Grüne und Linke im Landesparlament fordern den Senat auf, sich für die Aufnahme von queeren Menschen ins Grundgesetz einzusetzen. Das hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bereits bei der Eröffnung des Christopher Street Day (CSD) im vergangenen Jahr zugesagt. In einem gemeinsamen Antrag mit dem Titel "Berlin hält Wort: Diskriminierungsschutz für LSBTIQ* endlich im Grundgesetz verankern" mahnen die beiden Oppositionsparteien Wegner, sein Wort zu halten. Darüber soll bei der nächsten Sitzung im Abgeordnetenhaus am 20. Juni diskutiert werden, wie die Fraktionen von Grünen und Linken am Mittwoch mitteilten.
Konkret geht es um eine Bundesratsinitiative, die das Land Berlin starten könnte, um Artikel 3 des Grundgesetzes um den Aspekt sexuelle Identität zu erweitern. Das hatte Wegner beim CSD 2023 in Aussicht gestellt. Der Trägerverein des CSD hat inzwischen gefordert, Wegner müsse diese Zusage erst erfüllen, bevor er den CSD auch in diesem Jahr eröffnen dürfe.
Sozialsenatorin weist auf Schwierigkeiten hin
Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), die auch für Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung zuständig ist, weist darauf hin, dass sich eine Grundgesetzänderung nicht mit links machen lässt: "Um es ganz deutlich zu sagen: Hier müssen weite Teil der demokratischen Oppositionsfraktionen zustimmen. Das heißt, es wird auf jede einzelne Stimme der Bundestagsabgeordneten ankommen", warnte Kiziltepe vor zu hohen Erwartungen. "Mein Fahrplan für Berlin war von Anfang an, dem Senat so schnell wie möglich einen entsprechenden Entwurf vorzulegen, damit dieser dann dem Bundesrat zur Entscheidung vorgelegt werden kann."
Kiziltepes Verwaltung arbeitet bereits seit mehreren Monaten an einem entsprechenden Entwurf für die Bundesratsinitiative zur Ergänzung von Artikel 3 im Grundgesetz. "Dieser Artikel wurde damals geschrieben, um genau die Gruppen zu schützen, die durch das, nationalsozialistische Unrechtsregime unendliches Leid erfahren haben", argumentiert die Senatorin. "Die queere Community wurde dabei ausgelassen, weil der Unrechts-Paragraf 175 StGB homosexuelle Handlungen vor allem in der Bundesrepublik bis 1994 unter Strafe stellte." In Zeiten zunehmender queerfeindlicher Hetze und eines erstarkten Rechtspopulismus sei ein verfassungsmäßiger Schutz der queeren Community aber nötiger als je zuvor.
CSD: Die Zeit drängt
Aus Sicht des CSD sollte Berlin nicht zu lange warten: "Die Zeit drängt, denn wir wissen nicht, ob wir nach der Bundestagswahl noch mit der erforderlichen progressiven Regierungsmehrheit rechnen können", sagte Leiter der politischen Kampagne des CSD, Thomas Hoffmann, dem "Tagesspiegel".
Die Sozialverwaltung ist entschlossen, den Vorschlag für die Bundesratsinitiative in den Senat einzubringen, weist allerdings auch darauf hin, dass Berlin bereits zwei entsprechende Initiativen gestartet hat, die beide keine Mehrheit fanden. "Da wir für eine Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat benötigen, ist hier eine gute Abstimmung mit der Senatskanzlei gefragt", so die Sozialverwaltung. "Unabhängig vom Verfahren im Bundesrat ist entscheidend, dass der Bundestag ebenfalls die Ergänzung des Grundgesetzes mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet."
Linke: Berlin muss Farbe bekennen
Der Sprecher der Linke-Fraktion für Queerpolitik, Klaus Lederer, sagte, die Ergänzung des Artikels 3 des Grundgesetzes sei überfällig. "Angesichts des internationalen Backlashs und des Drucks auf Queers hierzulande ist es nötig, dass Berlin hier Farbe bekennt und im Bundesrat aktiv wird."
Auch die Grünen forderten mehr Tempo: "Wir schließen uns der Forderung des Berliner CSD e.V. uneingeschränkt und solidarisch an", so die beiden Abgeordneten Sebastian Walter und Laura Neugebauer, die in der Fraktion für Queerpolitik zuständig sind. "Es muss noch vor dem Berliner CSD am 27. Juli einen konkreten Vorstoß Berlins in Form einer Bundesratsinitiative geben."
(dpa)