Zum siebten Mal in Folge sind die Finnen zum glücklichsten Volk der Welt gekürt worden und oft stellt sich die Frage, wieso gerade immer wieder den Bewohnerinnen und Bewohnern des hohen Nordens diese Ehre zuteilwird? Denn die Rahmenbedingungen erscheinen auf den ersten Blick nicht optimal: Einsamkeit, Dunkelheit und Kälte bestimmen einen Großteil des Jahres den Alltag und wären für unsereins wohl schwer zu ertragen. In Finnland gibt es einige Rezepte gegen diese Tristesse. Da wären Saunagänge aller Art, ein hoher Grad an Geselligkeit, sportliche Affinität und nicht zuletzt der unerschrockene Sprung ins eiskalte Wasser.
Starkes Immunsystem, gute Blutzirkulation und mentale Stärke durch Eisbaden
Dass sich die wohltuende Wirkung dieses ganz und gar nicht schmerzfreien Rituals schon bis in unsere Gefilde herumgesprochen hat, wird besonders um Weihnachten und Neujahr mehr als deutlich. Immer häufiger sieht man ganze Gruppen zum Beispiel im Friedberger Baggersee die nördliche Tradition zelebrieren. Aber was treibt einen eigentlich ins frostige Gewässer und worauf gilt es insbesondere aus gesundheitlichen Gründen zu achten?
Dr. Andreas Ullmann vom Zentrum für Allgemeinmedizin Aichach vermutet hinter dem Trend den Effekt einer Stärkung des Immunsystems, die Förderung der Durchblutung, aber auch die mögliche Linderung von Schmerzen und Entzündungsherden. Allerdings warnt der Mediziner ausdrücklich davor, sich mit gewissen Vorerkrankungen ins Wasser zu wagen. Dazu gehören etwa Herzprobleme oder Bluthochdruck: „Der plötzliche Temperaturunterschied bedeutet großen Stress für den Körper und kann kardiologisch gesehen zu Problemen führen, da die Kälte das Blut zusammenzieht und dadurch die sowieso schon verengten Gefäße noch mehr belastetet werden“, erklärt der Arzt.
Psychische Resilienz in Extremsituationen: Eisbaden macht's möglich
Um eventuelle Komplikationen während oder nach dem Kältebad zu vermeiden, muss laut Dr.Ullmann prophylaktisch an das Ganze herangegangen werden. Das heißt: nicht zu schnell ins Nass und den Körper an die Belastung gewöhnen, nicht bei vier Grad, sondern bei 15 Grad Wassertemperatur beginnen, sich langsam in tiefere Sphären vortasten und die Kopfbedeckung nicht vergessen, da an dieser Körperstelle die meiste Wärme verloren geht. Grundsätzlich spreche aber nichts gegen das Eisbaden, fügt der Doktor an und verweist schmunzelnd auf die Skandinavier, da ja wohl auch die Psyche davon profitiere.

Für die mittlerweile in Augsburg lebende Leistungssportlerin Katharina Isele aus Motzenhofen steht der mentale Aspekt auf gleicher Stufe mit dem physischen. Sie nehme das Eisbad, um sich unter anderem eine psychische Resilienz gegenüber unkomfortablen Situationen anzueignen. Isele betreibt die Sportart Functional Fitness und kürte sich bereits zur „fittesten Frau Deutschlands“. Und da sie im Training, wie auch bei Wettkämpfen immer wieder aus der Komfortzone treten müsse, helfe ihr das regelmäßige Eisbaden sich auf die Belastungen mental besser vorzubereiten, so die Sportlerin. „Wenn ich 2:30 Minuten bei extremer Kälte aushalten kann, dann kann ich auch andere außergewöhnliche Situationen meistern“, klärt Isele auf.
Aufbrechen von Eisflächen kann zu unschönen Überraschungen führen
Den dritten Winter in Folge betreibe sie nun das Eisbaden und auch körperlich wirke sich der Aufwand aus. Krankheiten seien seitdem bei ihr Fehlanzeige. Bei Betrachtung ärztlicher Studien lässt sich freilich darüber streiten, ob ein tatsächlicher Effekt vorhanden ist, für die Leistungssportlerin fühle, es sich aber auf jeden Fall vitalisierend und gesundheitsfördernd an. Isele betreibt das Baden in der Eistonne, wie auch in der freien Natur. Das ist aber mit Vorsicht zu genießen. Denn egal ob Fließgewässer oder See, eine gewisse Gefahr schwimmt immer mit, was Valentin Reiter von der Wasserwacht Friedberg nur bestätigen kann:

„Bis jetzt ist zwar meistens alles glimpflich abgelaufen, das Problem ist aber, dass uns nicht Bescheid gesagt wird, wenn Eisbader in den See gehen.“ Reiter sieht diesen neuen Trend daher eher kritisch und fordert alle Schwimmer auf, sich niemals alleine in die Gewässer zu begeben. Ein weiteres Ärgernis für den Technischen Leiter der Wacht ist das Aufbrechen von Eisflächen für den Badespaß. Friert der See danach komplett zu, ist das Eis an den aufgebrochenen Stellen oft sehr dünn und birgt Gefahren für Schlittschuhläufer.
Yvonne Thummerer von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft Aichach-Friedberg warnt ebenfalls vor dem alleinigen Bad und hat noch weitere Tipps für das Eisschwimmen parat. Denn, wenn sich wer auskennt, dann Thummerer. Sie ist nicht nur Schwimmausbilderin, sondern auch Weltmeisterin im 100 Meter Brusteisschwimmen und kann daher aus einem vollen Erfahrungsschatz schöpfen: „ Die Menschen sollen sich im Winter am Rand des Sees und nicht innen aufhalten, zudem kann eine Boje angeschnallt werden, die im Notfall signalisiert, wo die Unfallstelle ist“, so die Expertin.
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