
Schöffen in Aichach-Friedberg: Für das Gemeinwohl bei Gericht

Plus Derzeit finden in Bayern Schöffenwahlen statt. Zwei Vertreter aus dem Landkreis erzählen von ihren Erfahrungen – und wie das eigene Leben beeinflusst wird.

Wer schon einmal bei einer Gerichtsverhandlung dabei sein durfte (oder musste), dem dürfte es aufgefallen sein: Neben Personen in Amtsrobe sitzen dort auch Menschen auf der Richterbank, die in "Zivil" gekleidet sind. Ohne deshalb dem Prozess weniger aufmerksam zu folgen. Es sind Schöffen, also Laienrichter, die später bei der Urteilsfindung eine wichtige und sogar entscheidende Rolle spielen. Derzeit finden die Wahlen für die nächste Amtsperiode statt, die vom 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2028 dauert. Interessierte müssen vorher ein Bewerbungsformular ausfüllen. Ein Wahlausschuss entscheidet auf Vorschlag der jeweiligen Kommune, wer letztlich als Laienrichterin oder Laienrichter fungiert. Eine spannende Erfahrung, die aber nicht immer leicht zu verdauen ist, wie eine Schöffin und ein Schöffe aus dem Landkreis Aichach-Friedberg erzählen.
"Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, und die Entscheidungen werden später natürlich reflektiert", sagt Elke Schroll aus Aichach, die seit 2019 als Schöffin am dortigen Amtsgericht wirkt. "Wir sind ja keine Maschinen." So setze sie sich meist nach dem Prozesstag noch einmal mit ihrem Schöffenkollegen zusammen und bespricht das Erlebte. Wobei die beiden das Urteil natürlich nicht allein fällen, sondern nach einem Gespräch mit der Richterin oder dem Richter. Dabei ist es jedoch für die Laienrichter möglich, eine Zwei-zu-eins-Entscheidung durchzusetzen. "In den meisten Fällen läuft das aber im Konsens ab", betont der Kissinger Harald Rinderhagen, der seit 2019 als Schöffe am Landgericht Augsburg tätig ist.
Für Schöffen im Landkreis Aichach-Friedberg ist das Gemeinwohl wichtig
Bevor es aber zum Urteil kommt, muss es erst eine Verhandlung geben. Wer wo zum Einsatz kommt, entscheidet das Gericht. Das geschieht per Losverfahren, in Augsburg sind die Laienrichterinnen und Laienrichter im Regelfall einmal im Monat bei einem bestimmten Verfahren im Einsatz. In Aichach werden sie gar für einen ganzen Prozesstag verpflichtet. Und verpflichtet heißt auch tatsächlich, dass man nur im Ausnahmefall freigestellt wird. Selbst bei einer Verletzung ist das nicht sicher. "Wenn man einen gebrochenen Fuß hat, kann es durchaus sein, dass der Richter einem ein Taxi nahelegt", erzählt Rinderhagen.
Eine Aufgabe also, die man nicht leichtfertig übernehmen sollte. Sowohl Schroll als auch Rinderhagen sagen, dass ihnen der Gemeinwohlgedanke sehr wichtig ist. "Schöffenamt ist ein Ehrenamt, ich komme dieser Aufgabe sehr gerne nach. Man sollte schließlich etwas für die Mitmenschen tun", erklärt Schroll ihre Motivation. Aber natürlich spielt auch das Interesse an den Verfahren eine Rolle. Ein Wort bringen die beiden überhaupt nicht mit der Tätigkeit in Verbindung. "Spaß ist der komplett falsche Ausdruck. Es ist eine ernsthafte Pflichterfüllung", unterstreicht die Schöffin.

Bei dieser Pflichterfüllung sind die Schöffinnen und Schöffen übrigens anfangs nicht besser informiert, als beispielsweise Besucherinnen und Besucher eines Verfahrens. Informationen über den Fall können sie der öffentlich einsehbaren Gerichtstafel entnehmen, wie Rinderhagen schildert. "Das sind meine einzigen Informationen, ansonsten gehe ich völlig blank in den Prozess." Einblick in Anklageschrift oder Prozessakten bekommen sie nicht, lediglich der Richter oder die Richterin informiert im Vorgespräch über Grundsätzliches, wie zum Beispiel das mögliche Strafmaß.
Schöffendienst im Landkreis Aichach-Friedberg sorgt für Nachdenklichkeit
In den Verfahren selbst geht es schließlich meist um Fälle, die sich eher am Rand der Gesellschaft abspielen. "Meistens geht es den Menschen auf der Anklagebank schlechter als uns", meint Rinderhagen nachdenklich. Für Schroll hat dieser Umstand auch Auswirkungen auf ihr eigenes Leben. "Man empfindet einfach mehr Dankbarkeit und Demut, dass man selbst in geordneten Verhältnissen leben kann." Beide betonen aber auch: Die Auswirkungen für den Täter oder die Täterin stehen für sie nicht im Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Man bekomme zwar Einblick in sehr harte Lebenssituationen, diese rechtfertigten jedoch niemals eine Straftat, betont Schroll. Und Rinderhagen betont: "Mir geht es darum, eine verantwortungsvolle Entscheidung für die Gesellschaft zu treffen." Beide möchten das weiterhin tun. Und haben sich für eine weitere Schöffenamtszeit beworben.
Personen, die Schöffin oder Schöffe werden wollen, sollen sich an ihre Wohnsitzgemeinde wenden. Voraussetzung ist unter anderem das Ausfüllen eines Bewerbungsformulars. Ein Wahlausschuss entscheidet auf Vorschlag der Kommune, wer letztlich als Laienrichterin oder Laienrichter fungieren darf. Alle Informationen zum Thema gibt es unter www.justiz.bayern.de/service/schoeffen/.
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