Wohnungsmangel war auch früher ein Thema - das zeigt die Geschichte der Friedberger Siedlergemeinschaften. Ihr 75. Gründungsjubiläum feierte nun die Siedlergemeinschaft St. Benedikt aus Friedberg-Süd. Der Eintrag ins Vereinsregister war am 20. Februar 1950 erfolgt. Namenspate war der Ort St. Benedict in den USA, dessen Einwohner nach dem Krieg Carepakete mit Lebensmitteln nach Friedberg geschickt hatten.
Nach einer Ansprache der Vorsitzenden Sylvia Frenzel über die Bedeutung des Vereins in Vergangenheit und Gegenwart und einem gemeinsamen Essen wurden Bilder von der Entstehung der Siedlung bis zu den privat organisierten Straßenfesten in jüngerer Zeit gezeigt. In den Anfangsjahren der Siedlergemeinschaft St. Benedikt herrschte eklatante Wohnungsnot, verursacht durch den Krieg mit seinen Bombardierungen und Vertreibungen.
Die St. Benedikt-Siedlung in Friedberg entstand in mehreren Bauabschnitten
Der Verein ermöglichte damals aus einer Hand die Verhandlungen mit der Stadt Friedberg über die Zurverfügungstellung der Grundstücke, die Planung und Sicherung der Finanzierung des gesamten Bauvorhabens durch Banken, die Landesbodenkreditanstalt und das Familienhilfswerk der Diözese „Christenvolk baut auf“. Das war ein gewaltiger Kraftakt, der unter dem Vorsitz von Dr. Josef Stieglitz und nach dessen Tod 1956 für 39 Jahre von Georg Fendt mit der tatkräftigen Unterstützung weiterer engagierter Mitglieder bewältigt wurde.
Der Bau der Häuser an der Stefanstraße, St. Benedikt-Straße und Karl-Lindner-Straße erfolgte in mehreren Abschnitten mit hoher Eigenleistung, denn Geld hatten die Familien nur wenig. Die Gräben für die Wasserleitung von der Rossmetzgerei (heute Filiale der Bäckerei Knoll in Friedberg-Süd) und die Baugruben mussten von Hand gegraben werden. Diese schweißtreibende Gemeinschaftsarbeit diente nebenbei der Integration der Vertriebenen und deren Akzeptanz durch die einheimischen Bauwilligen.

Die Rohbauten wurden von der Firma Zaby errichtet, die ausgerechnet aus dem hübsch gelegenen Städtchen Friedberg an der Moldau stammte. Die ersten Einfamilienhäuser waren mit 19.200 DM, die Doppelhaushälften mit 16.700 DM Baukosten veranschlagt. Allerdings lag das Durchschnittsmonatseinkommen eines Mannes laut Statistischem Bundesamt 1950 bei gerade einmal 150 Euro. 1950 bezifferte die Stadt Friedberg den Wert für eine Dezimale Grund, das ist 1/100 Tagwerk oder 34,08 Quadratmeter, auf 40 DM. Der Erbpachtzins betrug je nach Grundstücksgröße zwischen 20 und 50 DM jährlich.
Alle Häuser hatten zwei Wohnungen für je eine Partei und keine Bäder, nur Toiletten. Für die Mietparteien waren 95 Pfennig pro Quadratmeter Wohnraum zu bezahlen. Die Grundstücke mussten verpflichtend innerhalb eines Jahres nach Übernahme bebaut sein und die Gärten waren verpflichtend für die Grundversorgung der Familien vorgesehen. Der bayrische Siedlerverband unterstützte die Bauherren und die Bauherrinnen, die es tatsächlich auch gab, mit Geldern für Saatgut, Gartengeräte und Obstbäumen, die schon damals laut Rechnungen bei den Firmen Kniess und Ketzer erstanden wurden.
Jubiläum der Siedlergemeinschaft in Friedberg: Auch heute viele Vorteile
Aber auch heute haben die Siedlergemeinschaften, die dem gemeinnützigen Verband Wohneigentum angehören, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für Eigenheimbesitzer. Sie sind ein wichtiger organisierter Vertreter der Interessen von Hauseigentümern in der Politik. So haben sie sich erfolgreich für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge eingesetzt und sorgen dafür, dass die Stimmen der Mitglieder in Belangen wie Modernisierung, Energiethemen, Erbrecht für Immobilien, Baukindergeld, Eigenheimzulage etc. gehört werden.
Zur Erhaltung dieses Einflusses wurden die Mitglieder gebeten, Bauwillige, Freunde und Familie über die Vorteile einer für jeden Hauseigentümer möglichen Mitgliedschaft für drei Euro im Monat mit eingeschlossener Haushaftpflichtversicherung, Bauherrenhaftpflicht, Gartenberatung und vieles mehr zu informieren. Viele Mitglieder nutzten die Gelegenheit des gemeinsamen Abends, um mit anderen ins Gespräch zu kommen und so endete die Jubiläumsfeier im Gasthaus Zur LInde erst nach drei Stunden mit großem Zuspruch. (AZ)
Gründungsmitglieder und Vorsitzende
Vorsitzende
1950 Dr. Josef Stieglitz
1956 Georg Fendt
1995 Siegfried Demel
2001 Otmar Selder
2010 Elisabeth Weisbrich-Engelhard
2017 Sylvia Frenzel
Gründungsmitglieder
Dr. Josef Stieglitz, Josef Guba, Franz Feda, Josef Krisch, Rudolf Gröbner, Rudolf Birnbaum, Karl Bauer und Franz Bayerl
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