Wenn Fatih Dübüs dieser Tage aus dem Fenster blickt, tut sich vor ihm eine neue Welt auf. Während er zu Hause die vertrauten Dächer der Friedberger Südstadt sieht, die Kirchtürme, das Kopfsteinpflaster, schweifen seine Augen seit zwei Wochen über ein halbes Piratenschiff, Hochhäuser und immer wieder grüne Baumkronen, die der thailändischen Stadt Pattaya ein wenig Farbe verleihen. Hier, an der Bucht des Golfs von Thailand, verbringt der Friedberger Boxer die kommenden Wochen. Dabei geht es um seine Gegner, das Wetter – und Pizza.
Bereits im vergangenen Jahr, als Dübüs das erste Mal einen Kampf in Thailand bestritt, wurde allein durch seine Äußerungen deutlich, wie sehr ihn das Land gepackt hatte. Im Gespräch schwärmte er von dem Wetter, den Menschen – und vor allem von deren Begeisterung für seinen Sport: „In Deutschland kommt das Boxen weit hinter Disziplinen wie Fußball, Tennis oder Volleyball“, sagt der Friedberger. In Thailand jedoch seien die Boxer Stars, sogar er wurde nach seinem ersten Vergleich in Südostasien auf der Straße erkannt. Und das nicht nur von Deutschen. „Das gibt mir ein ganz anderes Gefühl bei dem, was ich tue.“ Vor allem technisch habe er enorm viel dazugelernt.
Denn im Boxen variiert die Art und Weise wie im Fußball von Land zu Land. Legen die Spanier in ihrer Ausbildung mehr Wert auf Technik, setzen die Deutschen auf Zweikampfstärke und Robustheit. Im Boxen repräsentiert Thailand in etwa das, was Spanien im Fußball darstellt. Technik, Schlagzahl, Ausdauer sind Elemente, die den Thailändern liegen – ebenso wie Dübüs. „Europäischen Boxern bin ich mittlerweile technisch überlegen“, sagt der Friedberger, der in den vergangenen Monaten viel dazugelernt, seine alten Fähigkeiten dabei aber nicht verlernt habe. Das ist jedoch nur einer der Gründe, weshalb er erwägt, in Zukunft immer öfter und für immer längere Phasen in Südostasien zu verbringen – bis er irgendwann seinen Wohnsitz komplett dorthin verlegt.
In Deutschland bleibt oft nur Zeit für Pizza: Seine „neue“ Heimat Thailand liegt Fatih Dübüs mehr
Die Szenen, die Dübüs schildert, wenn er von seiner neuen Heimat erzählt, vermitteln eine gewisse Leichtigkeit. Dübüs, der am Songkran, dem Neujahrsfest, mit Anglerhut, Sonnenbrille und Spritzpistole am Strand steht und den neuen Zyklus im thailändischen Mondkalender begrüßt. Dübüs, wie er seine Schuhe wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und der Hitze nach jedem Training trocknen muss. Dübüs, wie er sich am eingangs erwähnten Piratenschiff an einem Pool sonnt.
Grundsätzlich, sagt Dübüs, grundsätzlich liege ihm Thailand einfach mehr. Die Menschen, das Essen, die Einstellung zum Leben. In Deutschland, so sagt es Dübüs, bekommt er immer wieder Anrufe, Nachrichten, Dinge, mit denen er sich nicht beschäftigen möchte. Für ihn zählt der Sport, alles andere störe, verschiebe den Fokus. In Thailand falle es ihm leicht, seinen Tagesablauf aufs Boxen auszurichten. Während an einem Abend in Deutschland nach dem Training oft nur Zeit für eine Pizza bleibt, weil alle anderen Geschäfte geschlossen sind, haben sie in Thailand teilweise bis Mitternacht geöffnet.
All das hilft bei der Vorbereitung auf den Kampf am Donnerstag, den Vergleich mit dem Filipino Eduardo Mancito im Clash of Nations, 15 Uhr Ortszeit. In Friedberg wird es dann gerade einmal 10 Uhr morgens sein. Dennoch fiebern sie auch hier, tausende Kilometer entfernt, mit ihrem Boxer mit. Sie blicken dann weiterhin auf die Dächer Friedbergs. Er auf seine schöne neue Welt.
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