
Wie kommt die Mehrwegpflicht im Landkreis Dillingen an?

Wer Essen zum Mitnehmen verkauft, soll seit 1. Januar Mehrweg-Verpackungen anbieten. Das soll die Müllflut einbremsen. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt deutliche Probleme.
Ob der Kaffeebecher in der Mittagspause oder die Alubox mit asiatischen Nudeln am Abend: Wer Essen und Getränke zum Mitnehmen kauft, hinterlässt Müll. Mal sind es Pappbecher, mal Plastikbehälter oder Schalen aus Aluminium. Dieser Müll ist ein massives Problem für die Umwelt. Eine neue Verordnung soll das nun eindämmen: Caterer, Restaurants und Lieferdienste sind seit Anfang des Jahres verpflichtet, Mehrwegbehälter anzubieten. Im Landkreis Dillingen gibt es solche Mehrwegsysteme bei einzelnen Restaurants schon seit Längerem. Jetzt sind auch alle anderen gefragt. Doch der Renner sind die Boxen bislang nicht.
„Wir machen da nicht mit“, sagt Sandro Santamaria, der Betreiber des italienischen Restaurants „17/Siebzehn“ in Wertingen. Er geht einen anderen Weg: Die Einwegbehälter, die er aktuell noch auf Lager hat, werden aufgebraucht. Wer dann noch Essen zum Abholen will, bringt eine eigene Schüssel mit. „Es hat ja jeder eine Tupperschüssel daheim“, sagt Santamaria. Bei vielen Gästen habe sich die Vorgehensweise schon etabliert, einige brächten sogar Wärmetaschen mit. Von den Ausleih-Mehrwegbehältern ist Santamaria bislang nicht überzeugt. Denn die Restaurants müssen bei den Anbietern in Vorleistung gehen.
Verpackungsmüll vermeiden über eine App
Praktische Schwierigkeiten sieht auch Dinh Nguyen vom Thu Hanoi Bistro in Lauingen. Sein Geschäft hat nur mittags geöffnet und lebt vor allem von einmaligen Gästen, die Essen holen, wie Bauarbeiter etwa, die nur begrenzte Zeit in der Gegend sind. Die kämen nicht wieder, um die Dosen abzugeben, sagt Nguyen. Zwar können die Behälter je nach Anbieter auch bei anderen Restaurants abgegeben werden, doch auch das sei vielen seiner Kundinnen und Kunden zu umständlich.
Die Metzgerei Benedikt’s mit Standorten in Dillingen, Lauingen und Aislingen hat als eines der ersten Unternehmen im Landkreis ein Mehrwegsystem eingeführt. Essen mitnehmen kann man über „Vytal“. „Wir wollen Verpackungsmüll vermeiden“, sagt Betreiber Benedikt Steinle, der gute Erfahrungen damit gemacht hat. Viele Stammkundinnen und -kunden nutzten das Konzept, das über eine App funktioniert.
Ausgerechnet kleine Imbisse sind von der Verordnung kaum betroffen
Ganze 5922 Tonnen Leichtverpackungen, also Gelbe Säcke, entsorgte 2021 der Abfallwirtschaftsverband Nordschwaben (AWV) in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries. Tendenz steigend. Der AWV berät auch in Fragen der Abfallvermeidung, hat bereits vor Einführung der neuen Verordnung ein Förderprogramm aufgesetzt, bei dem die ersten 50 Restaurants, die Mehrweg anbieten, 100 Euro Startprämie für die Anschaffung bekommen. Bis heute sind die 50 noch nicht voll, sagt Emma Christa von der Abteilung Abfallberatung. Ihrer Einschätzung nach ist die neue Angebotspflicht zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Aber weil es am Ende nur ein Angebot bleibt, dürfte die Wirkung überschaubar sein. Denn nicht jeder Restaurantbetreiber würde die Mehrwegbehälter aktiv anbieten und auch nicht alle Kunden sie nutzen. Außerdem, so Christa, würde gerade bei kleinen Imbissen Essen-to-Go gekauft. Diese sind von der Verordnung aber nicht so sehr betroffen.
Die neuen Regeln gelten nämlich für Gastronomiebetriebe mit mehr als fünf Beschäftigten oder einer Verkaufsfläche von mehr als 80 Quadratmetern. Sie müssen nicht nur Mehrwegbehälter anbieten, sondern die Kundinnen und Kunden darauf auch aufmerksam machen. Kleinere Betriebe sind von der Regelung ausgenommen, müssen dafür aber aktiv anbieten, mitgebrachte Behältnisse zu füllen. Die neue Pflicht gilt zudem nicht für jede Art der Verpackung.
Bund Naturschutz Dillingen kritisiert Mehrweg-Pflicht als "zahnlosen Tiger"
Alles also nicht so einfach, das merkt man auch beim Landratsamt. Während zwar klar ist, was bei einem Verstoß gegen die Verordnung droht - nämlich ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro - ist noch unklar, wer die Geschäfte überhaupt kontrolliert. Das Landratsamt hat laut Regierungsdirektorin Christa Marx, die die Abteilung für Bau und Umwelt im Landratsamt Dillingen leitet, deshalb bereits eine Anfrage an das zuständige Ministerium in München gestellt.
Was die Mehrwegpflicht bewirken wird, sieht der Zweite Vorsitzende der Kreisgruppe Dillingen des Bund-Naturschutzes kritisch. Thomas Hefele bezeichnet die Pflicht als „zahnlosen Tiger“. „Es ist ein Anfang. Es gibt wieder etliche Ausnahmen, bei denen man nicht versteht, warum es diese gibt.“ Er findet, dass es durch Mehrweg mehr Potenzial gebe, Müll zu vermeiden.
Essen bestellt hat Roswitha Stöpfel aus Gundelfingen, um zu schauen, ob das Gesetz schon überall greift. Das Ergebnis: Das Gericht kam in der Styroporverpackung. Die Grünen-Stadträtin hat vor knapp einem Jahr die Initiative „Mehrweg statt Einweg“ gegründet, die mittlerweile zum Verein "Nachhaltiges Nordschwaben" herangewachsen ist. Seitdem führen etwa 20 Betriebe im Landkreis eins von zwei Mehrwegsystemen.
Kommunen im Landkreis Dillingen könnten mehr Werbung für Mehrweg machen
Verbreitet ist das System „Recircle“. Für einen Behälter hinterlegt man zehn Euro Pfand, für den Kaffeebecher fünf. Gibt man diese bei teilnehmenden Betrieben zurück, bekommt man das Geld wieder. Eine Alternative bietet „Vytal“, das bisher nur die Metzgerei Benedikt’s nutzt. Das funktioniert über die App und einen QR-Code, anstatt über Pfand. Innerhalb von 14 Tagen muss der Behälter zurückgebracht werden, sonst werden die Kosten vom Konto abgebucht.
Wie kommen die Mehrwegoptionen bisher an? „Es ist schon harte Arbeit, dass es angenommen wird, auch von den Kundinnen und Kunden selbst“, berichtet Stöpfel, die mit dem Verein Gastronomen berät. Sie regt an, dass Betriebe nur noch Mehrweg anbieten. Viele griffen aus Bequemlichkeit schnell zum Einwegkaffeebecher. Auch sei es wichtig, die Option am Telefon beim Bestellen zu nennen. Die Kommunen könnten ebenfalls noch mehr die Mehrwegsysteme vor Ort bewerben. „Je mehr mitmachen, desto leichter wird es“, sagt Stöpfel. Es sei sinnlos, noch weitere Systeme einzuführen, das mache es noch umständlicher. Sie findet, dass die neue Mehrweg-Pflicht wichtig ist. Aber: „Man muss klären, wer das überprüft.“
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Bild hättet ihr lassen können, nur die Unterschrift ändern, er hat nämlich schon etwas länger Mehrwegbehälter.
Bild passt aber nicht zur Unterschrift, abgebildet ist Benedikt Klein !