
In der alten Hülle steckt die Moderne

Geschichte Seit zehn Jahren ist das Schloss Bissingen im Besitz von Karin und Jürgen Wahl. Liebevoll und in Eigenregie sanieren sie seither Raum für Raum. Dafür werden sie heute belohnt
Bissingen Da hängt diese Lampe. Sie ist verziert mit unzähligen Glaskugeln. 40 Kilogramm ist sie schwer und mit einer dicken Kordel an der Decke sicher befestigt. Ein Hingucker aus dem Jahr 1880. Im Treppenhaus stechen sofort die vielen Kreuzgewölbe ins Auge. 14 an der Zahl. Alle sind sie liebevoll bearbeitet. Die Fenster aus dem 17. Jahrhundert in jedem Stockwerk sehen aus wie damals. Einzig die Plexiglasscheiben erinnern an die Moderne. Da gibt es aber auch den uralten Kamin, der von unten bis oben eingebaut ist. Im Erdgeschoss fällt das große Loch, das wieder funktionsfähig ist, sofort ins Auge.
Aber auch die Küchenzeile aus den roten Backsteinen oder die wundervollen Türen aus einer Zeit, an die uns nur noch alte Aufzeichnungen erinnern, lassen den Besucher im Schloss Bissingen in eine andere Welt eintauchen. In eine ganz besondere Reise in die Vergangenheit und gleichzeitig in die Zukunft. Darauf haben Dr. Jürgen Wahl und seine Frau Karin besonders Wert gelegt in den vergangenen zehn Jahren. Seither werkelt das Ehepaar in und an dem geschichtsträchtigen Gebäude. Dabei verfolgt es eine ganz bestimmte Konzeption. „Wir wollen die Geschichte erhalten, dem Schloss aber eine Zukunft geben. Ich denke, das ist uns bislang gut gelungen“, sagt Jürgen Wahl. Ist es. Denn der Bezirk Schwaben belohnt diese aufwendige Sanierung in Eigenregie heute mit dem Denkmalpreis. „Darauf sind wir schon stolz. Es ist eine Anerkennung für all das, was wir ins Schloss stecken“, erzählt der 72-Jährige. Und neben Geld sind es vor allem Freizeit, Leidenschaft und Herzblut, was das Ehepaar hineinsteckt. Anders, so sagt der Schlossbesitzer bei einem Rundgang durch das alte Gemäuer, würde es nicht gehen. „Das Interesse muss schon da sein, sonst wäre uns schon lange die Luft ausgegangen. Aber wenn ich mir nur die alten Beschläge der Türen anschaue – das kann man doch nicht wegwerfen.“ Aufwendig und in Handarbeit richtet Jürgen Wahl deshalb die alten Türen wieder her, achtet auf jedes Details, arbeitet mit Materialien und Gegenständen, die im Schloss zu finden sind. Alles, was irgendwie wiederverwertbar ist, integriert er. „Das Schloss hat eine alte Hülle, in der Zukunft steckt. Wir haben alles so saniert, dass mindestens die nächsten zwei Generationen modern leben können.“ Und das war eine Herausforderung.
Das Schloss, das in Bissingen von Rathaus und Kirche umgeben ist, wurde von 1557 bis 1560 von dem Augsburger Feldhauptmann Sebastian Schertlin von Burtenbach errichtet und war seit 1661 im Besitz der Oettinger-Wallersteiner. Das Gebäude ist ein rechteckiger, dreigeschossiger Giebelbau mit schräg gestellten, quadratischen Ecktürmen und einem nordseitigen Treppenturmanbau. Die Maße: 28 Meter mal 21 Meter mal 33 Meter. Zuletzt war es im Besitz einer Dame, letzte Sanierungsmaßnahmen fanden 1981 statt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel getan. Das allein ist ein Verdienst von Familie Wahl – denn, so erzählt es der gelernte Mikrobiologe, das Schloss Bissingen sei ein Familienprojekt. Alle packen mit an, alle genießen aber dann auch die gemeinsame Zeit im Schloss. „Es ist herrlich und besonders, wenn die Enkelkinder in den großen, breiten Gängen Fahrrad fahren lernen können“, sagt Wahl und lacht. Aktuell lebt die Familie noch nicht mit Hauptsitz in Bissingen, es wird gependelt. „Aber das wird sich bald ändern. Ich bin ja eh immer da.“
Das Ehepaar Wahl will das Schloss aber nicht nur für sich haben. Im Gegenteil. Er erzählt: „Viele Jahre war es für die Bissinger nicht zugänglich, kaum jemand wusste, wie es hinter den Mauern aussieht. Das wollten wir ändern.“ Deshalb finden schon seit Jahren regelmäßig hochkarätige Konzerte im zweiten Obergeschoss für die Öffentlichkeit statt. Umgeben vom Charme alter Holzdielen, hohen Wänden und ungewöhnlichen Toiletten geben sich Stars seither in Bissingen die Klinke in die Hand. Künftig soll auf dieser Geschossfläche ein kleiner Aufenthaltsraum entstehen, der Eingangsbereich soll einladend ausschauen, die Räume für die Künstler sollen wohnlich eingerichtet werden – und im Herbst will Dr. Jürgen Wahl das Dach des Schlosses angehen. „Ich glaube, ich bin nie fertig“, sagt er und schmunzelt.
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