Herr Heilig, nerven Sie Anspielungen auf Ihren Nachnamen?
MARTIN HEILIG: Die kenne ich seit meiner Kindheit. Sie nerven mich nicht, besonders witzig finde ich sie aber auch nicht. Wobei: Kürzlich war es ganz lustig. Meine Frau ist Britin. Und als britische Verwandte im Internet von meinem Wahlsieg lasen, stießen sie auf den Namen „Saint Martin“.
Heiliger Martin! Aber ohne Witz: Sie waren einst Gruppenleiter bei der Gemeinschaft Christlichen Lebens. Sind Sie gläubiger Katholik?
HEILIG: Ich bin Christ und bete jeden Tag. Ich sehe meinen Glauben allerdings als meine Privatsache an.
Wenn man liest, was über Sie zuletzt alles gesagt wurde, könnte man denken, Sie seien eine Art Heilsbringer.
HEILIG: Ich freue mich über positive Rückmeldungen.
Sie wurden mit 65 Prozent der Stimmen in Würzburg zum Oberbürgermeister gewählt – zum ersten grünen Oberbürgermeister in Bayern überhaupt.
HEILIG: Manche Reaktion darauf grenzte fast an Personenkult: Junge Menschen wollten Selfies mit mir; und wenn ich über die Straße zum Bäcker gehe, gratulieren mir jetzt immer noch fünf Leute. Klar: Als Politiker muss man die Bühne mögen und darf nicht schüchtern sein. Das jedoch finde ich schon etwas übertrieben. Andererseits: Ich bin seit über 30 Jahren in der Politik und weiß, wie hart das sein kann, wie viel man einstecken muss – insofern genieße ich das im Moment. Es werden wieder andere Zeiten kommen. Es gibt einen Würzburger Lokal-Krimi ...
In dem Sie vorkommen?
HEILIG: So muss man das wohl verstehen. Darin taucht ein Zweiter Bürgermeister auf, der ich ja in den vergangenen Jahren war, namens Selig.
Was passiert mit Selig?
HEILIG: Er wird entführt. Weil er für einen kostenlosen Großparkplatz eine Gebührenpflicht einführen will.
Sie wollten das mal vor Jahren wirklich.
HEILIG: Das sollte die Verkehrswende beschleunigen und den Umstieg auf den ÖPNV erleichtern. Es kam schließlich zu einem Bürgerentscheid, den wir haushoch verloren haben. Das respektiere ich natürlich bis heute und auch künftig. Im Grunde ist es lustig, eine Krimifigur zu sein. Doch bei so etwas kann einem das Lachen im Halse stecken bleiben – weil es Situationen gab, in denen ich angefeindet wurde.
Haben Sie Ihren historischen Wahlsieg inzwischen denn verkraftet?
HEILIG: Ich bin durchaus wieder in der Realität angekommen und bereite mich auf die Amtsübernahme am 1. Juli vor.
Das mit dem „historisch“ betonte besonders Ihre eigene Partei. Eva Lettenbauer, Grünen-Chefin in Bayern, sieht in Ihrem Wahlsieg gar den „Anfang für sehr große Schritte Richtung Kommunalwahl“.
HEILIG: Das ist durchaus möglich. Im Wahlkampf habe ich meine Überparteilichkeit betont, und dass ich ein Brückenbauer sein möchte. Gerade in diesen polarisierten Zeiten müssen Oberbürgermeister zusammenführen, gerade ein Oberbürgermeister in Würzburg. Hier im Stadtrat haben wir elf verschiedene Parteien und Gruppierungen! Man muss sich wechselnde Mehrheiten organisieren. Aber allen war klar, dass ich ein Grüner bin, und so stand es auf dem Wahlzettel. Und die Leute kennen mich als „Klimabürgermeister“.
Die linke taz titelte trotzdem: „Neuer Oberbürgermeister in Würzburg: Wahlsieger outet sich als Grüner“.
HEILIG: Die taz macht traditionell witzige Überschriften, ihre Analyse meines Wahlsiegs war aber die schlechteste von allen, die ich gelesen habe. Es wurde zum Beispiel kritisiert, ich hätte Klimapolitik nur „nebenbei“ eingestreut. Das ist wirklich Quatsch! Ich habe mein Programm übrigens mit der Stadtgesellschaft gemeinsam entwickelt, bei „Würzburg Foren“. Dabei wurde offensichtlich: Die klassischen Grünen-Themen sind die Themen, die die Würzburger bewegen. So gibt es eine große Mehrheit für eine Begrünung der Stadt, für Klimaschutz und Klimaanpassung. Würzburg ist ja eine der heißesten und trockensten Gegenden Deutschlands. Wir spüren die Folgen des Klimawandels deutlich.
Grünen-Chefin Lettenbauer empfahl mit Blick auf die bayerischen Kommunalwahlen am 8. März 2026 sinngemäß: Die Kandidatinnen und Kandidaten der Grünen sollten mehr Heilig wagen.
HEILIG: Ich glaube, man kann aus meinem Wahlkampf zwei Dinge lernen. Erstens: Man muss den Menschen zuhören und ihnen signalisieren, dass nicht einer der Ober-Guru ist, sondern dass man gemeinsam Verantwortung für die Stadt trägt. Die Mehrheit der Menschen möchte eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe, zu der auch gehört, dass man erklärt, warum manches eben nicht geht. Zweitens: Man muss das Positive betonen. Ich halte es für ausgesprochen problematisch, dass gewisse Parteien unser Land schlechtgeredet und Angst gemacht haben. Das hilft einzig den Extremen.
Trauen Sie sich, Namen zu nennen? Oder konkreter: Hat CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder aus Ihrer Sicht mit seinen Verbalattacken auf die Grünen die politische Debatte vergiftet?
HEILIG: Als Grüner war es auch vor 15 Jahren nicht leicht, an einem Infostand zu stehen. Der große Unterschied zu damals ist: Heute kursieren komplette Falschbehauptungen, auch über uns Grüne. Ich war mal mit Söder beim Frühjahrsvolksfest: Da sagte er den Leuten, die Grünen wollen euch alles verbieten, euren Fleischkonsum, euer Bier. Später sagte Hubert Aiwanger von den Freien Wählern das Gleiche – und irgendwann glauben die Leute diesen Unsinn, der selbst aus staatstragenden Parteien kommt. Dabei muss man darauf vertrauen können, dass sich solche Parteien an die Wahrheit halten.
Die harte Abgrenzung der CSU von den Grünen im Würzburger Wahlkampf war nicht erfolgreich. Die CSU-Kandidatin kam in der Stichwahl bloß auf 35 Prozent.
HEILIG: Diese CSU-Strategie ist bei anderen Wahlen genauso gescheitert. Dennoch macht die CSU immer weiter mit ihrem Grünen-Bashing. Ich würde mir wünschen, dass es unter Demokratinnen und Demokraten wieder sachlicher und konzilianter zugeht. Das wird am Ende auch die politische Mitte stärken. Ich erinnere mich da an eine befremdliche Begegnung ...
Mit Markus Söder?
HEILIG: Mit einer Frau, die mich auf der Straße ansprach. Die sagte: „Sie sind doch der Bürgermeister von den Grünen.“ Ich antwortete: „Ja.“ Und dann bekreuzigte die Frau sich. Sie dachte ernsthaft, mit unserem Gebäudeenergiegesetz wollten wir Grüne sie enteignen.
Was haben Sie getan?
HEILIG: Ich habe mit ihr gesprochen und konnte sie beruhigen. Das Problematische daran ist: Wer derartig von Falschbehauptungen aufgeschreckt wurde, ist möglicherweise empfänglich für Extremisten, etwa für die der AfD.
Die Grünen müssen sich aber schon auch selbst anrechnen, bei diesem Thema grobe Fehler gemacht zu haben.
HEILIG: Völlig richtig, absolut! Das Heizungsgesetz hat viel Vertrauen gekostet. Beziehungsweise: Es war noch gar nicht fertig! Da ist einiges von Anfang an schiefgelaufen, vor allem in der Kommunikation. Irgendwann wurde behauptet, eine Wärmepumpe samt Hausumbau koste 300.000 Euro, was komplett absurd ist. Als dann die heftige Kritik vonseiten anderer Parteien an uns losging, haben wir meiner Meinung nach zu weich reagiert. Wir hätten stärker gegenhalten müssen.
Kennen Sie Söder eigentlich persönlich?
HEILIG: Ich habe ihm ein paar Mal die Hand geschüttelt.
Er sagte nach Ihrem Wahlsieg: „Wir werden auch mit dem neuen Amtsträger ordentlich zusammenarbeiten.“
HEILIG: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, aber bislang hat er sich noch nicht bei mir gemeldet.
Für seine schärfsten Kritiker ist er ein Food-Blogger und Kabarettist.
HEILIG: Ehrlich gesagt: Wenn ich Markus Söder in einer Talkshow sehe, finde ich ihn gar nicht so unsympathisch. Ich finde ihn oft witzig. Und gegen Genuss habe ich wirklich nichts. Manchmal könnte Söder aber seriöser und staatstragender auftreten.
Werden Sie sich künftig landes- oder bundespolitisch zu Wort melden?
HEILIG: Bestimmt. Ich bin Vorsitzender im Umweltausschuss des Bayerischen Städtetags. Ich finde, die Stimme der Städte muss stärker gehört werden. Ob es um Klima- oder Sicherheitspolitik geht, letztlich sind das kommunale Themen. Wenn Städte oder Gemeinden die Politik nicht umsetzen, wer soll es denn dann machen? Landes- und Bundespolitik brauchen mehr Realitätssinn – von der Basis. Zu diesem Zweck werde ich mir sicher das Etikett „erster grüner Oberbürgermeister Bayerns“ zunutze machen.
Sie haben fünf Söhne. Wie finden die es, dass Ihr Vater nun Oberbürgermeister und bundesweit in den Medien ist?
HEILIG: Ich habe drei erwachsene Söhne, die sich für Politik interessieren und mich im Wahlkampf unterstützt haben. Zwei Söhne sind noch jung, sieben und neun. Die freuen sich ebenfalls mit mir. Aber wer weiß, wie sie denken, wenn es heißt: „Dein Papa ist schuld daran, dass unsere Schultoilette so schlecht ausschaut!“
Sie erklärten, Ihr Ziel sei es, Ihren Söhnen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Ein zu hohes Ziel?
HEILIG: Nein, das muss doch das Ziel aller Politik sein. Ich beobachte, dass das viele, über die Parteigrenzen hinweg, so sehen – etwa die Stadträtinnen und Stadträte hier in Würzburg. Sie überlegen sich, wie sich ihre Entscheidungen auf ihre Kinder oder Enkelkinder auswirken.
Haben Sie unter Grünen-Politikern und -politikerinnen ein Vorbild?
HEILIG: Joschka Fischer.
Zur Person
Martin Heilig, ein 49-jähriger Diplom-Handelslehrer, arbeitete bis 2020 als Oberstudienrat an der Fach- und Berufsoberschule Marktheidenfeld. Seitdem ist der gebürtige Würzburger zweiter hauptamtlicher Bürgermeister seiner unterfränkischen Heimatstadt mit ihren 132.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Martin Heilig sollte wissen seriös kann man nicht lernen, man muss es sein.
Die Abneigung gegenüber den Grünen in seiner überheblichen Sprache schadet Söder selbst offensichtlich am meisten, denn seit seiner Regierungszeit in Bayern hat die CSU immer weiter an Stimmen verloren im Vergleich zu Goppel, Strauss, Stoiber und Seehofer. Auch seine Verächtlichmachung des damaligen Kanzlerkandidaten Laschet ( "..im Schlafwagen ins Kanzleramt .." ) hat gezeigt, dass er sich auch nicht scheut, einen Politiker der Schwesterpartei CDU und Kanzlerkandidaten zu verun- glimpfen. Interessant ist auch, dass Söder die Grünen immer wieder zu seinen politischen Hauptgegnern erklärt, die gesichert rechts- extreme AfD aber verharmlosend als "5. Rad Moskaus" abtut. Die Wahl des Grünen Martin Heilig wird ihm deshalb auch nicht gefallen.
Finden Sie vieleicht die Linksgrüne Gesinnung in Ordnung?? Also ich nicht weil die Linksgrünen nichts auslassen um die CSU zu beschimpfen und mag die CSU noch so recht haben!!
Haben sie sich schon mal gefragt wo die CSU überhaupt recht hat?
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