"Love out Loud" - Die re:publica und der Kampf gegen den Hass
In Zeiten von Hate Speech und Fake News macht sich die Netzgemeinde auf der re:publica 2017 stark für ein liebenswerteres Internet. Aber was kann der Einzelne tatsächlich tun?
Ob Hate Speech oder Fake News: Die Internet-Community kann wohl selbst kaum glauben, wie sich die Kultur und der Umgang im Netz gewandelt haben. Der Ton ist rauer, mitunter unerträglich geworden. Gerüchte oder Falschmeldungen können sich in Windeseile verbreiten. Unter dem Motto "Love out Loud" treffen sich Tausende Besucher bei der Konferenz re:publica in Berlin - und suchen nach Wegen, das Netz wieder liebenswerter zu machen.
re:publica 2017 will Aktivisten verbinden und inspirieren
"Ein kleiner, aber lautstarker Teil der Gesellschaft vergiftet unsere Diskursräume, zieht aber auch die Aufmerksamkeit auf sich", erklärt Mitorganisator Markus Beckedahl von Netzpolitik.org. Es gelte, sich zu solidarisieren gegen Hass und für Solidarität. Und Mitveranstalterin Tanja Haeussler erklärt: "Die Welt, auch die virtuelle, wollen wir noch immer nicht den Arschlöchern überlassen." Um dann zum Kampf aufzurufen: "Let's love out loud!"
Denn Aktivisten zu verbinden und andere Menschen zu inspirieren, auch das ist Aufgabe der elften re:publica. Die Stimmung auf der Internetkonferenz, die sich längst vom Klassentreffen der Blogger zum großen Branchentreffen gewandelt hat, ist harmonisch, bunt, quirlig. Überall hängen entsprechend dem Motto Herzen, dazu bunte Luftballons. In einer Ecke können sich die Besucher in den Armen einer großen Donald-Trump-Figur fotografieren lassen, daneben der Schriftzug #hugsnothate (Umarmungen nicht Hass).
Aber was kann der Einzelne konkret tun? Tatsächlich haben sich zuletzt mehrere Initiativen gebildet, die gegen Hass im Netz oder gegen die Verbreitung von Fake News angehen. Anfang 2016 startete in Leipzig "hoaxmap", eine digitale Landkarte, die Gerüchte und Falschmeldungen über Flüchtligen entlarvt. Bisher haben die Macher Karolin Schwarz und Lutz Helm mehr als 470 Fälle dokumentiert.
Der Ton im Netz ist rauer geworden
Wie fallen die Reaktionen aus? "Man hält sich an den positiven Sachen fest", erklärt Schwarz am Rande der re:publica. Da seien die Mails von älteren Leuten, "die in Gesprächen am Gartenzaun auf unsere Daten als Argumentationsgrundlage zurückgreifen". Und: "Bei jedem einzelnen, den man da erreicht, hat sich die Arbeit gelohnt." Aber auf der anderen Seite sind da auch die Anfeindungen im Netz: "Das sind die üblichen Sachen von Gewaltandrohungen bis hin zu Leuten, die mir Vergewaltigungen wünschen", erklärt die 31-Jährige.
Ja, der Umgang Miteinander im Netz sei rauer geworden. Aber das sei nicht erst seit gestern so. "Es ist ein schleichender Prozess, den ich schon länger beobachte", sagt Schwarz. Eine kleine, laute Minderheit bekomme viel Aufmerksamkeit. "Und das führt dazu, dass sich viele Leute nicht mehr trauen, sich zu äußern." Aber: "Ich glaube, dass man dem mit digitaler Zivilcourage begegnen kann."
Dafür macht sich auch der Hamburger Hannes Ley von "#ichbinhier" stark. Nach einem schwedischen Vorbild gründete er vor einigen Monaten die deutschsprachige Facebook-Gruppe - mit inzwischen knapp 35 000 Mitgliedern. "Es ist schon großartig zu sehen, dass Tausende Menschen endlich mal was tun gegen den Hass", erklärt Ley, der nicht nach Berlin kommen konnte, am Telefon. Die Aktivisten versuchen auf konstruktive, sachliche und höfliche Weise mit den Verfassern von Hasskommentaren in den Dialog zu treten - dafür wurden sie gerade für den Grimme Online Award nominiert. Aber Ley sagt auch: "Dass wir den eingefleischten Hater drehen können, da glaube ich nicht dran."
Nicht zu sehr auf die Hater konzentrieren
Ohnehin sollte man sich nicht zu sehr auf die Hater konzentrieren, rät Sina Laubenstein von "No Hate Speech". Die Initiative des Europarats vernetzt Aktivisten, koordiniert Aktionen und klärt auf. Stattdessen sollte man die Opfer unterstützen. "Es ist Zeit, für die schweigende Mehrheit laut zu werden."
Die Statistik zeigt, das der Hass im Netz kein Randphänomen ist. Laut einer Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen aus dem vergangenen Sommer wurden 77 Prozent der 14- bis 59-Jährigen bereits mit Hate Speech konfrontiert. Und laut dem Barometer der EU-Kommission vom Herbst 2016 haben 72 Prozent Hass im Netz erlebt; die Hälfte der Befragten zögerte deshalb, sich in Online-Diskussionen einzubringen.
"Wir müssen Solidarität im Netz zeigen, dürfen nicht weiterscrollen und wegklicken", warnt Konferenz-Mitveranstalter Johnny Haeussler. Oft reiche ein Like, eine Nachricht an Betroffene, um zu zeigen, du bist nicht allein. Und Friedensbuchpreisträgerin Carolin Emcke sagt in ihrer "Reflexion über Liebe und Empathie, on- und offline" treffend: "Wer gedemütigt und verletzt wird, wer verachtet und angegriffen wird, soll sich nicht selbst wehren müssen."
dpa/AZ
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