In der Alfred-Delp-Kaserne geht es hoch her. Schweres Gerät wirbelt unweit des gusseisernen Tores an der Hauptwache mächtig Staub auf. Allerdings sind die Kipplaster und Bagger, die hier ein- und ausfahren, nicht mehr – wie einst – in Olivgrün gehalten, sondern in "zivilen" Farben. So, wie hier überhaupt alles "zivil" wird seit einiger Zeit, Schritt für Schritt. Vor genau zehn Jahren, Ende März 2013, wurde das Eloka Bataillon 922 mit einem feierlichen Appell aufgelöst. Es war der Anfang vom Ende Donauwörths als Garnisonsstadt. Wobei – Letzteres stimmt genau genommen nicht ganz.
Michael Langlotz hat fast sein ganzes Berufsleben als Soldat auf dem Donauwörther Schellenberg verbracht – doch er hätte wohl nie gedacht, dass er derjenige sein würde, der das Tor an der Hauptwache einmal für immer zusperren sollte. Der Tapfheimer war der letzte Soldat in der Alfred-Delp-Kaserne. Nach dem offiziellen Abmarsch der Truppe hat er bis zur Übernahme der Liegenschaft durch die Regierung von Schwaben als Ankerzentrum für Asylbewerber die zu räumenden Gebäude beaufsichtigt und verwaltet, die Kompletträumung in die Hand genommen sozusagen. Ein Mann in Flecktarnanzug für 30 Hektar Militärareal, dem eine Konversion bevorsteht.
Ehemaliger Hauptmann: "Die Bundeswehr ist Geschichte auf dem Schellenberg"
Die ist in vollem Gange. Die Unterkunfts- und Funktionsgebäude auf dem weitläufigen Gebiet des künftigen Alfred-Delp-Quartiers sind allesamt abgerissen, sie wurden vor Ort zu Schotter zerrieben, der fortan als Unterbau für die Straßen und Wege der neuen Siedlungen dienen soll. "Das ist der Lauf der Zeit, die Bundeswehr ist hier oben Geschichte", sagt der pensionierte Hauptmann nachdenklich, der hier oben seinen letzten Tag im Dienst des Heeres hatte. An jenem Tag wurde denn auch das Schild der Kaserne abgeschraubt – mit einem merklich kleineren Appell als ein knappes Jahr vorher, an jenem 19. März 2013.

Damals war die Stimmung gedrückt unter den gut 250 Gästen auf dem Exerzierplatz. "Auftrag ausgeführt. Eloka-Bataillon 922 meldet sich ab." Mit diesen militärisch-knappen Sätzen von Oberstleutnant Jochen Rosendahl war dann Feierabend für die lange Tradition der Großen Kreisstadt als echte Garnisonsstadt. Nach über 43 Jahren im Dienst wurde das Eloka-Bataillon 922 mit Wirkung zum 31. März aufgelöst, die Soldaten abgezogen. Dies war eine emotionale Zäsur, auch für die Stadt, wie Langlotz erklärt: "Tausende Soldaten sind hier durchgegangen", die Donauwörther Eloka-Truppe – Spezialisten in der Feindaufklärung, im Abhören und Stören komplexer gegnerischer Systeme – war oft im Einsatz, etwa in Afghanistan oder im Balkan, vorher im Kalten Krieg hatte man analysiert, was "drüben", im Osten passierte.
Dann war plötzlich Schluss, mit einem knappen Schreiben aus dem Verteidigungsministerium – viele, die hier eine Heimat gefunden hatten, seien versetzt worden an andere Standorte, die meisten, so Langlotz, hätten ihren Marschbefehl in das rheinland-pfälzische Daun in der Eifel oder in die Burgwald-Kaserne im hessichen Frankenberg zu den dortigen Eloka-Einheiten bekommen. Andere kamen ins Lechfeld nach Kleinaitingen, vereinzelt ging es bis nach Schleswig-Holstein.
Bekenntnis zum Standort Donauwörth des damaligen Verteidigungsminsisters
Um Donauwörth als Truppenstandort war im Vorfeld hart gerungen worden. 2009 kam hoher Besuch auf den Schellenberg. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung lieferte hier noch ein "klares Bekenntnis" zum Standort Donauwörth, wie die DZ titelte. 32 Millionen Euro hätten allerdings investiert werden müssen; der Zustand der Liegenschaften war damals wie der vieler Kasernen im Lande: ziemlich marode.

Er war ein Sinnbild dafür, wie lange Zeit mit der Bundeswehr umgegangen wurde – vor der nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine angekündigten "Zeitenwende": die Grundstrukturen irgendwie erhalten, ein bisschen Armee im globalen Einsatz sein, aber die grundgesetzlich verankerte Territorialverteidigung mit vielen kleineren Liegenschaften in der Breite? Das galt bei weiten Teilen der Bundespolitik als überholt. "Zentralisierung" und "Effizienz", Klein und beweglich" lauteten die Zauberworte, die Langlotz manchmal aber eher als Worthülsen empfand. Er sieht manche Reformen als unausweichlich an – andere betrachtet er hingegen seit jeher kritisch, wie etwa jenen Rückzug der Truppe aus der breiten Fläche und letztlich aus der Gesellschaft. Dies sei maßgeblich durch das Aussetzen der Wehrpflicht passiert – fatal für eine Armee, die auf Bürgernähe, auf Verankerung im Volk setzen wollte.

Ganz weg war die Bundeswehr aber auch nach dem Abschlussappell vor zehn Jahren nicht. Zahlreiche Dienstposten gibt es auf dem Gelände von Airbus Helicopters. Doch dasselbe ist es nicht. Nicht die feste Truppe mit jahrzehntelanger Tradition, eigener Kaserne, starkem Bezug mitten hinein in die Stadtgesellschaft mit all den Ehemaligen, Wehrpflichtigen aus der Region und Reservisten. Langlotz sagt, er habe die damalige Entscheidung der Auflösung als "unlogisch" empfunden. Vom heutigen Standpunkt her träfe dies wohl noch viel stärker zu. Territorialverteidigung gilt jetzt nicht mehr als ein schlimmes Wort aus der Mottenkiste des Kalten Krieges, es hat wieder realpolitische Relevanz bekommen seit Februar 2022.