
IT-Rechtsexperte: Diese Chancen hat das Bräustüberl Tegernsee im Prozess gegen Google


Wegen falscher Wartezeiten-Angaben geht das Bräustüberl gegen Google vor. Ein Experte sagt, was Unternehmen tun können und was er vom Prozess gegen Google erwartet.
Wie kommt Google dazu, neben Öffnungszeiten auch Wartezeiten von Restaurants und Geschäften zu erheben?
Jörg Heidrich: Ich gehe davon aus, dass Google Nutzern damit einen Service bieten will. Als User finde ich die Angaben zu Wartezeiten aber eher irritierend, denn ich habe den Eindruck als würde das nicht immer funktionieren. Dabei basieren die Angaben sicherlich nicht allein auf Erfahrungswerten, die die Leute dem Suchmaschinenkonzern nach ihrem Restaurant- oder Geschäftsbesuch zur Verfügung stellen. Schließlich listet Google Öffnungszeiten und Wartezeiten zu Restaurants, Geschäften und öffentlichen Einrichtungen weltweit auf – so viele Rückmeldungen können sie zu jedem einzelnen Ort gar nicht generieren.
Teilweise stimmen nicht einmal Öffnungszeiten, auch Adressen sind oft falsch. Was kann ich als Unternehmer dagegen tun?
Heidrich: Google bietet mit Google My Business eine Plattform, über die Unternehmen und Selbstständige mit großer Gestaltungsfreiheit ihre Dienstleistung beschreiben können. Darin lassen sich gerade auch zu Restaurants verschiedene Angaben machen und eigene Fotos hochladen. Das klappt meiner Erfahrung nach ganz gut. Hier sollten Selbstständige sehen, dass sie die Oberhand gewinnen, was Informationen zu ihrem Unternehmen angeht. Natürlich stehen sie dabei auch unter Zugzwang, aber Google bietet ihnen auch eine Plattform. Problematisch sehe ich eher die Angaben zu den Wartezeiten, da diese völlig intransparent erhoben werden.
Wie bewerten Sie, dass mit Peter Hubert vom Tegernseer Bräustüberl nun erstmals in Deutschland ein Wirt dagegen klagt?
Heidrich: Wenn mit den Angaben zu den Wartezeiten etwas nicht stimmt und der Wirt sich dagegen wehren will, ist das sehr sinnvoll. Falsche Informationen in der Öffentlichkeit sind für Selbstständige massiv geschäftsschädigend. Das lässt sich juristisch als falsche Tatsachen-Behauptung verfolgen.
Der Bräustüberl-Wirt sagte, er habe seit 2017 außergerichtlich versucht, Google zur Rücknahme der falschen Angaben zu bewegen…
Heidrich: Google macht es einem wirklich nicht leicht, sie in Deutschland überhaupt anzusprechen – geschweige denn sie juristisch zu belangen. Bei dem Suchmaschinenkonzern ist man häufig der Auffassung, dass die deutsche Niederlassung nicht zuständig ist und dass man auf die Zentrale in den USA zugehen muss. Dabei hat der Konzern auch in Deutschland große Büros, in denen unter anderem eine Rechtsabteilung für Deutschland arbeitet.
Welchen Ausgang nimmt das Verfahren aus Ihrer Sicht?
Heidrich: Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Wirt recht bekommt. Wenn er nachweisen kann, dass die Angaben zu den Wartezeiten bei Google falsch waren, wird er den Prozess gewinnen. Unklar ist lediglich, ob er den Prozess gegen Google Deutschland oder den amerikanischen Mutterkonzern führen muss. Zwar kann er in beiden Fällen in Deutschland klagen. Ist aber der US-Konzern involviert, wird es für den Bräustüberl-Wirt etwas umständlicher und es zöge sich noch etwas hin. Für erfahrene Anwälte ist das aber kein grundsätzliches Problem.
Was bringt ein erfolgreicher Prozessausgang für das Bräustüberl - aber auch für andere Unternehmer in Deutschland?
Heidrich: In diesem Fall muss Google erst einmal nur die falschen Angaben zu dem Tegernseer Bräustüberl korrigieren. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Konzern diese Entscheidung allein zum Anlass nehmen wird, seine auf einem vermutlich weltweit einheitlichen Algorithmus beruhende Seitengestaltung zu ändern. Allerdings macht es ein positives Urteil in vergleichbaren Fällen zumindest einfacher, gegen falsche und geschäftsschädigende Angaben in den Google-Unternehmensverzeichnissen vorzugehen.
Was bedeutet das am Ende für den Verbraucher, der sich auf Google nur informieren will?
Heidrich: Für den Verbraucher ändert sich eigentlich gar nichts. Vermutlich wird er durch die Berichterstattung rund um den Prozess lediglich sensibilisiert, die Angaben zu Wartezeiten und Stoßzeiten kritischer zu hinterfragen.
Zur Person: Joerg Heidrich ist Justiziar der Computerzeitschrift c’t und als Fachanwalt für IT-Recht in Hannover tätig.
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