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Kriegsende vor 80 Jahren: Als Dillingen 6000 Vertriebene aufnahm

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Kriegsende vor 80 Jahren: Als Dillingen 6000 Vertriebene aufnahm

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    Die ökumenische Feier anlässlich des Kriegsendes vor 80 Jahren begann in der Katharinenkirche und endete auf dem Basilikaplatz. Dillingen war am Ende des Zweiten Weltkriegs glimpflich davongekommen.
    Die ökumenische Feier anlässlich des Kriegsendes vor 80 Jahren begann in der Katharinenkirche und endete auf dem Basilikaplatz. Dillingen war am Ende des Zweiten Weltkriegs glimpflich davongekommen. Foto: privat

    Schon die Auswahl der Choräle zeigte die Spannung auf, in der dieses Jahr die ökumenischen Feierlichkeiten zum Kriegsende in Dillingen standen: „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ und „Großer Gott, wir loben dich“ stimmte Organist Andreas Käßmeyer in der Katharinenkirche an. Doch genauso inständig bat die Gemeinde um den Aufgang der „Sonne der Gerechtigkeit“ und schloss mit „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Denn eines sei klar, wie Pfarrer Jonathan Launhardt in seiner Begrüßung betonte: 80 Jahre des Friedens in Europa seien unwiderruflich zu Ende.

    Dillingen nahm über 6000 „displaced persons“ auf

    Die Historikerin und Leiterin des Dillinger Stadtarchivs, Felicitas Söhner, erinnerte in ihrer Ansprache daran, dass das System des „Dritten Reichs“ Menschen entrechtet, verfolgt und getötet habe. Dillingen kam in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs relativ glimpflich davon, da die Donaubrücke nicht gesprengt wurde. Dennoch waren die Zahlen, die sie nannte, schockierend: Etwa 15.000 Verwundete wurden in den Dillinger Lazaretten behandelt. Auf dem Dillinger Friedhof sind rund 190 gefallene deutsche Soldaten bestattet – und 50 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in Dillingen starben. Weiter gab es zahlreiche Familien, deren Angehörige Opfer der sogenannten „Euthanasie“ wurden. Und in rund 600 Familien aus dem heutigen Stadtgebiet kehrten die Väter und Söhne nie aus dem Krieg zurück. Nach Kriegsende nahm Dillingen über 6000„displaced persons“ auf – Vertriebene, entlassene Gefangene und viele mehr.

    Georg Schrenk, Koordinator der Unterstützergruppe Asyl/Migration in Dillingen, gab die Stimmung der letzten Kriegstage in Briefen aus seiner Familie wider. Zwei Brüder seines Vaters waren gefallen, einer vermisst. Nur vorsichtig deuten die Briefschreiber an, dass sie vor allem auf eine gesunde Heimkehr hoffen und darauf, dass der Krieg möglichst bald ende. Sie schilderten, dass das Leben „keinen Sechser mehr wert“ geachtet werde. Obwohl die Menschen auch in unserer Gegend gesehen haben müssen, wie Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter erhängt wurden und dass jüdische Mitbürger verschwanden, hätten sie es auch nach dem Krieg nur selten offen ausgesprochen. Darum, so Georg Schrenk, seien wir gerade in Bezug auf die Botschaft Jesu, umso mehr gehalten, das Leben der Menschen im Einklang mit Freiheit und Menschenwürde zu gestalten.

    Im Anschluss erinnerte Pfarrer Monsignore Harald Heinrich an die Zerstörung der Kathedrale von Coventry durch deutsche Luftangriffe im November 1940. Danach ließ der damalige Dompropst Richard Howard die Worte „Vater vergib“ in die Chorwand der Ruine meißeln. Pfarrer Jonathan Launhardt griff das Thema unserer Verantwortung anhand eines Ausschnitts aus dem Buch der Sprüche im Alten Testament auf. „Wer mich findet, findet das Leben und findet Wohlgefallen bei Gott. Alle, die mich hassen, finden den Tod.“ Die Weisheit, so Launhardt, bestehe darin, zu erkennen, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge sei, und stattdessen Gott als obersten Herrn anzuerkennen. Dessen Maßstäbe für uns seien Nächstenliebe und Feindesliebe. „Wenn wir uns dieser Verantwortung bewusst sind, verhindert das Irrsinnstaten und Grausamkeit“, betonte Launhardt. Den Gräueltaten des Dritten Reichs stellte er die Nachkriegszeit gegenüber, in der nach Gottes Willen Vergebung und Versöhnung gesucht worden seien.

    Bemühen um Frieden bleibe eine drängende Aufgabe

    Gemeinsam trugen Pfarrer Heinrich und Vertreter der Kirchengemeinde, der Franziskanerinnen und der Bundeswehr die Fürbitten vor. Danach zogen alle Gäste der ökumenischen Feier, angeführt von dem Konfirmanden Joris David, der das Vortragekreuz hochhielt, zum Basilikaplatz. Dort wurden musikalische Akzente gesetzt, unter anderem von Diakon Xaver Käser mit Gitarre und Gesang. Die drei Geistlichen sprachen in ökumenischer Verbundenheit den Segen. Zum Schluss der Feier, an der auch Landrat Markus Müller, Landtagsabgeordneter Manuel Knoll und Charlotte Kulla vom IT-Bataillon 292 teilnahmen, erinnerte Oberbürgermeister Frank Kunz daran, dass das Bemühen um den Frieden angesichts der vielen gegenwärtigen Kriege eine aktuelle und drängende Frage sei. (AZ)

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