Krankenkassen zahlen Schwangeren nun Trisomie-Test – doch es gibt Kritik
Seit 1. Juli 2022 müssen Krankenkassen Schwangeren Bluttests bezahlen, die Hinweise auf diverse Trisomie-Erkrankungen geben können. Behindertenverbände und Ärzte haben Bedenken.
Für viele Menschen ist die Nachricht, dass sie Nachwuchs bekommen, eine der schönsten. Während der Schwangerschaft treibt werdende Eltern dann oft die Frage um: Ist mein Kind gesund? Um das herauszufinden, gibt es viele Untersuchungen. Eine von ihnen ist der nicht-invasive Pränataltest (NIPT). Er bietet die Möglichkeit, durch einen Bluttest herauszufinden, ob bei dem Baby eine Chromosomenstörung wie Trisomie 21 (Downsyndrom), Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) oder Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) vorliegt. Der Test wurde entwickelt, um invasive Maßnahmen wie zum Beispiel Fruchtwasseruntersuchungen zu reduzieren.
Empfohlen wird der NIPT ab der zehnten Schwangerschaftswoche. Bisher musste dieser aus eigener Tasche bezahlt werden. Je nach Anbieter liegen die Kosten für den Bluttest zwischen 170 und 250 Euro. Seit 1. Juli müssen die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) dafür aufkommen – unter bestimmten Voraussetzungen. Eine Entscheidung, die sowohl Behindertenverbände als auch Ärzte kritisch sehen.
Der Bluttest auf Trisomie soll nur unter bestimmten Voraussetzungen von der gesetzlichen Krankenkasse gezahlt werden
2019 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss, ein Verbund von Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und Kliniken entschieden, dass der NIPT als Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen gelten soll. Eines der Argumente war, dass Bluttests im Gegensatz zu älteren Methoden kein Risiko für das Baby oder die Mutter darstellen. Der Test soll nun übernommen werden, wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Chromosomenstörung ergeben hat oder wenn eine Frau zusammen mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin feststellt, dass der Test in ihrer Situation sinnvoll ist.
Moritz Ernst, Referent für Sozialrecht und Sozialpolitik beim Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (Bvkm), hält diesen Test allerdings nach eigener Aussage nie für sinnvoll. Er kritisiert, dass die Tests keinen medizinischen Nutzen hätten, da sie nicht heilen würden, sondern nur feststellen, ob eine Behinderung vorliege.
Außerdem könne für Schwangere durch die neue Regelung gesellschaftlicher Druck entstehen, die Tests zu nutzen, da diese nun für mehr Frauen kostenlos möglich seien. Auch über die Konsequenzen aus den Ergebnissen macht Ernst sich Sorgen. Positive Tests könnten zu mehr Abtreibungen führen. "Das könnte der erste Schritt zu einer Öffnung zu weiteren Tests sein", sagt er. "Und das halte ich gesellschaftlich sowie ethisch für bedenklich."
Die größte Sorge des Verbands ist, dass der Bluttest auf Trisomie zur Reihenuntersuchung werden könnte
Der NIPT erkennt nur in ein bis drei Prozent der Fälle Trisomie 21, 18 und 13 nicht korrekt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baby keine Chromosomenstörung hat, obwohl der Test positiv ist, liegt bei 0,1 Prozent. Sollte der Test ein Risiko anzeigen, ist eine invasive Maßnahme verpflichtend, um Gewissheit zu haben, dass das Ergebnis auch korrekt ist – vor allem dann, wenn eine Abtreibung ins Auge gefasst wird.
Die größte Sorge des Verbands sei, dass die Tests zur Reihenuntersuchung werden könnten, erklärt Ernst. Darunter versteht man vorbeugende Untersuchungen während der Schwangerschaft, um bestimmte Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Eine Reihenuntersuchung im Bezug auf NIPT habe der Gemeinsame Bundesausschuss eigentlich verhindern wollen. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hätten sich in einer Orientierungsdebatte deutlich gegen diese Möglichkeit ausgesprochen, sagt Ernst.
Im Beschluss heißt es aber wörtlich: "Der Test kann dann durchgeführt werden, wenn er geboten ist, um der Schwangeren eine Auseinandersetzung mit ihrer individuellen Situation hinsichtlich des Vorliegens einer Trisomie im Rahmen der ärztlichen Begleitung zu ermöglichen." Aufgrund der Formulierung befürchtet der Bvkm, dass die Tests so oft durchgeführt werden, dass es einer Reihenuntersuchung gleicht.
Ärztinnen und Ärzte kritisieren, dass die Voraussetzungen für die Bluttests unpräzise sind
Auch Ärztinnen und Ärzte sind mit der neuen Regelung nicht ganz zufrieden. Thomas von Ostrowski, Vorstand des Bundesverbands niedergelassener Pränatalmediziner, mahnt an, dass die Voraussetzungen für einen NIPT unpräzise seien. Auch er befürchte, dass es dadurch zu einer Reihenuntersuchung auf Trisomie kommen könnte, was "unter keinen Umständen passieren darf".
Zwar sei durch den Beschluss die Benachteiligung für Frauen beendet, die finanziell nicht gut aufgestellt sind, allerdings mangele es an wichtigen Begleituntersuchungen. "Nationale wie auch internationale Fachgesellschaften empfehlen, den NIPT immer mit einer entsprechenden Ultraschalluntersuchung, zum Beispiel dem Ersttrimester-Screening, zu kombinieren", erklärt von Ostrowski. Bei der alleinigen Anwendung des NIPT bestehe die Gefahr, dass schwerwiegende andere Entwicklungsstörungen nicht oder erst spät erkannt werden: "Dieses Risiko lässt sich durch die Kombination der Untersuchungen minimieren." Im neuen Beschluss sei das aber nicht vorgesehen. Den Ärztinnen und Ärzten bleibe dann nur die Möglichkeit, der Schwangeren die ausführliche Ultraschalluntersuchung zu empfehlen, allerdings müssen diese Kosten meistens selbst übernommen werden, sagt der Pränatalmediziner.
Zudem sei die Zeit, die Medizinerinnen und Mediziner für die Beratung haben, begrenzt. Maximal 20 Minuten pro Schwangerschaft können sie abrechnen, sagt von Ostrowski. Es sei unklar, ob das ausreiche, um ein hochkomplexes Thema zu erklären, sodass eine Frau danach eine selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen den Test fällen könne.
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Kleine Korrektur: Die Krankenkassen zahlen was sie von den Krankenkassenmitgliedern und vom Staat, also uns, bekommen. Und das wird immer mehr und z.T. auch unsinniger. Macht nichts. Die Beiträge können einfachst erhöht werden...