Jörg Kachelmann gehört zu den bekanntesten wie umstrittensten Meteorologen Deutschlands. Er polarisiert gerne und hält sich auch mit streitbaren Aussagen nicht zurück – das gilt auch fürs Wetter. Am vergangenen Montag schrieb Kachelmann auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) von ein „paar Ecken mit Bodenfrost“. Eine Karte zeigte die Temperaturen in Deutschland um vier Uhr morgens desselben Tages an. Ganz Bayern lag da über null Grad Celsius, nur in der unterfränkischen Kleinstadt Bad Königshofen zeigte das Thermometer um vier Uhr -1,6 Grad Celsius. „Aber jetzt bitte nicht mit #Eisheilige kommen“, so der Meteorologe weiter. Bezüglich der Eisheiligen ist sich der Schweizer sicher: Die Bauernregel, die besagt, dass es vom 11. bis zum 15. Mai einen Frosteinbruch geben soll, ist völliger Quatsch.
Der Begriff „Eisheilige“ stammt nicht aus der Meteorologie, sondern geht auf den kirchlichen Heiligenkalender zurück und bezieht sich auf die Namenstage verschiedener katholischer Heiliger, an denen – so die Bauernregel – letzte Frostnächte im Frühjahr möglich sind: Mamertus am 11., Pankratius am 12., Servatius am 13. und Bonifatius am 14. Mai. Den Schluss macht die „kalte Sophie“ am 15. Mai. Bis heute richten sich viele Hobbygärtner nach diesen Tagen, stellen ihre Pflanzentöpfe erst Ende Mai vor die Tür. Bisweilen fallen dabei noch Reime wie „Die kalte Sophie macht alles hie“ oder „Pankratz, Servaz und Bonifaz machen erst dem Sommer Platz“.
Bauernweisheit von Eisheiligen stammt aus dem Mittelalter
Die Regel stammt aus dem Mittelalter, als noch der julianische Kalender galt und sich die Landwirtschaft nur auf Heilige, nicht aber auf Wetterdaten und computergestützte Prognosen verlassen konnte. Für Jörg Kachelmann liegt darin schon der erste Fehler. Denn schon seit 1582 gilt der gregorianische Kalender, demnach müssten die Eisheiligen erst eine gute Woche später auf Ende Mai fallen. Trotzdem gilt aber vielen der 15. Mai als Stichtag für das Frostende.
Auf Kachelmanns eigener Website „kachelmannwetter.com“ ist in einem den Eisheiligen eigens gewidmeten Artikel sogar die Rede von „Blödsinn“. Grafiken vom Temperaturverlauf einzeln ausgewählter Wetterstationen im Mai sollen das Phänomen widerlegen. Sie zeigen über einen Zeitverlauf von knapp 40 Jahren, dass Frosteinbrüche oft nicht auf die Zeit vom 11. bis zum 15. des Monats fielen, sondern sowohl davor als auch danach auftreten können. Trotzdem, so der auf der Website formulierte Vorwurf, würden sich Menschen bis heute auf diese Bauernregel verlassen. Medien würden sich jedes Jahr im Mai mit den immer gleichen Schlagzeilen auf die Bauernregel stürzen und bedarfsweise einfach über verfrühte oder verspätete oder ausfallende Eisheilige berichten.
Deutscher Wetterdienst: Eisheilige sind kein Mythos
Also wirklich alles Humbug und Aberglaube? Kann man seine Gurken und Tomaten schon im Mai bedenkenlos auf den Balkon oder die Terrasse stellen? „Dass das vollkommener Quatsch ist, wäre mir neu“, sagt Andreas Walter. Der Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst (DWD) ist sich sicher, dass man die Eisheiligen durchaus als Wetterphänomen bezeichnen kann. Die Daten des DWD, in denen alle Temperaturaufzeichnungen in Deutschland seit dem Jahr 1881 enthalten sind, würden das bestätigen. Während sich die Nordhalbkugel im Frühjahr aufheizt, bleibt es im hohen Norden noch kalt. Winde tragen die kalte Polarluft im Mai dann oft ein letztes Mal noch in den Süden.
Allerdings hat auch der Experte vom DWD ein paar Einwände zur Bauernregel: „Dass das immer auf den 14. Mai fällt, ist natürlich schon Quatsch“, sagt Walter. „Es gibt sogenannte Anomalien in einem typischen Wetterverlauf über das Jahr gesehen.“ Eine dieser Anomalien seien die Eisheiligen. Unter Null muss es dabei aber nicht zwangsweise fallen. Auch Walter spricht nur von „tiefen Temperaturen von Anfang bis Mitte Mai.“ Sich auf Frost in dieser Zeit einzustellen und seine Pflanzen bis zum Monatsende noch in der Wohnung zu behalten, sei trotzdem klug. Auf bestimmte Tage will sich nämlich auch der DWD nicht festlegen. In manchen Jahren fielen die Eisheiligen auch ganz aus, meint Andreas Walter.
Eisheilige könnten 2025 schon früh vorbei sein
Fest steht: Im Mai kann es kalt werden, Frostgefahr bleibt bestehen. Auch die Kachelmann-Karte auf der Plattform X zeigt, dass aktuell die Temperaturen vielerorts gegen Null gehen. In Sachsen und Nordrhein-Westfalen hatte es am Montagmorgen sogar Minusgrade. „Die Vermutung, dass es sich da jetzt um die Eisheiligen handelt, liegt nahe“, sagt Andreas Walter. „Es ist auf jeden Fall eine Kältephase zu beobachten.“ Zur neuen Woche hin sind allerdings schon wieder Temperaturen Richtung 20 Grad angesagt. Ist der Frühjahrsfrost dann also für heuer Geschichte? „Möglich“, sagt Andreas Walter. „Ausgeschlossen werden kann beim Wetter aber nie etwas.“
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