Mendozas Manila-Filme gehen unter die Haut
Singapur (dpa) - Mitten aus dem Leben sind die Filme von Brillante Mendoza, aber aus einem Leben, das dem deutschen Kinogänger ziemlich fremd ist.
Der philippinische Regisseur nimmt die Zuschauer in die ungeschönte Millionenmetropole Manila mit: heiß, feucht, arm, gefährlich - und so authentisch gedreht, dass Zuschauer manchmal fast die Nase rümpfen, als könnten sie den Schweiß der Protagonisten oder die stinkenden Abfallberge riechen. Gleich zwei seiner Filme kommen jetzt erstmals in die deutschen Kinos: "Kinatay" über eine gewalttätige Drogenbande, der im vergangenen Jahr den Preis für die beste Regie in Cannes gewann, und "Lola".
Lola, auf Deutsch Oma, ist die Anrede für alte Frauen in Manila. Die beiden Alten, um die es im gleichnamigen Film geht, verbindet ein Stück sinnloser Gewalt. Die eine betrauert den Tod ihres ermordeten Enkels Alfredo, die andere kümmert sich um ihren Enkel Mateo, der im Gefängnis sitzt, des Mordes an Alfredo angeklagt. Ein Handy, ein Messer, wahrscheinlich Drogen - "Raubmord" sagt der Haftrichter gelangweilt. Keine moralische Entrüstung, kein blinder Hass - die beiden Frauen kämpfen, dass das Leben weitergeht. Die eine bettelt bei Nachbarn das Geld für die Beerdigung zusammen, die andere haut Verwandte an, um die Opferfamilie zu entschädigen und ihren Enkel freizubekommen.
"Meine Filme sind ganz nah an der Realität, von der Geschichte an sich, über die Art des Filmens - alles", sagte Mendoza, als sein Film "Serbis" vor zwei Jahren beim Filmfestival in Cannes gezeigt wurde. Er verzichtet oft sogar auf richtige Schauspieler und sucht seine Protagonisten auf der Straße. "Mein Markenzeichen ist die Aufrichtigkeit." In "Lola" gelingt ihm das brillant. Die beiden Lolas, denen der Schmerz in die zerfurchten Gesichter geschrieben ist, sind auch störrisch, rechthaberisch, penetrant und manchmal listig - was gerade gebraucht wird zum Überleben.
Unsentimental zeigt Mendoza das Überleben im Milieu. Er lässt seine Kameramänner hinter den Protagonisten herlaufen, lange manchmal, durch dunkle Gänge. So eng ist es halt in den Slumvierteln von Manila. Eimer scheppern, Autos hupen, Diebe stehlen, Menschen schreien - so laut ist die Millionenstadt eben. Und in dem Elend findet Mendoza tatsächlich immer wieder kurze Momente idyllischer Melancholie, fahles Licht über den armseligen Holzhütten am Fluss, ein Entenschwarm in der satten Wiese. Der Zuschauer ist mittendrin.
Und die Moral von der Geschicht'? "Ich filme nie mit erhobenem Zeigefinger", sagt Mendoza. "Meine Figuren treffen bestimmte Entscheidungen, aber das heißt nicht, dass das die richtigen Entscheidungen sind. Ich möchte, dass die Leute nach Hause gehen und über ihr eigenes Leben nachdenken."
Gar nicht so einfach in seinem Hollywood-fixierten Heimatland, wo Julia Roberts und Brad Pitt mehr zählen als jeder einheimische Star, geschweige denn die Nobodys, die Mendoza vor die Kamera holt. "Das Autorenkino hat wenig Chancen, weil wir keine großen Stars haben, keine typische 08/15-Geschichte und kein Geld für die Vermarktung", sagt Mendoza. Er macht inzwischen in philippinischen Schulen selbst Reklame für die einheimischen Produktionen. "Wir sagen den jungen Leuten: wenn ihr dreimal im Monat ins Kino geht, schaut euch meinetwegen zwei Hollywood-Streifen an und einen einheimischen Film. So könnt ihr euch amüsieren und bekommt auch etwas für die Seele."
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