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Foto: Rainer Jensen, dpa (Symbolbild)
Foto: Rainer Jensen, dpa (Symbolbild)

Frauen in Spitzenpositionen - in Deutschland immer noch ungewöhnlich.

Analyse
15.06.2018

Spitzenpositionen: Wo sind die Frauen?

Von Sandra Liermann

Obwohl Frauen 51 Prozent der deutschen Gesellschaft ausmachen, sind sie in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Ein Problem, das sich durch alle Branchen zieht.

Allen, die glauben, dass eines Tages genau so viele Frauen wie Männer in Führungspositionen arbeiten werden, mussten vor wenigen Tagen einen Tiefschlag hinnehmen. Das britische Department for Business Energy and Industrial Strategy hat die Ergebnisse einer Umfrage unter Topmanagern veröffentlicht, warum es keine oder kaum Frauen in Führungspositionen in ihren Unternehmen gebe. Die Antworten lauteten unter anderem:

  • "Es gibt nicht so viele Frauen mit den richtigen Referenzen und der nötigen Erfahrung, um im Vorstand zu sitzen. Die Themen, die wir behandeln, sind sehr komplex."
  • "Aktionäre interessieren sich nicht für das Make-up des Vorstands, also warum sollten wir es tun?"
  • "Meine anderen Vorstandskollegen würden keine Frau ernennen wollen."
  • "Wir haben bereits eine Frau im Vorstand, also sind wir fertig."

Diese Aussagen stammen von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern britischer börsennotierter Unternehmen. Die Umfrage wurde für die regierungsfinanzierte Hampton-Alexander Review durchgeführt. Dieser Bericht dokumentiert seit 2016, wie Frauen in Großbritannien in Führungspositionen gelangen.

Amanda Mackenzie, Chefin der britischen NGO Business in the Community, sagte dazu: „Wenn man diese Liste von Ausreden liest, könnte man denken, es sei 1918 und nicht 2018. Es liest sich wie das Drehbuch einer Komödie, aber es ist wahr.“

Wer jetzt abwinkt und denkt "Großbritannien halt!", dem sei gesagt, dass es in Deutschland nicht besser aussieht. Ähnliche Aussagen finden sich in einer repräsentativen Untersuchung des Bundesfamilienministeriums. Klicken Sie sich durch unsere Textgalerie, um die irritierendsten Aussagen von Führungspersonal deutscher privatwirtschaftlicher Unternehmen zu lesen:

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Dieser Konzern ist erzkonservativ und duldet keine Frau im Vorstand. Ende. Ist so."

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Die Hauptbedingung für Vorstände im Regelfall ist, keine Frau zu sein."

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

„Es gäbe womöglich nicht absehbare Nebenfolgen in Bezug auf die Führungsstärke und Akzeptanz der Leitung – und das ist ein nicht notwendiges Risiko.“

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Da mag Frau Merkel Kanzlerin sein, so viel sie will, aber bei uns kommt das nicht in die Tüte."

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Eine Frau im Vorstand würde das Beziehungsgeflecht untereinander stören."

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Sie stört die Kreise. Sorry. Man kann es ganz platt ausdrücken: Sie können nicht mehr so viele dreckige Witze machen."

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Frauen sind die schlechteren Teamplayer. Das macht sich dadurch bemerkbar, dass sie sehr viel schlechter kommunizieren."

Aussagen zu Frauen in Führungspositionen

"Wenn Entscheidungen gegen Frauen fallen - was man auch mal sportlich nehmen muss - dann haben sie diesen verkniffenen Ausdruck um die Mundwinkel."

Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung - aber nicht die Hälfte des Führungspersonals

Obwohl Frauen 51 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachen, spiegelt sich dieses Verhältnis in den Führungspositionen absolut nicht wider. Nun könnte man meinen, dass diese Entwicklung einfach Zeit braucht und es eines Tages schon so weit sein wird. Doch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die im Januar vorgestellt wurde, zeigt: Ohne Geschlechterquote werden die Führungsgremien deutscher Unternehmen kaum weiblicher. 

Seit mittlerweile zwei Jahren sind gut hundert börsennotierte Unternehmen dazu verpflichtet, frei werdende Aufsichtsratsposten so lange mit Frauen zu besetzen, bis 30 Prozent des Gremiums weiblich sind. 2017 wurde dieses Ziel erstmals erreicht: Der Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten stieg von 27,4 Prozent in 2016 auf 30,1 Prozent in 2017. Und der positive Trend könnte sich noch fortsetzen, weil einige Firmen die gesetzliche Vorgabe übererfüllen, andere hingegen noch nachziehen müssen.

Ganz anders sieht es aber bei Vorstandspositionen aus. "Frauen sind, wenn es um Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft geht, immer noch krass benachteiligt", sagte Bundesfamilienministerin Katarina Barley zu den Ergebnissen.

Frauen in Spitzenpositionen - ein Überblick

Nach so viel Theorie zeigen wir, wie die Situation ganz konkret aussieht. Wir geben einen Überblick über verschiedene Branchen in Deutschland. Beginnen wir mit der Wirtschaft.

Ende 2017 hatten Frauen 27 der insgesamt 201 Vorstandposten im Dax inne, was einen Frauenanteil von 13,4 Prozent ausmacht. Immer noch gering, aber es tut sich etwas: Von den neuen Vorstandsmitgliedern, die im Jahr 2017 berufen wurden, sind fast 30 Prozent weiblich. Vergleicht man allerdings das Geschlechterverhältnis unter Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden, sieht die Situation deutlich düsterer aus.

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Auch in der politischen Landschaft in Deutschland haben Frauen das Nachsehen, wenn es um Spitzenpositionen jeglicher Art geht. Angefangen beim obersten Rathauschef in deutschen Großstädten...

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... über das zu Lasten der Frauen gehende Geschlechterverhältnis im Bundestag.

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Der Frauenanteil in der derzeitigen Legislaturperiode beträgt 30,9 Prozent. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede bei den verschiedenen Fraktionen. Am "weiblichsten" sind die Grünen, mit einem Frauenanteil von fast 60 Prozent, gefolgt von der Linkspartei (54 Prozent). Auffällig: Je weiter rechts sich eine Partei im politischen Spektrum verordnet, desto geringer ist der Frauenanteil. Liegt er bei der SPD mit knapp 42 Prozent noch relativ nah am tatsächlichen Geschlechterverhältnis in der Bevölkerung, sind FDP (24 Prozent) und Union (20 Prozent) weit davon entfernt. Schlusslicht ist die AfD mit einem Frauenanteil von unter elf Prozent.

Länderebene: Eine Frau als Ministerpräsidentin?

Auch auf Länderebene sieht die Situation - um es mit einem gern genutzten Weiblichkeits-Klischee zu beschreiben - nicht gerade rosig aus. Von 16 Ministerpräsidenten-Posten sind gerade einmal zwei mit Frauen besetzt. Das macht einen Anteil von 12,5 Prozent aus. Zur Veranschaulichung haben wir einmal alle Landesväter und -mütter zusammengeschnitten.

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Foto: AZ/dpa
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Die Ministerpräsidenten der Länder.

Zur Verdeutlichung: So sieht die Besetzung aus, wenn wir uns die Männer einmal wegdenken.

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Foto: AZ7dpa
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Nur die Frauen: Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) und Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz).

Zack, ständen Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen ohne Ministerpräsidenten dar. Die Stellung halten würden nur noch Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern und Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz.

Frauen, die für "Recht und Ordnung" sorgen

Auch die Leitung der obersten Polizeibehörden der Länder liegt fast ausschließlich in Männerhand.

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Ein anderes Bild zeigt sich in der Justiz. Dennoch ist ein Frauenanteil von circa 30 Prozent weit entfernt vom eigentlichen Anteil der Frauen an der deutschen Bevölkerung.

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Die Leitung der 24 Oberlandesgerichte in Deutschland liegt in neun Fällen in Frauenhand.

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Frauen in der Medizin

Der Frauenanteil im Medizinstudium liegt mittlerweile bei 70 Prozent. Das verwundert nicht, wenn man die strengen Zulassungsvoraussetzungen zum Medizinstudium und die durchschnittlich besseren Schulleistungen von Schülerinnen betrachtet. Mädchen haben bessere Noten, Mädchen machen häufiger Abitur, zeigen Studien.

So liegt der Frauenanteil unter berufstätigen Ärzten auch nahe am gesamt-gesellschaftlichen Verhältnis. In bestimmten Fachbereichen sieht es wiederum ganz anders aus.

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Foto: AZ/Deutscher Ärztinnenbund e.V.
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Und auch auf dem Weg nach oben werden die Frauen irgendwo von den Männern überholt, wie ein Blick auf den Frauenanteil unter deutschen Chefärzten zeigt. Diese Zahl nannte Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, in einem Interview zum Thema Gleichbehandlung in der Medizin.

Frauen und Medien

Liegt der Frauenanteil in Studiengängen von "Irgendwas mit Medien"-Fächern in der Regel noch bei deutlich über 50 Prozent, sinkt er im Journalismus auf etwa 35 Prozent. Nach oben wird das Feld auch hier deutlich lichter. Ein Blick in die Chefredaktionen zeigt: Nicht einmal jeder zehnte Posten bei größeren deutschen Tageszeitungen ist mit einer Frau besetzt.

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Ein ähnliches Bild zeigt sich auf den Vorstandsposten der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten.

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Frauen in Bildung und Kultur

An sämtlichen Schulformen liegt der Frauenanteil in der Lehrerschaft durchschnittlich bei mehr als 50 Prozent. In Lehrfunktion an Universitäten dreht sich das Verhältnis um. Hier liegt der Frauenanteil bei rund 42 Prozent. Und auch hier zeigt sich das altbekannte Bild: Je höher die Position, desto männlicher wird das Feld.

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Foto: AZ/Quelle: Deutscher Kulturrat
Foto: AZ/Quelle: Deutscher Kulturrat

Auch an Theatern sind Führungspositionen meist männlich besetzt. Zu diesem Fazit kommt eine Studie des Deutschen Kulturrats zum Thema "Frauen in Kultur und Medien". demzufolge beläuft sich der Frauenanteil an deutschen Theatern zwar auf 42 Prozent. In leitender Funktion sind aber rund vier von fünf Stellen mit Männern besetzt.

Nicht nur Spitzenpositionen, sondern auch hohe Auszeichnungen wurden in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich oft an Männer verliehen, wie diese Übersicht zeigt.

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Kochen und Design sind eher ein Frauending? Von wegen...

Ebenfalls im Bereich Kochen, der ja in der Vorstellung vieler eher weiblich geprägt ist, besetzen Männer die Spitzenpositionen. So auch bei den deutschen Küchenchefs, die vom Guide Michelin mit Sternen ausgezeichnet wurden.

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Zuletzt noch eine Zahl, die zeigt, dass das Problem nicht nur ein deutsches oder, wie eingangs angedeutet, britisches ist, sondern ein weltweites:

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Foto: AZ, Quelle: skyscrapercenter.com/buildings
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