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Vor 20 Jahren war die Beerdigung von Rudolph Moshammer

Unzertrennlich: Rudolph Moshammer und sein Hündchen Daisy, das Foto entstand etwa ein Jahr vor seinem Tod.
Foto: Volker Dornberger, dpa
Kriminalfall

20 Jahre nach dem Mord an Moshammer: Die dunkle Seite des schillernden Modemachers

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    Offensichtlich ist es dann doch Rudolph Moshammers Barmherzigkeit, die am längsten nachwirkt. 20 Jahre nach dem gewaltsamen Tod des Modemachers liegen an seinem Mausoleum auf dem Münchner Ostfriedhof zwei Grabgestecke, erstarrt in der Kälte und beide mit Rosen verziert: „In Dankbarkeit - Obdachlosenhilfe St. Bonifaz“ steht auf der Schleife des einen. Das andere ist vom Münchner Verein Lichtblick, der Menschen hilft, die in akute Not geraten sind. Immer wieder hatte der Modezar Bedürftige finanziell unterstützt. Bis heute profitiert etwa die Obdachlosenzeitschrift Biss von seinem Erbe, Menschen aus dem Biss-Umfeld kümmern sich um sein Grab. Schließlich, so hatte er das selbst immer wieder begründet, sei sein Vater nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle obdachlos gestorben.

    Ins Gedächtnis der breiten Öffentlichkeit hat sich etwas anderes eingebrannt, neben der wie betonierten Perücke, dem Auftreten im Stil eines Märchenkönigs und Yorkshireterrier-Dame Daisy als Accessoire: Moshammers brutales Ende, erdrosselt im eigenen Haus von einem Stricher, den er eben erst am Hauptbahnhof aufgelesen hatte, im banalen Streit um Geld.

    Seine Liebe zu Männern lebte Moshammer nie öffentlich

    Sein Tod mit einem Stromkabel um den Hals lenkte den Fokus auf die verborgene Seite Moshammers, die doch die meisten ahnten. Moshammer stellte zwar von seiner eigenen Mutter und Dauerbegleitung Else bis zu seiner Exzentrik vieles ins Licht der Öffentlichkeit, doch zu seiner Liebe zu Männern hat er sich nie klar bekannt. Viele in München können aber bestätigen, dass Moshammer oft mehrmals pro Woche junge Männer nachts aus seinem Rolls Royce heraus ansprach und versuchte, sie mit Geld für Sex zu sich nach Hause zu locken.

    An Mittwoch ist es genau 20 Jahre her, dass „Mosi“ auf dem Ostfriedhof zu Grabe getragen wurde. Die Trauerrede in der Allerheiligen-Hofkirche, wo einst Bayerns Könige die Heilige Messe feierten, hielt Christian Stalter, Pfarrer der evangelischen Thomasgemeinde in Grünwald. Dort hatte Moshammer zuletzt in einer Villa gelebt. Die Tage vor dem Begräbnis bezeichnet der Geistliche noch heute als die „nervenaufreibendsten“ in seiner Laufbahn als Pfarrer.

    „Herr Moshammer war aus der Kirche ausgetreten. Aber er war sehr engagiert in der Obdachlosenhilfe, er war sich nicht zu schade, sich mit seinem Gesicht in den Dienst dieser Sache zu stellen. Das ist eben eine urchristliche Aufgabe. Und die Anteilnahme an seinem Tod war enorm. Es ist die Aufgabe der Kirche, dann für die Menschen da zu sein, sie in ihrer Trauer nicht allein zu lassen.“

    Wie ein Staatsbegräbnis: Der Trauerzug mit dem Leichnam von Rudolph Moshammer hielt auch vor dessen Boutique in der Maximilianstraße.
    Wie ein Staatsbegräbnis: Der Trauerzug mit dem Leichnam von Rudolph Moshammer hielt auch vor dessen Boutique in der Maximilianstraße. Foto: Matthias Schrader, dpa

    Über Moshammers Leben hatte Stalter in seiner Predigt gesagt: „Manches spricht dafür, dass bei allem Wohlstand vieles, sehr vieles unerfüllt blieb.“ Auch mit zwei Jahrzehnten Abstand erinnert er sich noch genau an seine Worte von damals. „Er war eine Kunstfigur, bei der Schein und Wirklichkeit nicht immer eins waren. Ich glaube, sein Lebensstil war auch die Flucht aus einer großen Einsamkeit“, sagt Stalter im Gespräch mit unserer Redaktion heute.

    Der Klatschpresseliebling „Mosi“ wurde 64 Jahre alt, und seine Beerdigung ist wie die Essenz dieser sechs Jahrzehnte Leben. Sie glich einem Staatsbegräbnis. 10.000 Schaulustige säumten die Maximilianstraße, als der Trauerzug mit Moshammers Sarg für eine Schweigeminute vor dessen Modeboutique hielt. Das war einmalig, glaubt auch der Grünwalder Pfarrer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in München für einen Prominenten je wieder ein Begräbnis in diesem Ausmaß geben wird.“

    Moshammer hatte offenbar kaum echte Freunde

    Ein Blumenmeer erstreckte sich damals um das Mausoleum, in dem der Exzentriker neben seiner Mutter Else ruht, angeblich mit einer Locke von Schoßhündchen Daisy in den gefalteten Händen. Doch so wie Gerüchten zufolge Daisy bei ihrem Ableben mehrmals durch einen neuen Yorkshire-Terrier ersetzt wurde, so war Moshammer als Typ zwar ein Unikat, einen festen Platz in den Herzen hatte er aber wohl bei den wenigsten seiner Weggefährten. Die wahre Prominenz, die, die nicht nur schön und reich war, sondern auch Klasse und Erfolg hatte, war bei der Beerdigung nur spärlich vertreten. Vielleicht auch, weil „Mosi“ mit zunehmendem Alter das Gespür für Peinlichkeit abhanden kam. Sein Tiefpunkt: das frühe Aus beim ESC-Vorentscheid 2001 mit der Wiesnband Münchner Zwietracht.

    Moshammer, der nie eine Schneiderlehre gemacht und doch Stars wie José Carreras oder Arnold Schwarzenegger in seiner Boutique „Carnaval de Venise“ in der Maximilianstraße eingekleidet hatte, sonnte sich als Teil der Bussi-Bussi-Gesellschaft im Scheinwerferlicht. Nachts traf er seinen Mörder.

    Polizisten führten den Mörder des 2005 ermordeten Münchener Modemachers im Januar 2023 zu seinem Abschiebeflug.
    Polizisten führten den Mörder des 2005 ermordeten Münchener Modemachers im Januar 2023 zu seinem Abschiebeflug. Foto: Boris Roessler, dpa

    Herish A. ist mit ihm heimgefahren am 14. Januar 2005. 2000 Euro habe Moshammer ihm für „sexuelle Dienstleistungen“ versprochen, hieß es später im Mordprozess. Die Dienste erfüllte der damals 25-Jährige offensichtlich, doch über die Bezahlung gerieten die beiden Männer in Streit. Herish A. griff sich ein Kabel, legte es um den Hals seines Kontrahenten und zog, bis der Modemacher keine Regung mehr zeigte. Einen Tag später wurde A. festgenommen, überführt von DNA-Spuren. Fast auf den Tag genau neun Monate nach Moshammers Beerdigung verurteilte das Landgericht München I Herish A. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

    18 Jahre später, im Januar 2023, wurde der bei der Tat verschuldete und psychisch kranke Täter aus der Haft heraus in den Irak abgeschoben. Sein damaliger Anwalt, der Münchner Strafverteidiger Adam Ahmed, hat nach eigenen Angaben nach wie vor Kontakt zu seinem Mandanten, der heute in seinem Heimatland als Maler arbeite und sich um seine Mutter kümmere. In mehreren Medien beteuerte Ahmed zuletzt, dass A. jeden Tag an die Tat denke und „ehrlich bereut, es getan zu haben“.

    Kurz nach seinem 20. Todestag liegen Gestecke und Blumen an Moshammers Mausoleum.
    Kurz nach seinem 20. Todestag liegen Gestecke und Blumen an Moshammers Mausoleum. Foto: Sarah Ritschel

    20 Jahre, nachdem Moshammer unter den Tränen von Tausenden durch München gefahren wurde, haben noch ein paar Menschen einzelne Rosen auf den Rand des Mausoleums gelegt und Grablichter angezündet. Zwischen den beiden Gestecken von der Nothilfe hat jemand die Bepflanzung mit einer riesigen roten Schleife geschmückt. Ein schriller Farbtupfer im Grau und Braun des winterlichen Friedhofs. So wie Moshammer mit seiner Boutique damals im mondänen Zentrum Münchens, in dem heute noch das marmorne Ladenschild in der Maximilianstraße 14 an ihn erinnert.

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