Ein Blick ins bunt gemischte Publikum beim großen Finale mit allen Mitwirkenden, verriet etwas von der Stimmung, die sich im Saal von St. Stanislaus in Dillingen breit gemacht hatte: feuchte Augen, die eine oder andere Träne, aber auch tosender Applaus – hörbar und durch viele nach oben gestreckte Hände sichtbar für die gehörlosen Darsteller. Eine Mischung aus Ergriffenheit und Begeisterung. Und das, obwohl der Protagonist des Stücks, der Heilige Franziskus, kurz zuvor auf der Bühne gestorben war.

Es war ein wagemutiges Unternehmen, das Wirken dieses revolutionären Ordensmanns als Singspiel namens „Franziskus und sein Lied für die Welt“ auf die Bühne zu bringen. Genau das haben Regens-Wagner-Mitarbeitende und Schüler getan. Doch kann man diesem radikalen Lebensentwurf schauspielerisch gerecht werden? Den Reaktionen des Publikums – darunter Landrat Markus Müller, Dillingens Oberbürgermeister Frank Kunz, viele Schwestern der Dillinger Franziskanerinnen und bei der Premiere am Vortag der Vorstand und Stiftungsrat der RW-Stiftung um Direktor Rainer Remmele – nach: ja.
Die Lebensstationen des Franz von Assisi auf die Bühne gebracht
In überschaubaren Sequenzen haben die Verantwortlichen die wichtigsten Lebensstationen des Franz von Assisi herausgegriffen: vom Sohn des reichen Tuchhändlers und dessen großem Wunsch, Ritter zu werden, seinem radikalen Entsagen an Geld, Macht und Ansehen und dem daraus resultierenden Bruch mit der Familie, seiner Liebe zu den Tieren bis hin zu seinem Tod. In einer natürlichen Unaufgeregtheit verkörpert Ulrich Seybold den heiligen Franziskus, der während des Stücks seine prunkvollen Roben in eine einfache Kutte tauscht und barfuß über die Bühne geht.

In seinen Interaktionen mit dem Vater, dem besten Freund Lorenzo, Bischof und Sultan, seinen Mitbrüdern, Schwester Clara und Jacoba, einer Dorfbewohnerin und Statisten stehen Regens-Wagner-Mitarbeitende sowie Schüler der Regens-Wagner-Schule gemeinsam auf der Bühne und identifizieren sich allesamt mit ihren Rollen, haben sichtlich Freude darin. Gelebte Inklusion, die beeindruckt.
Singspiel in Dillingen nimmt mit auf eine musikalische Reise
Um die einzelnen Szenen miteinander zu verbinden, schufen die beiden Singspiel-Macher Kathrin Reile und Andreas Schneider die Rolle des leprakranken Giacomo. Als Erzähler und trotzdem immer wieder ins Geschehen eingebunden, liefert er die nötigen Hintergrundinformationen und spannt den Bogen in die Gegenwart. Den „Sonnengesang“ sieht er als Franziskus‘ gesungenes Testament: „In eurer Zeit ist er so aktuell wie vor 800 Jahren!“ Jürgen Stella glänzt als Aussätziger in seinen Monologen. An Leib und Seele vom Leiden gezeichnet, verbittert von der Abscheu, die seine Mitmenschen und auch Francesco ihm entgegenbringen, wirkt sein über den Kopf gezogenes Tuch wie ein schützendes Visier gegen alle Anfeindungen. Umso schöner, dass im Laufe des Spiels immer mehr Gesichtszüge erscheinen, die Stellas Spiel noch eindringlicher machen.

Neben der szenischen Darstellung sind es die zu Ohren und Herzen gehenden Lieder, die beim Publikum nachhallen. Andreas Schneider hat mit eindringlichen Melodien und simplen Texten das Leben des Heiligen in Musik übersetzt. Mitarbeitende von Regens Wagner wussten sie an einem Dutzend verschiedener Instrumente und mit mehreren Stimmen mitreißend umzusetzen. Für den finalen Gänsehaut-Moment sorgte der Gebärdenchor, der beim Schlusslied „Sonnengesang“ mit auf die Bühne kam. Die musikalische Reise wird wohl bei vielen Mitreisenden nachklingen.
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