
Wenn Messer im Kopf die Seele verletzen


Die Meringer Autorin Martina Drexler greift in ihren historischen Stücken Emotionen auf. Sie zeigt, dass manchmal nur ein kleiner Auslöser große Folgen haben kann
Es gibt Geschichten, die sind so voller Emotionen, dass sie einfach geschrieben werden müssen. Wenn diese dann noch eingebettet sind in einen historischen Hintergrund, kommt Martina Drexler mit ins Spiel. Die Autorin aus Mering ging mit ihrem Stück „Welfenherz“ weit zurück in die Historie der Marktgemeinde und nahm ihre Zuschauer mit auf eine Reise, die zeigt, welche persönlichen Schicksale oft hinter den trockenen Daten und Fakten der Geschichtsschreibung stecken. Mit ihrem jüngsten Stück „BluatLech“ taucht sie noch mehr ein in das Beziehungsgeflecht zweier Menschen, deren Schicksal aufgrund unterschiedlicher sozialer Herkunft letztendlich tragisch miteinander verwoben ist.
Wie sie genau zum Schreiben kam, das kann Martina Drexler nur schwer in Worte fassen. „Ich lese eine historische Abhandlung und plötzlich entstehen da Bilder und Emotionen in meinem Kopf, die ich dann einfach erzählen muss“, schildert sie. Bei „BluatLech“ waren diese Gefühle so stark, dass daraus in nur zwei kurzen Schreibphasen im Mai 2017 und 2018 das neue Stück entstand. Es erzählt die wahre Geschichte von Ludwig Bach und Mathias Brunnhuber, die in Unterbergen aufeinandertreffen. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen dem Bauerssohn Mathias und dem jüdischen Goldschmiedelehrling Ludwig Bach aus Augsburg können größer nicht sein. Dennoch kommen sie ins Gespräch. Mathias ist voller Hunger, nicht nur im realen, auch im übertragenen Sinn. „Er will ein glückliches Leben, Liebe, Anerkennung und endlich genügend Geld für sich haben“, sagt Drexler.
Ludwig dagegen wagt sich unbedarft von Augsburg über Mering aufs tiefste Land. Er will seine goldenen Uhren verkaufen. Im Gegensatz zu Mathias, der nur in einfacher Kleidung im Wirtshaus sitzt, trägt er eine fesche Weste, ein feines Hemd und einen Hut. Ludwig hat genügend Geld, genügend zu essen und er ist Jude. Er kommt aus einer ganz anderen Welt. Das löst bei Mathias Neid und das Verlangen nach Erfüllung seiner Lebensträume aus. Er kauft zwar mit seinem letzten Geld eine Uhr, doch für die Uhrenkette reicht es nicht. Das scheinbar zufällige Aufeinandertreffen endet tragisch. Mathias ermordet Ludwig, um an die goldene Uhrenkette zu kommen. Er wird vom Meringer Gendarm verhaftet, kommt vor Gericht und stirbt im Gefängnis in Kaisheim an Typhus.
„Die Presse war damals, im August 1862, voll vom Mord in Unterbergen“, schildert Drexler. Sie kam auf die Geschichte durch die Buchempfehlung von Günter Wurm, der sie auf die historische Abhandlung „Mord am Lech“ des Augsburger Autors Yehuda Shenef aufmerksam machte. „Schon beim Lesen wusste ich, diese Geschichte muss ich schreiben“, schildert sie. Zunächst einfach nur so für sich selbst, dachte Martina Drexler. „Aber es war bald klar, dass das ein Stoff für das Artus Ensemble ist.“
Das Artus Ensemble ist ein Verein, den sie zusammen mit dem ehemaligen Studienfreund Hubert Schmucker und drei weiteren Theaterfreunden 2010 gegründet hat. Das Ziel des Artus Ensembles ist es, Geschichte aus der Region nicht nur für Theaterliebhaber erlebbar zu machen. Dafür werden die aufgegriffenen historischen Stoffe mit Bezug zur Gegenwart bearbeitet und auf die Bühne gebracht.
Die Authentizität der Geschichte ist ein großes Anliegen. Weiterhin versucht das Artus Ensemble, seine Stücke möglichst am Ort des Geschehens lebendig werden zu lassen und zur Aufführung zu bringen. „Im Falle von Welfenherz waren wir zur Uraufführung 2010 am Rosshof zwischen Mering und St. Afra, die Abschiedspredigt von Pfarrer Rupert Dischl auf seinen Vorgänger Wißmüller kam im Meringer Pfarrzentrum mit dem Stück ,Vergissmeinnicht’ auf die Bühne und eine erste literarische Lesung von ,BluatLech‘ fand in Unterbergen in direkter Nachbarschaft zum Ort des Geschehens statt“, schildert Drexler.
Auch wenn es in BluatLech um den Mord an einem Juden und die Zeit im 19. Jahrhundert geht, da Antisemitismus in der Gesellschaft verankert war, so will sich die Autorin nicht allein auf diesen Aspekt beschränken. „Vielmehr zeigt es doch, was Ausgrenzung, soziale Missstände auf beiden Seiten für Folgen haben können“, sagt Drexler. Sie spricht dabei gerne in Bildern und sagt: „Es waren diese Messer im Kopf von Mathias, die immer wieder zustachen und schließlich hat er auch in der Realität zugestochen und Ludwig umgebracht.“
Bei der Inszenierung des Stücks, für das Hubert Schmucker Regie führt, sei es vor allem um diese schwierige Gratwanderung gegangen, wie weit das Mitleid mit dem Mörder die eigentliche Tat überschattet. Das soll nämlich nicht geschehen bei den Zuschauern, so die Autorin. Dieses stete Schwanken zwischen Verständnis für den Mörder und gleichzeitig auch dem Eingestehen der Schwere der Schuld erzeugt beim Zuschauer eine innere Zerrissenheit und eine Hilflosigkeit des Mitanschauens, die manchmal schwer auszuhalten ist. Martina Drexler, die als Personalleiterin tätig ist, begegnet dieser Zerrissenheit und Hilflosigkeit des Mitanschauens immer wieder, wenn sie historische Stoffe aufgreift und ihre Stücke umarbeitet. Es sei nämlich ganz oft so, dass eine Unterteilung in Schwarz und Weiß, also in Gut und Böse, nicht möglich ist, wenn man sieht, welche Einflüsse ursächlich für den Lauf der Geschichte waren. „Wenn man in der deutschen Historie zurückblickt, und damit meine ich nicht nur die Zeit zwischen 1933 und 1945, muss man viel aushalten“, sagt Drexler. Und sie hofft darauf, dass kommende Generationen durch die Arbeit mit der eigenen Historie vielleicht eine Chance haben, zurückzublicken und nichts mehr aushalten müssen.
Und der nächste Rückblick ist ebenfalls bereits in Arbeit. Das Artus Ensemble greift die Lechfeldschlacht im Jahr 955 auf und schrieb das Stück „Der göttliche Spieler“. „Auch hier wird wieder erzählt, welche Auslöser für dieses große Ereignis in der Geschichte dieser Region verantwortlich waren.“ Gesucht wird noch ein Ort mit historischem Hintergrund für die Aufführung.
Wer das Stück „BluatLech“ mit dem Schauspieler Simon Nagy sehen möchte, hat dazu Gelegenheit am 2. und 3. Oktober ab 19 Uhr und am 7. Oktober ab 20 Uhr in der Bücherei Mering. Dort ist auch der Kartenvorverkauf.
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