Die Königin tanzte Tango in Dillingen
Meisterorganist Jürgen Sonnentheil faszinierte mit einem ungewöhnlichen Programm.
Im Jahre 2009 wurde der Tango in die Liste des immatriellen Weltkulturerbes der Unesco aufgenommen. Zehn Jahre früher schuf der der Komponist aus der französischsprachigen Schweiz Guy Bovet jene ecclesiastischen Tangos, die der Cuxhavener Organist Jürgen Sonnentheil zur Freude des Publikums auf der Sandtner-Orgel servierte. Tangos in einer Kirche, ein Sakrileg? Nein, sagt Bovez und weist auf die Tanzformen der Barocksuiten hin. Außerdem fuße seine Komposition auf den Kirchentonarten, die im Mittelalter vor den Dur- und Molltonarten gebräuchlich waren. Statt dorisch, äolisch, phrygisch, lydisch odet ionisch heißen die einzelnen Abschnitte Tangos im ersten, zweiten ...bis zum zwölften Ton. Alle diese Stücke beziehen sich entweder auf kirchenmusikalisches Repertoire (vor allem auf die spanischen Tientos, daher die Kommentare auf spanisch) oder auf Anekdoten mit kirchlichen Personen. So beschwört z. B. der Tango im achten Ton den gregorianischen Pfingsthymnus „Komm Schöpfer heiliger Geist“, in dem die Musik im Rahmen von drei Takten durch alle zwölf Halbtöne moduliert. Im siebten Ton erscheint kurz eine Melodie nach J. S. Bach, die auf wunderbare Weise im Stil einer Habanera terzenselig den Besuch von Papst Johannes Paul II. auf Cuba charakterisiert. Im elften Ton gibt es einen Tango in der Manier einer Bossanova im 3+3+2-Achtel-Rhythmus, wie man sie auch in spanischen Orgelkompositionen des 17. Jahrhunderts findet.
Jürgen Sonnentheil war der authentische Interpret, nahm er doch bei Meisterkursen mit dem Komponisten Bovet teil. Mit dessen feinsinnigen ironisierenden Texten, von der Orgelempore aus vorgetragen, führte der Organist in die Vielfalt der Tangos ein. Das außergewöhliche technischen Vermögen des Organisten ließ ganz spielerisch „Ave maris stella“ im Kanon entstehen. Spektakulär irrlichterte im fünften Ton die linke Hand im Cromorne-Register des Hauptwerks durch die Klangwelten, die Akkorde mit der rechten Hand verwegen abschattierten. Elektrisierend auf den Pedalen der Parforce-Ritt im zweiten Ton zum stark akzentuierten Tango-Rhythmus oder die Elevationstoccata, bei der die Dissonanzen das Leiden Christ am Kreuz darstellen sollten. Für die Wiedergabe wählte J. Sonnentheil adäquate Registrierungen, entwickelte den Charakter der unterschiedlichen Tangos facettenreich. Die klanglichen Valeurs in Verbindung mit dem rhythmischen Feuer entfachten kreative Interpretationen. Große Begeisterung für eine Stunde einmaliger Orgelkunst.
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