Handy zücken anstatt zu helfen?
Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer rechnet mit der exzessiven Digitalisierung ab
Der international renommierte Referent gab sich gewohnt kritisch bis kämpferisch. Die Veranstalter – die Selbsthilfegruppe für Aphasie und Schlaganfall sowie die AOK – hatten nicht zu viel versprochen. „Cyberkrank! Digital und trotzdem gesund“ lautete der Titel des Vortrags von Manfred Spitzer, Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm und bekennender scharfer Kritiker der übertriebenen und bisweilen süchtig machenden Mediennutzung. Den Gegenstand, den der bekannte Psychologe fast anderthalb Stunden lang verbal geißelte, hielt er immer wieder selbst in seiner rechten Hand. Wohl auch, um zu unterstreichen, dass auch er diesen für sich nutzt: „Ich habe nichts gegen Digitales“, versicherte der auch aus dem Fernsehen bekannte Medienkritiker und Arzt dem verblüfften Publikum.
Heutige Medizin sei ohne dieses Medium undenkbar, fuhr Manfred Spitzer fort. Zu einer differenzierten Auseinandersetzung damit hatte zuvor schon AOK-Direktor Hermann Hillenbrand aufgerufen, zumal die allgemeine Digitalisierung auch das Gesundheitswesen beeinflussen und in manchen Fällen das Leben erleichtern würde. „Wir sollten Dr. med Google begrüßen, weil sich damit immer mehr Menschen für das Thema Gesundheit interessieren“, riet Hillenbrand, der darauf hinwies, dass ein Sechstel der rund drei Millionen Zusatzprogramme – sogenannte Apps – einen medizinischen Hintergrund aufwiesen. So spannend das Thema auch sei, man müsse dennoch verantwortlich damit umgehen, appellierte der Direktor ans Publikum, das von dem Professor aus Ulm dann eindrucksvoll über das krasse Gegenteil informiert wurde. Der Bestsellerautor konnte alarmierende neue Forschungsergebnisse über die gesundheitlichen Risiken des digitalisierten Lebens präsentieren, etwa aus den USA und Südkorea. In dem asiatischen Land hätten Studien nachgewiesen, dass ein Großteil der jungen Menschen zwischen 15 und 19 starke Brillen tragen müssten wegen übersteigerter Nutzung von Smartphones. „Das ist einfach verrückt, dort wo moderne Mobiltelefone entwickelt und produziert werden, floriert auch die Brillenindustrie“, gab Spitzer zu bedenken und warnte davor, bereits Heranwachsenden die kleinen Computer zu überlassen: „Wenn sich das Augenorgan gerade entwickelt, kann durch das ständige Starren auf die Displays Kurzsichtigkeit eintreten und eine Sehhilfe nötig werden.“ Nachdem schon unter Achtjährige ein Smartphone auf ihrer Wunschliste stehen hätten und diese meist erfüllt werde, laufe man auch in Deutschland Gefahr, südkoreanische Verhältnisse zu bekommen: „Der Unterschied ist aber: Dort ist man aufgewacht und forscht und handelt, bei uns wird immer mehr getippt und gewischt“, sagte Neurowissenschaftler. So hätten die Asiaten trotz ihrer fortgeschrittenen Digitalinfrastruktur schon reagiert, indem etwa nachts die Computerspielserver einfach abgeschaltet würden. „Die ziehen dort gerade die Notbremse.“
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