Herr Dekan, am vergangenen Sonntag haben Sie in der Donauwörther Christuskirche Geld verschenkt, zehn Euro für jeden Gottesdienstbesucher in einem Umschlag. War Ihre Kirche dann – provokant gefragt – ausnahmsweise voll?
DEKAN FRANK WAGNER: Der klassische Gottesdienst war ganz normal besucht. Beim zweiten, etwas moderneren “Mensch, sing mit!”-Gottesdienst war richtig viel los. Da hatte man schon das Gefühl, da sind ein paar Menschen extra wegen der Aktion gekommen.
Wie viel Geld haben Sie den Gottesdienstbesuchern in die Hand gedrückt?
WAGNER: Im März haben wir die Aktion schon einmal gemacht, da waren es um die 50, an diesem Sonntag gut 100 Kuverts.
Insgesamt 1500 Euro, die Sie unter die Gläubigen gebracht haben. Dabei klingt das erst einmal seltsam – Sie verschenken Geld, bräuchten aber selbst dringend finanzielle Unterstützung für Ihre Kirche. Erklären Sie es mir…
WAGNER: Das hängt mit einem Gleichnis aus dem Neuen Testament zusammen, der Geschichte vom Hausherrn, der verreiste und seinen Knechten sein Geld anvertraute. Die Währung, die man in Zeiten von Jesus hatte, war eben nicht der Euro, sondern es waren die wahren Talente. Der Herr hat zu seinen Knechten gesagt: “Hier habt ihr mein Geld. Ich möchte, dass ihr mein Geld vermehrt!” Und das ist auch der Hintergrund unserer Aktion: Jeder Mensch hat ein Talent mitbekommen, das er vielleicht erst entdecken muss. Die Frage ist also: Mit welchem Talent kann ich zehn Euro in eine größere Summe verwandeln und damit die Renovierung meiner Kirche unterstützen?
Was muss an der Donauwörther Christuskirche gemacht werden und wie teuer wird das Ganze?
WAGNER: Die erste Frage ist relativ leicht zu beantworten. Denn es ist lange nichts mehr gemacht worden. Der Putz fällt von den Wänden. Am Samstag hat sich der Boden gehoben. Zudem muss das Gotteshaus barrierefrei umgebaut werden. Und: Die Kirche ist relativ groß. Das ist schön, wenn 400 Leute da sind. Nur ist das nicht die Regel. Deswegen wollen wir das Haus so gestalten, dass sich die Menschen auch bei kleineren Gottesdienstformen nicht im großen Raum verlieren. Zudem müssen wir die technische Ausstattung erneuern – es braucht einen Beamer, eine Leinwand, Tontechnik. Die Frage nach den Kosten ist allerdings schwieriger zu beantworten. Da es leider von unserer Landeskirche keine großen Zuschüsse mehr gibt, müssen wir schauen, was wir finanzieren können. Die Obergrenze dürfte, denke ich, ungefähr eine Million Euro sein.
Haben Sie nicht Sorge, dass die Leute die zehn Euro einstecken, ohne der Kirche etwas zurückzugeben?
WAGNER: No risk, no fun! Natürlich kann das passieren. Aber es sind doch eher die kirchlich verbundenen Menschen, die am Sonntag in einen Gottesdienst gehen. Große Sorge, dass wir mit einem Negativbetrag rausgehen, habe ich daher nicht. Und wenn einer tatsächlich die zehn Euro einsammelt und damit Eis essen geht, dann hat er das Talent genutzt, sein Geld zum Eisessen auszugeben.
Gibt es bereits Ideen, wie man sein Geld vermehren könnte?
WAGNER: Ja, die gibt es. Ein Mädchen will für das Geld Zutaten kaufen, Muffins backen und die in der Nachbarschaft anbieten. Eine Frau kocht Erdbeermarmelade ein. Ein Vater und seine Tochter wollen das Geld in Sirup investieren und mit ihrer Maschine daraus Slush-Eis machen und bei Festen verkaufen. Man merkt: Es sind nur zehn Euro, aber die Ideen blühen bereits.
Letztlich geht es auch nicht nur ums Geld, sondern darum, dass sich was bewegt…
WAGNER: Genau. Wir haben ein Fundraising-Team gegründet für die Renovierung der Kirche. Verschiedene Firmen unterstützen uns mit Produkten. Wir verkaufen Tassen mit Bonbons, Taschen, Regenschirme. Wir verkaufen Kaffee und Kuchen beim Adventsmarkt oder beim Osterbasar. An Erntedank gibt es Suppe und Eintopf auf Spendenbasis. Im vergangenen Jahr haben wir eine Tombola gemacht mit Preisen, die Gemeinschaft stiften. Der Oberbürgermeister ist mit fünf Menschen auf der Wörnitz Boot gefahren. Ich habe etwa Menschen zum Kaffeeklatsch in den Dekansgarten eingeladen. Viele Menschen aus der Gemeinde und darüber hinaus haben uns bereits geholfen.
Wie lange haben die Gottesdienstbesucher denn Zeit, ihre zehn Euro zu vermehren?
WAGNER: Eigentlich wollten wir die Aktion bis zum Gemeindefest am 29. Juni laufen lassen. Dann sollte sich zeigen, inwieweit sich das Kapital vermehrt hat. Tatsächlich bin ich schon sehr gespannt, was sich die Leute haben einfallen lassen. Wer allerdings länger braucht, um seine Talente umzusetzen, kann das Geld auch bis Erntedank abgeben. Es kommt so oder so der Christuskirche zugute.
Zur Person
Franz Wagner, Jahrgang 1967, ist seit Januar Dekan des Dekanats Donau-Ries. Vorher war er zweieinhalb Jahre lang Dekan und Pfarrer in Donauwörth.
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