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Indische Pflegekräfte in Deutschland: Überwindung bürokratischer Hürden und Integration

Schweinspoint

Von Indien nach Schweinspoint: Über bürokratische Hürden und offenen Rassismus

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    Deepfi Rani, 20, und Pikul Baliarsingh, 19, in ihrer WG auf dem Stiftungsgelände von St. Johannes in Schweinspoint.
    Deepfi Rani, 20, und Pikul Baliarsingh, 19, in ihrer WG auf dem Stiftungsgelände von St. Johannes in Schweinspoint. Foto: Thomas Hilgendorf

    Gut 8000 Kilometer von zuhause arbeiten sie jetzt, die beiden jungen Frauen. Deepfi Rani, 20, und Pikul Baliarsingh, 19, sind im Südosten Indiens geboren und aufgewachsen. Eine städtische Umgebung in Indien, das bedeutet oftmals Enge, viel Betrieb, lautes Getümmel. Hier in Schweinspoint herrscht in vielerlei Hinsicht das Gegenteil dessen. Ruhe, Weite, Beschaulichkeit. Die Aussichten für junge Menschen, einen Beruf zu erlernen, sie sind in Nordschwaben derweil ungleich besser als in Südostindien. Auch deswegen sind die beiden angehenden Pflegerinnen hierher gekommen, zur Stiftung St. Johannes. Doch nicht nur deswegen.

    Für Deepfi Rani sei Deutschland so etwas wie ein „Traumland“ gewesen, sagt sie: „Es ist ein schöner Ort auf dieser Welt, ein stark entwickeltes Land.“ Der Ruf Deutschlands in Indien sei hervorragend. Und Schweinspoint? Es sei schön hier, sagen die beiden Inderinnen unisono: All das Grün, die Landschaft, die Luft, die Ruhe. Rani stammt, ebenso wie ihre Freundin, Mitbewohnerin und Kollegin Pikul Baliarsingh, aus eher armen Verhältnissen in einer größeren Stadt. Über ein Projekt des katholischen Ordens Vinzenz von Paul konnten sie in Indien Abitur machen, Deutsch lernen und schließlich hier einen Berufsausbildungsplatz finden, erklärt Doreen Paus, Geschäftsführerin der Stiftung St. Johannes, eines Werks, das sich an diversen Standorten in der Region um Menschen mit Behinderungen kümmert. Auch wegen der christlich-katholischen Ausrichtung von St. Johannes habe man nach einem christlichen Träger gesucht, so Paus. Und den habe man im Orden Vinzenz von Paul und einem engagierten Pater gefunden.

    In der Europäischen Union sind fast keine Pflegefachkräfte zu finden

    Der Hintergrund für diesen Weg, der über 8000 Kilometer bis nach Indien führt, ist klar. Er ist in einem dieser Tage viel zitierten Wort zusammenzufassen: Fachkräftemangel. St. Johannes habe bei dem Orden in Münster in Westfalen angefragt und sei dort auf offene Ohren und Türen gestoßen. Über diese Verbindung sind Rani und Baliarsingh vor etwa zwölf Monaten nach Deutschland gekommen.

    Doreen Paus berichtet unterdessen, dass pflegerische Einrichtungen wie St. Johannes immer weitere Wege gehen, beziehungsweise gehen müssen, um Personal zu gewinnen. Vor einigen Jahren habe man Mitarbeiter in Spanien angeworben, zuletzt kamen neue Kräfte beispielsweise aus Italien. Doch der europäische Markt sei in Sachen Pflegeberufe „leergefischt“. Von Deutschland ganz zu schweigen. Die Zahl deutscher Schulabgänger reiche längst nicht mehr aus um den Bedarf zu decken, zumal zu viele schlichtweg nicht interessiert seien an einer Ausbildung im Pflegebereich, wie Paus schildert. Die Arbeitszeiten mit Wochenendschichten und Nachtarbeit seien oftmals weniger attraktiv als beispielsweise ein herkömmlicher Bürojob.

    Bürokratische Hürden sind groß für Arbeitnehmer aus dem Ausland

    Einfach indes ist es nicht, Menschen von außerhalb der Europäischen Union hier arbeiten zu lassen. Die bürokratischen Hürden, sie seien mitunter enorm, sagt Paus. Ein Hauptproblem sei nach wie vor die Anerkennung ausländischer Zeugnisse in Deutschland. Hier sei das Prozedere in Deutschland zu langwierig - und es stelle sich die Frage, ob sich das Land diese Akribie angesichts des Mangels in so vielen Berufen in dieser Form überhaupt noch leisten könne.

    Weil die Abläufe im Hinblick auf die Anerkennungen, die Visa und sonstige Dokumente je nach Herkunftsnation der Bewerber aus dem Ausland so unterschiedlich seien, müsse sich die Stiftung auf bestimmte Länder fokussieren, erklärt Paus. Im Falle von St. Johannes sei man nun bei Indien gelandet - man kennt die Verfahren inzwischen, wisse, was gefordert wird im bürokratischen Ablauf. Im Fall der beiden Inderinnen Rani und Baliarsingh habe das Prozedere bis zur Arbeitsaufnahme ein dreiviertel Jahr gedauert. Paus schüttelt angesichts mancher bürokratischer Hemmnisse nur mehr den Kopf: „Bei einer Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien, die schon länger bei uns arbeitet, hieß es, ihr würden 1600 Praxisstunden fehlen“ für die Anerkennung - „bei einer Frau, die bei uns ja schon als Pflegehilfskraft arbeitet“. Es hilft nichts: Die Frau muss jetzt zusätzlich einen Lehrgang absolvieren, obwohl sie seit langem Tag für Tag arbeitet in der Praxis. „Es ist manchmal wirklich verrückt“, fasst Paus das aufwendige und zum Teil groteske Prozedere zusammen.

    Alltagsrassismus gibt es leider immer noch

    Rani und Baliarsingh haben das alles hinter sich. Sie sprechen gut Deutsch, wohnen auf dem Stiftungsgelände in einer WG. Auch das habe man gelernt, sagt Paus: Man müsse Wohnraum stellen. Und Fachleute für eine reibungslose Integration. Katrin Tschirner, sie arbeitet seit 21 Jahren in der Stiftung, ist als Integrationspatin damit beschäftigt, den ausländischen Mitarbeitern beim Ankommen und darüber hinaus zu helfen. Das fängt bei der Abholung am Bahnhof oder am Flughafen an, geht über die Unterstützung bei der Einrichtung von Konten, bei der Anmeldung für die Krankenkasse und, und, und. Was Tschirner und Paus noch mehr aufregt als die teils überbordende Bürokratie, das ist Alltagsrassismus. Ihn gebe es immer noch. Er sei manchmal offen, manchmal versteckt. Neulich beispielsweise beim Einkaufen das Ignorieren der Inderinnen durch Mitarbeiter in einem Supermarkt. Oder manche Kommentare, warum man denn keine Deutschen in den pflegerischen Berufen mehr ausbilde und dass die Menschen ja nur des Geldes wegen hierher kämen. „Es ist eine verlogene Diskussion“, sagt Paus dazu - viele hätten leider noch nicht verstanden, dass man Menschen wie Rani und Baliarsingh unbedingt brauche hierzulande: „Wir wären hier nichts ohne unsere Kollegen aus dem Ausland.“

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