Es war ein lauer Frühlingstag, als das eiskalte Grauen über Murnau kam. Die heute 45-jährige Polizistin erinnert sich noch genau, wie sie mit einer Kollegin im Auto an der Ampel stand. Durch die Bäume sahen sie einen Rettungswagen und überlegten noch, was da wohl passiert sein könnte. „Auf einmal springt der Rettungssanitäter auf und winkt uns wie ein Verrückter,“ erzählt die Beamtin. Als die Polizistinnen herbeieilen, wird ihnen klar, warum. „Es war grauenhaft. Überall unfassbar viel Blut.“ Ein Mann liegt regungslos unter einer Rettungsdecke, ein anderer in einem Staudenbeet. „Der Sanitäter ist mit schreckgeweiteten Augen auf uns zugelaufen und hat gesagt: Die sind alle tot.“
Angeklagter gibt zu, zwei Ukrainer erstochen zu haben
So schildert die Polizistin am Montag vor der ersten großen Strafkammer des Landgerichts München II die Momente, die Murnau an diesem 27. April 2024 bundesweit in die Schlagzeilen brachten. Murnau am Staffelsee, das ist ein knapp 12.000 Einwohner zählender idyllischer Ort in bayerischer Bilderbuchlandschaft, bekannt durch seine Kliniken. In Murnau werden auch schwer verwundete ukrainische Soldaten behandelt - und zwei dieser versehrten Veteranen lagen an diesem 27. April mitten in Murnau in ihrem Blut. Erstochen von einem schon lange in Deutschland lebenden Russen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 58-Jährigen vor, er habe die beiden Ukrainer hinterrücks ermordet, nachdem er mit ihnen über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in Streit geraten war. Fest steht, dass bei der Bluttat in der Nähe eines belebten Einkaufszentrums viel Alkohol im Spiel war. Die beiden Opfer, 23 und 36 Jahre alt, hatten mehr als drei Promille, der Täter rund 2,5.
Als der heute 58-Jährige auf der Anklagebank Platz nimmt, verbirgt er sein Gesicht vor den Kameras hinter einem grünen Hefter. Über den Kopf hat er die Kapuze seines dunkelblauen Trainingsanzuges fest zusammengezogen. Später zeigt der Angeklagte sein Gesicht. Der Mann trägt einen grauen Vollbart und gelegentlich eine Brille. In seiner linken Hand hält er immer wieder ein Band oder Kettchen mit einem kleinen Kreuz. Die Stimme des Angeklagten ist nicht zu hören. Er lässt lediglich seinen Anwalt Uwe Paschertz eine Erklärung vorlesen.
Darin gibt der Mann die Tat zu. Er bestreitet allerdings, dass es wegen des Krieges zu einem Streit gekommen sei. Nach der Darstellung des Angeklagten hatte er die beiden Veteranen schon mehrere Monate gekannt, immer wieder habe man sich in dem kleinen Park getroffen und miteinander getrunken - Bier und Wodka. Gestritten worden sei häufiger über die Frage, wer am meisten verträgt und wer die nächste Runde zahlt.

So soll es auch an jenem Samstag gewesen sein. Die beiden Ukrainer hätten ihm seine letzte Flasche Wodka weggenommen und ihn verhöhnt, einer körperlichen Auseinandersetzung mit den jüngeren Männern fühlte er sich nicht gewachsen. Dabei konnte jeder von beiden nur einen Arm gebrauchen, der andere war bei beiden Männern wegen der Kriegsverletzungen mit Schienen fixiert. Er habe von zu Hause ein Messer geholt, damit habe er seine Opfer einschüchtern und seinen Schnaps zurückbekommen wollen. Doch die hätten ihn weiter verhöhnt. „Spätestens jetzt brannten bei mir die Sicherungen durch. Ich stach zu wie in Trance.“
Kriegsversehrte erlitten Stiche in Hals und Rücken
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft dagegen hatte der Angeklagte das 14 Zentimeter lange und 2,3 Zentimeter breite Messer aus seiner Einzimmerwohnung geholt, um damit zu töten. Von hinten sei er auf sein erstes Opfer losgegangen, das nicht mit einem Angriff gerechnet hatte. Der 36-Jährige war nach vier Stichen in den Hals sofort tot, der zweite Veteran erlag den Folgen von sieben Messerstichen in Hals und Rücken im Krankenhaus. Die Männer hätten sich aufgrund ihrer Kriegsverletzungen und der Alkoholisierung kaum wehren können. Ein Zeuge fand die Opfer nur zwei Minuten nach der Attacke. Der Täter hatte sich in die Hand geschnitten, die Polizei nahm ihn 70 Minuten nach der Tat in seiner Wohnung fest. Die Beamten waren der Blutspur gefolgt.
Asylantrag des Angeklagten seit mehr als 20 Jahren abgelehnt
Der Russe war als Soldat 1985 in die damalige DDR gekommen. Nach eigener Darstellung desertierte der Mann. 1991 beantragte er in Deutschland Asyl und lebte seitdem überwiegend im Raum München. Dort wurde er rasch straffällig. Alkohol am Steuer, Körperverletzung, Diebstahl, Drogen. Einmal schon war er mit einem Messer auf einen Mann losgegangen und hatte ihn verletzt. Der Asylantrag des Mannes war längst abgelehnt, dennoch duldeten ihn die Behörden in Deutschland, wo er immer wieder im Gefängnis saß. Ende Februar soll das nächste Urteil über den Mann fallen. Es ist dann Nummer 18.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden