
Mit Regens Wagner unterwegs zu mehr Teilhabe

Weil bei Regens Wagner der Mensch im Mittelpunkt der Arbeit steht, muss das Werk in Dillingen und seine Zentren in Bayern die Zukunft nicht fürchten.
Mit der Eröffnung eines Erinnerungsorts für die Opfer des Nationalsozialismus endete bei Regens Wagner das Jubiläum zu 175 Jahren Dienst für Menschen mit Behinderung. In unserer Serie geht es aus diesem Anlass um die Gegenwart und Zukunft des Sozialwerks, das dazu beigetragen hat, Dillingen zur Stadt der Karitas zu machen. Das Jubiläum der Regens-Wagner-Stiftungen gab Anlass, nicht nur zurück-, sondern auch vorauszuschauen: Wie wird die Arbeit für Menschen mit Behinderung in der Zukunft sein? Einige Entwicklungen sind bereits rechtlich und fachlich vorgezeichnet, etwa durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) von 2006 und das Bundesteilhabegesetz (BTHG) von 2016, das diese in deutsches Recht umsetzt.

Behinderung wird dabei nicht mehr als Krankheit oder Defizit definiert, sondern als Ergebnis einer „Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren“ (UN-BRK), die einen Mangel an Teilhabe bewirkt. Entsprechend versteht sich Arbeit für Menschen mit Behinderung nicht mehr als Fürsorge, die sie im behüteten Umfeld betreut, sondern als Eingliederungshilfe, die sie im Lebensalltag dort unterstützt, wo Teilhabe an Sozialleben, Bildung oder Erwerbsleben fehlt oder behindert wird.
Den Menschen in den Mittelpunkt stellen
Im Jubiläumsjahr griff Regens Wagner mit dem Motto „Startpunkt – Zielpunkt – Mittelpunkt Mensch“ die Personenzentrierung als zentralen Gedanken auf: Arbeit für Menschen mit Beeinträchtigung ist auf deren persönlichen Bedürfnisse ausgerichtet, und diese selbst bringen durch ihr Wunsch- und Wahlrecht ihre Anliegen und Wünsche in die Gestaltung der Assistenzleistungen ein. Im Sinne der Sozialraumorientierung werden Betroffene für die Anforderungen ihres Umfelds befähigt und gestärkt, aber auch strukturelle und mentale Barrieren im Umfeld abgebaut. Ein breites Spektrum an Diensten bietet dazu Beratung und vermittelt bei Ämtern und Behörden.

Das Konzept der Teilhabe steht in der Tradition der drei „Säulen“ Wohnen, Bildung und Beschäftigung, auf denen die Arbeit der von Johann Evangelist Wagner und den Dillinger Franziskanerinnen begründeten Einrichtungen basierte. Wohnung und Versorgung, die Menschen mit Behinderung früher in der Anstaltsgemeinschaft fanden, ist heute als soziale Teilhabe in einem offenen Umfeld angesiedelt: Dezentrale, individuelle Wohnangebote, bei Bedarf mit individuell angepasster Unterstützung, werden dabei zum Ausgangspunkt für die Interaktion mit dem Sozialraum und seiner Infrastruktur (Verkehrsmittel, Geschäfte, Kultur- und Freizeitangebote).
Die Schulen waren ein wesentlicher Schritt für die Teilhabe
Die Schulen in den Gründungen Wagners waren ein wesentlicher Schritt hin zur Teilhabe an Bildung. Heute setzt kontinuierliche, leistungs- und altersgerechte Förderung bei Regens Wagner schon im Kleinkindalter an und reicht bis zur beruflichen Bildung. Wege des Lernens werden vielfältiger, individueller und flexibler: Mal führen sie über das auf eine Beeinträchtigung spezialisierte Förderzentrum, mal im Sinne der Inklusion über die Regelschule.
Während Arbeit und Beschäftigung zur Zeit Wagners dem Unterhalt der Hausgemeinschaft diente, ist Teilhabe am Erwerbsleben heute ein Element persönlicher Absicherung und Entfaltung. Dank guter Bildung haben Menschen mit Beeinträchtigung heute immer mehr Freiheit bei der Berufswahl – die Werkstätten bieten dabei nicht mehr nur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern werden zu wichtigen Qualifizierungs- und Schulungsstätten für den Zugang zum Arbeitsmarkt. Daneben ist heute auch digitale Teilhabe für Menschen mit Behinderung wichtig, sei es zum Lernen oder Arbeiten, für Kommunikation, zur Organisation des Lebens oder für die Erledigung alltäglicher Aufgaben. Technische und digitale Hilfsmittel geben ihnen mehr Selbstständigkeit – und erleichtern den Mitarbeitenden bei Regens Wagner ihren Dienst.

Der Wandel zur Eingliederungshilfe ist herausfordernd
Teilhabe ist als Miteinander sozialen Werten und der Nachhaltigkeit verpflichtet – in ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Geprägt von franziskanischer Spiritualität will Regens Wagner laut Pressemitteilung wert-voll und nachhaltig eine lebenswerte Zukunft mitgestalten. Der Wandel hin zur Eingliederungshilfe bringe Herausforderungen mit sich: etwa bei der Bestimmung des Assistenzbedarfs, gerade für Menschen, deren schwere oder mehrfache Behinderung ihrer selbstbestimmten Teilhabe am Sozialleben, an Bildung und Beschäftigung Grenzen setzt. Auch sind Betroffene und Anbieter von Assistenzleistungen nicht selten gefordert, sich im Spannungsfeld von Wunsch- und Wahlfreiheit, breitem Angebotsspektrum sowie rechtlichen Vorgaben des BTHG zurechtzufinden.Eine schwierige Aufgabe ist, wie das Sozialwerk informiert, der Mangel an Fachkräften in der Sozialbranche, besonders in der Eingliederungshilfe und Pflege.

In seiner 175-jährigen Geschichte war Regens Wagner immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert – und die Gründerpersönlichkeiten Johann Evangelist Wagner und Schwester Theresia Haselmayr, die Dillinger Franziskanerinnen sowie die Mitarbeitenden nahmen sie immer zuversichtlich an. Der Blick auf die eigene Mission habe dabei geholfen und helfe, alle Hindernisse zu überwinden. So werde es den Regens-Wagner-Stiftungen sicher auch künftig gelingen, Menschen mit Beeinträchtigung bestmögliche Lebensbedingungen zu bieten und sie mit Rat und Hilfe auf ihrem Lebensweg zu begleiten – getreu einem Leitsatz Johann Evangelist Wagners: „Wer die Gegenwart gewinnt, hat auch die Zukunft nicht zu fürchten.“
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