobachtet, wie Bräuche sich verändern.
    Die Volkskunde-Expertin Daniela Sandner beobachtet, wie Bräuche sich verändern. Foto: Matthias Ettinger

    Kinder werden zu Ostern immer reicher beschenkt. Wann hat das angefangen?
    SANDNER: Ich bin in den 80er Jahren geboren, da waren die Osternester noch relativ bescheiden. Heute feiern viele Kinder dreimal Ostern. Erst mit den Eltern, dann mit den einen Großeltern, danach mit den anderen. Sie suchen dreimal Nester. Wenn ich auf meine eigene Biografie schaue, würde ich schätzen, dass das in den Neunzigern angefangen hat. Vor allem mit der Werbung im Fernsehen. Und die Werbepsychologie – also wie man Menschen dazu bringt, dass sie Dinge kaufen – ist natürlich auch immer besser geworden. Bei Weihnachten hat die Kommerzialisierung schon viel früher begonnen. Unter anderem durch die amerikanischen Besatzer nach dem Zweiten Weltkrieg hat Weihnachten nach und nach eine Amerikanisierung erfahren.

    Geschenke sind das Eine. Aber woher kommt die Leidenschaft für Osterdeko?
    SANDNER: Diese Masse an pastellfarbenen Osterhasen, die Ostertrends auf Instagram – dass man sich zum Beispiel seinen eigenen Osterkranz bindet –, das hat in den vergangenen zehn, 15 Jahren extrem zugenommen. Ich glaube, durch die skandinavische Hygge-Bewegung ist es explodiert. Man will es in den eigenen vier Wänden überall schön österlich haben.

    Ostern in Pastellfarben? Das liegt an der Hygge-Bewegung, sagt die Brauch-Expertin.
    Ostern in Pastellfarben? Das liegt an der Hygge-Bewegung, sagt die Brauch-Expertin. Foto: Bernhard Weizenegger

    Ist Ostern in Sachen Kommerz das neue Weihnachten?
    SANDNER: Ich glaube nicht, dass Ostern Weihnachten in dieser Hinsicht den Rang ablaufen wird. Weihnachten eignet sich noch mehr als Familienfest als Ostern – durch das Beschenken, aber auch durch dieses Mystische, die Dunkelheit im Winter, das Licht, den Weihnachtsbaum. Ostern ist Weihnachten zwar immer mehr auf den Fersen, aber ich glaube trotzdem, dass Weihnachten das Familienfest schlechthin bleiben wird.

    Liegt es auch daran, dass die ursprüngliche Geschichte hinter Weihnachten leichter zu vermitteln ist? An Weihnachten ist ein Kind geboren. Die Sache mit Kreuzigung und Auferstehung ist da schon deutlich schwieriger…
    SANDNER: Ja, Ostern erfordert schon sehr viel Reflexion, vor allem für Kinder. Diese brutale Kreuzigungsgeschichte, die Auferstehungsgeschichte … Weihnachten ist viel leichter vermittelbar. Dass diese Tatsache eine Rolle spielt, merkt man auch daran, dass sich etwa Pfingsten überhaupt nicht als Familienfest etabliert hat. Pfingsten ist einfach zu komplex.

    Weihnachten hat das neugeborene Kind, Ostern hat den Hasen. Vielleicht fehlt Pfingsten einfach eine sympathische Identifikationsfigur. Damit zu einer Frage, die in keinem Oster-Interview fehlen darf: Warum bringt der Hase die Ostereier?
    SANDNER: Zur Popularisierung des Osterhasen hat zumindest in Bayern ganz klar das Kinderbuch “Die Häschenschule” von Albert Sixtus beigetragen. Es ist in den 1920er Jahren erschienen und in der Nachkriegszeit hat sich der Osterhase dann rapide als Gabenbringer verbreitet. Das war vorher längst nicht so. Gerade auf dem Land gab es auch andere Tiere, die die Ostereier gebracht haben.

    Welche Tiere?
    SANDNER: Ganz klassisch Henne und Gockel. In der Rhön war meines Wissens auch der Storch verbreitet. Manchmal auch Fuchs und Kuckuck.

    Gibt es noch traditionelle Osterbräuche fernab des Eiersuchens, die bis heute überlebt haben?
    SANDNER: Ja, und zwar die Osterfeuer. Sie werden am Karfreitag, Karsamstag oder am Ostersonntag entzündet und es gibt sie seit Jahrhunderten. Licht und Feuer haben eine liturgisch total aufgeladene symbolische Bedeutung. Das sieht man auch an der Osterkerze. Aber selbst der Brauch der Osterfeuer hat eine Verweltlichung erfahren. Nicht alle Osterfeuer sind geweihte Feuer, sie werden manchmal auch einfach von den Burschenschaften oder Vereinen veranstaltet.

    Einer aktuellen Umfrage zufolge verbinden nur noch 26 Prozent der Deutschen Ostern mit der Auferstehung Christi. Auch wenn die religiöse Bedeutung längst nicht mehr über allem steht: Finden Sie es wichtig, Kindern den Ursprung des Osterfestes nahezubringen?
    SANDNER: Das ist aus Sicht des Landesvereins für Heimatpflege und auch meiner persönlichen Meinung nach essenziell. Ja, es gibt diese Aspekte der Kommerzialisierung, die Werbung, damit müssen wir umgehen. Aber es ist eben schon wichtig, sich bewusst zu sein: Ostern ist ein christliches Fest. Ich finde, ein Kind muss die Möglichkeit haben, sich in so einem christlichen Jahresverlauf selbst zu verorten – oder sich später dagegen zu entscheiden. Christliche Feste und Bräuche strukturieren den Jahresverlauf, so wie Ostern und Weihnachten. Aber es gibt auch Bräuche, die das Leben begleiten, die Taufe zum Beispiel oder die Hochzeit. Ich glaube, das gibt eine große Sicherheit. Dafür sind solche Bräuche da.

    Zur Person

    Daniela Sandner ist promovierte Volkskundlerin und Referentin beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege. Ihre Themen: Brauch, Tracht, Sprache und aktuelle Heimatdiskurse.

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    2 Kommentare
    Richard Merk

    Es wird lediglich eine Marketingmaschinerie mit Hilfe der Politik angeworfen und der Brauch ist längst Nebensache. Der Bürger wird nicht nur an Ostern zur Marionette der Industrie.

    Rainer Kraus

    Diese Schlauberger, wenn sie aufgepasst hätten, wüssten sie es, dass in der christlichen Kirche Ostern als höchstes Fest gefeiert wird und auch die sog. Heiden den Hasen als Fruchtbarkeitssymbol verehrt haben. Wird derzeit die Geschichte neu erfunden, viele Beispiele sprechen dafür?

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