
Theatergruppe am Sailer-Gymnasium zeigt Kafka, nur anders

Die Theatergruppe des Dillinger Sailer-Gymnasiums begeistert mit der Inszenierung „Der Samsa in mir“.
Samsa? Samsa? Ach ja, da war doch was mit so einem Typen, der sich in so eine Art Käfer verwandelt und dann irgendwie stirbt, oder? Na dann, schauen wir mal ...
Und zum Schauen gab es viel in der vergangenen Woche, denn theaterbegeisterte Schülerinnen und Schüler inszenierten und interpretierten unter Leitung der Lehrkräfte Ute von Egloffstein und Alexandra Wallenstein Franz Kafkas „Die Verwandlung“. Dabei musste der Zuschauer unterschiedliche Ebenen unterscheiden: Da ist einmal die Adaption der Erzählung Kafkas, also die Umsetzung eines Prosatextes in eine Bühnenfassung: Die „Vorgeschichte“, also der finanzielle Ruin des Vaters und die daraus resultierenden Verpflichtungen Gregors, der zum Ernährer der Familie aufrückt, wurde, ausführlicher als im Original, als Bühnenhandlung gezeigt, gipfelnd in einer Szene, in der sich der Protagonist „in Ketten“ fühlte.
Seine Gedanken werden durch Stimmen aus dem Off vorgetragen
Als er sich nach der Verwandlung nicht mehr seiner Umgebung mitteilen konnte, wurden seine stetigen Gedanken durch Stimmen aus dem Off (Leonie Bawidamann, Lara-Sophie Brenner, Julia Finster, Andrea Stadter, alle Q12) vorgetragen. Getreu der Vorlage bemühten sich seine Eltern und seine Schwester (Eltern: Christian Oudintsov und Talisa Schmid; Schwester: Emily Okas, alle Q12) verzweifelt um Normalität. Die Fassade bröckelte jedoch immer mehr, gipfelnd im Schrei der Schwester Grete: „Wir müssen es loswerden!“

Doch wie soll ein menschengroßes Insekt, ganz ohne „Special Effects“, dargestellt werden? Die Spielleiterinnen entschieden sich für eine überraschende Lösung: Für Gregor gab es nicht einen Darsteller/eine Darstellerin, sondern gleich mehrere (Pia Buelens, Celina Meringer, Valeria Oudintsov, 10c, sowie Erika Geiser, Emma Kimmerle, Juliane Meixner, Amelié Miebeck und Giuliana Trapp, Q12). Nach der Verwandlung agierten sie als einziges überdimensioniertes Käferwesen und verfügten so tatsächlich über „viele Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung“ waren.
Hier kommt die zweite Ebene „ins Spiel“, nämlich die der Interpretation: Was bedeutet es denn eigentlich, nach einer unruhigen Nacht als „ungeheures Ungeziefer aufzuwachen“? Realistisch ist dies sicherlich nicht! Die Mitglieder der Theatergruppe beantworteten diese Frage so, dass das Individuum in Zwängen und Erwartungen seiner Umgebung gefangen ist und somit eigene Wünsche und Fähigkeiten nicht entfalten kann. Entsprechend des Titels „Der Samsa in mir“ gab es immer wieder „Breaks“, in denen die Darstellerinnen aus der Figur „Gregor“ „heraustraten“ und zum Beispiel überlegten, was man tun würde, wenn man die Chance hätte, das eigene Leben neu zu ordnen. Und wer jetzt mit dem Tod des Protagonisten gerechnet hatte, sah sich getäuscht: Diese „Gregors“ standen am Schluss auf, forderten lautstark ihr Recht auf Individualität ein und appellierten an das Publikum: „Lass dich nicht zu Gregor machen!“

Dem Grundsatz der letzten Inszenierungen, nur das an Ausstattung und Requisiten zu verwenden, was wirklich notwendig ist, schienen die Regisseurinnen dieses Mal nur auf den ersten Blick untreu zu werden: Zahlreiche Gegenstände, etwa ein Globus oder ein Tennisschläger, waren auf der Bühne drapiert, doch zeigte sich, dass sie als Symbole für die Möglichkeiten und Sehnsüchte der verschiedenen „Gregors“ dienten. Dagegen wurde das Wohnzimmer der Familie Samsa mit Klappmöbeln angedeutet, für Gregors Zimmer genügte ein breiter Klebestreifen auf dem Bühnenboden, doch wurde nach seiner Verwandlung dieser Bereich mit rotweißem Flatterband abgesperrt. Dank versierter Technikcrew (Robin Putz und Nikolas Dieminger) konnte das Bühnengeschehen durch Licht und Musikeinspielungen unterstützt werden. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Regisseurinnen wirklich nichts dem Zufall überlassen und sogar das Programmheft im Sinne einer Selbstauskunft Gregor Samsas konzipiert hatten.
Das Publikum spendet tosenden Beifall
Bei so viel Engagement und Leidenschaft hatte das Publikum eigentlich gar keine andere Wahl, als sich mitreißen zu lassen und belohnte die Theatergruppe mit begeistertem Applaus. Die neue Schulleiterin Beate Merkel zeigte sich anschließend überwältigt von der Professionalität der Darbietung und bedankte sich herzlich bei den beiden Lehrkräften Ute von Egloffstein und Alexandra Wallenstein. Sicherlich zu Recht wies sie aber auch darauf hin, dass es nicht nur um einen unterhaltsamen Abend gehe: „Da haben wir alle noch viel nachzudenken.“
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.