Nostalgie im kleinsten Kinoort Deutschlands
Quernheim (dpa) - Im kleinsten Kinoort Deutschlands fühlt man sich zurückversetzt in Opas Zeiten. Die kleine Kassenkabine mit der Glaswand ist aus dem Jahr 1952. Auch die im schwungvollen Stil der 50er Jahre aufgemalten Eintrittspreise scheinen noch von anno dazumal zu stammen.
Aber das Programm ist durchaus von heute: Für gute 6,50 Euro lässt Kinobetreiber Karl-Heinz Meier hier im niedersächsischen Quernheim am Dümmer den Avatar spielen oder Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha in "Sex and the City 2" über die Leinwand stöckeln. Meiers Blick wandert durch das Kneipenfoyer seines Lichtspielhauses. "Wenn Sie so etwas haben, müssen Sie es erhalten. Die Leute lieben es."
Quernheim hat 448 Einwohner, einen gemütlichen Dorfplatz und zwei Kinosäle. Im Sommer lässt Meier sogar an Wochenenden hinter dem Haus den Projektor für das Open-Air-Kino laufen, beispielsweise für den Kultfilm "Mamma Mia".
Meier ist stolz darauf, dass sich in seinem Kino in den vergangenen mehr als fünfzig Jahren fast nichts verändert hat. Ursprünglich betrieb sein Vater ein Tanzlokal in der Gaststätte. Nach dem Krieg machte dort regelmäßig ein Wanderkino Station. Sein Vater Fritz habe nach jeder Vorstellung auf dem Akkordeon gespielt und so zusätzlich für gute Stimmung gesorgt hat, erzählt Karl-Heinz Meier. Als im benachbarten Dielingen ein stationäres Kino aufmachte, fasste die Familie den Entschluss, das Tanzlokal aufzugeben und den Tanzsaal zum Kinosaal auszubauen.
"Kino ist Kultur", sagt Andreas Kramer vom Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF). Das gelte vor allem für die ländlichen Regionen. Die soziale Wirkung eines Kinos in der Fläche sei immens, weil es auf dem Land kaum andere Kultureinrichtungen gebe. Verschwinde ein solches Kino, trockne das kulturelle Leben in der Region aus.
Die Zahl der Kinoleinwände gehe "dramatisch" zurück. In den Jahren 2007/08 gab es noch 4834 Leinwände. "Wir tendieren momentan in Richtung 4700", sagt Kramer.
Angst vor der Zukunft hat Meier nicht. Bislang ist das Publikum dem Lichtspielhaus treugeblieben. Allerdings gab es in den vergangenen Jahrzehnten auch immer wieder Tiefs, wie Meier erzählt. Als Ende der 50er Jahre das Fernsehen aufkam, war das auch für die Kinobetreiber am Dümmer zu merken. Ebenso machte es ihnen zu schaffen, dass später Videos überall zu haben waren. "Das war ganz schlimm damals", sagt Meier. Im Moment macht ihm ein Trend bei jungen Leuten Sorge: "Die gehen nicht mehr aus." Filme werden zu Hause gesehen oder auf dem Handy, was für den Kinoenthusiasten Meier vollkommen unverständlich ist.
Das werde sich aber wieder ändern, ist er sich sicher. Meier setzt sich in einen der bequemen französischen Sessel und freut sich wie ein Kind über die Jahrzehnte alten Rituale, an denen er auch heute festhält: "Wenn die Leute den Gong hören, dann werden sie ganz still. Wenn dann das Licht ausgeht, der Vorhang sich hebt - das ist einfach wunderschön."
Er freut sich schon auf die nächste Investition: Im kommenden Jahr will er auf digitale Technik umstellen. Dann gibt es keine Filmrollen mehr, sondern die Kinohits kommen von der Festplatte. Allerdings stellt das ihn und die meisten anderen Filmtheaterbetreiber vor große finanzielle Probleme. Bis zu 75 000 Euro koste ein digitaler Projektor, sagt Kramer. Viele ältere Unternehmer, vor allem Betreiber kleinerer Kinos würden sich solche Investitionen überlegen.
Meier ist sich sicher, das Kino hat Zukunft. "Darüber mache ich mir keine Sorgen. Uns wird es noch geben, wenn es die Multiplex-Kinos nicht mehr gibt."
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