Wikileaks-Chef Assange scheut die Öffentlichkeit
Berlin (dpa) Mit seinen schlohweißen Haaren sieht Julian Assange viel älter aus als 39 Jahre. Doch der Chef der Enthüllungsplattform Wikileaks ist ein Kind der siebziger Jahre.
Als Jugendlicher wählte er sich mit seinem Heim-Computer, einem Commodore 64, nicht nur in Mail-Box-Systeme ein, sondern brach auch in Netzwerke von Unternehmen und Behörden ein.
Schon damals hatte er amerikanische Militärrechner im Visier. Der Australier möchte sich heute nicht mehr "Hacker" nennen lassen. "Dieses Wort ist inzwischen vor allem mit der russischen Mafia verknüpft, die die Bankkonten Ihrer Großmutter plündern möchten", sagte Assange kürzlich auf der Medienkonferenz "TED" in Oxford. "Ich bin ein journalistischer Aktivist."
Als eine Gruppe von Aktivisten versteht Assange auch das Enthüllungsnetzwerk Wikileaks, das im Jahr 2007 von ihm gegründet wurde. Dort werden brisante und heikle Dokumente veröffentlicht, die nach Ansicht von Assange und seinen Mitstreitern dazu beitragen, dass die Welt besser wird. "Großherzige Menschen schaffen keine Opfer, sie kümmern sich um Opfer", erläutert Assange seine Motive.
"Ich selbst bin eher ein kämpferischer Typ. Zu meinen Stärken gehört nicht unbedingt die Fürsorge. Man kann sich aber auch um die Opfer kümmern, in dem man die Täter verfolgt." In die Kategorie "Täter" gehören aus Sicht von Assange auch die Militärs, die in Konflikten unbeteiligte Zivilisten töten.
Großes Aufsehen erregte Wikileaks mit der Veröffentlichung des Bordvideos eines amerikanischen Kampfhubschraubers aus dem Jahr 2007. In dem Video aus Bagdad war deutlich zu sehen, wie elf zivile Passanten darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters aus dem Hubschrauber heraus erschossen wurden.
Seitdem tauchen immer wieder Gerüchte auf, dass US-Geheimdienste Julian Assange und seinen Mitstreitern nachstellen. Um Agenten der amerikanischen Heimatschutzbehörde aus dem Weg zu gehen, sagte der Australier erst vor zwei Wochen einen lange geplanten Auftritt auf einer Konferenz in New York ab.
Dem Magazin "New Yorker" sagte er, er lebe zurzeit auf Flughäfen. Selbst in Europa fühlt Assange sich unter Beobachtung: "Wir haben hier in den letzten Monaten einige Vorfälle entdeckt", sagte der Wikileaks-Chef vor einer Woche der "Süddeutschen Zeitung".
Kritiker werfen Assange vor, mit einer großen Geheimniskrämerei die Glaubwürdigkeit des Enthüllungsnetzwerks Wikileaks zu unterlaufen. "Man kann (die Arbeit von Wikileaks) nicht beurteilen, weil jede Transparenz fehlt", schreibt der Web-Aktivist John Young auf seiner Website Cryptome.org. Der Wikileaks-Chef verteidigt seine Verschwiegenheit mit einem Hinweis auf den Schutz seiner Quellen.
Andere Kritiker bemängeln einen zu lockeren Umgang mit den Persönlichkeitsrechten von Betroffenen. So seien mit der Veröffentlichung der E-Mails der US-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin auch viele Menschen ins Visier der Öffentlichkeit geraten, die lediglich einen privaten Umgang mit Palin hatten.
Assange räumt ein, dass Wikileaks nicht jedes Geheimnis veröffentlichen darf. "Uns kommt es darauf an, um welche Information es sich handelt und ob eine Veröffentlichung dazu beitragen kann, einen Reformprozess in Gang zu setzen", sagte der Wikileaks-Chef auf der "TED"-Konferenz.
Wenn Organisationen sich anstrengen, eine Information zu verbergen, sei dies ein gutes Indiz dafür, dass diese Information besser veröffentlicht werden sollte. Es gebe aber auch legitime Geheimnisse: "Ihre Unterlagen bei Ihrem Arzt gehören beispielsweise dazu."
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