"Gehst du schon wieder ins Büro?" Seit dem Corona-Virus gehört diese Frage zum Alltag. Teams müssen sich aufgrund neuer Hygieneregeln verstärkt mit der Entscheidung auseinandersetzen: Wer arbeitet wann von wo? Oftmals können nicht alle Beschäftigten gleichzeitig ins Büro oder an den Arbeitsplatz zurückkommen.
Was das für die Teamarbeit bedeutet und wie sich schwierige Gruppendynamiken verhindern lassen, erklärt Hannes Zacher im Interview mit dem dpa-Themendienst. Er ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Universität Leipzig.
Herr Zacher, welche Effekte hat die räumliche Trennung von Teams auf die Zusammenarbeit?
Hannes Zacher: Das kann durchaus negative Konsequenzen haben. Es entstehen räumliche Barrieren beim Austausch über Aufgaben. Das kann etwa dazu führen, dass die Beschäftigten im Homeoffice eher eigenbrötlerische Aufgaben machen, während die Kolleginnen und Kollegen im Büro an größeren Projekten zusammenarbeiten.
Die Identität dieser Subgruppen bildet sich durch die Trennung dann immer stärker heraus. Es kann vorkommen, dass sie in Wettstreit miteinander treten. Das ist kontraproduktiv. Je stärker ein Team zerfällt, desto eher leidet die Kreativität, die Motivation und Leistungsfähigkeit. In der Forschung sprechen wir da von "Sollbruchstellen", an denen Teams zerbrechen.
Besonders problematisch ist das, wenn ein bestimmter Arbeitsort sich mit einer Funktion oder Identität paart. Beispielsweise, wenn an Universitäten nur noch Hausmeisterinnen oder Assistenten vor Ort sind und die Wissenschaftler von zu Hause aus arbeiten.
Welche Kriterien sollten also berücksichtigt werden, wenn Unternehmen entscheiden müssen, wer an den Arbeitsplatz zurückkehren darf?
Zacher: Es gibt nicht die eine perfekte Lösung. Es gibt aber verschiedene Ansätze, die zum Teamzusammenhalt beitragen können: Geht man aufgabenorientiert vor, finden Zusammenarbeit und kollaborative Tätigkeiten vor Ort am Arbeitsplatz statt, aufgrund von Corona idealweiser in großen Räumen mit ausreichend Abstand. Aufgaben, die viel Konzentration erfordern, können Beschäftigte dagegen im Homeoffice erledigen.
Denkbar ist auch ein mitarbeiterorientierter Ansatz. Da spielen die Präferenzen der Beschäftigten eine Rolle. Etwa, wie wohl sich jemand bei der Arbeit im Büro fühlt oder wie produktiv jemand im Homeoffice arbeiten kann. Nicht zuletzt sollte das Kriterium Gerechtigkeit berücksichtigt werden. Den Mitarbeitenden sollte klar sein, wie entschieden wird, wer wann im Homeoffice arbeitet. Das trägt zur Akzeptanz bei.
Nicht alle Hygienekonzepte berücksichtigen diese Kriterien. Wie lässt sich verhindern, dass Mitarbeiter im Homeoffice "abgehängt" werden?
Zacher: Wir wissen aus Studien tatsächlich, dass viele sich als "professionell isoliert" sehen, wenn sie dauerhaft von zu Hause aus arbeiten. Sie verpassen die informellen Dinge, die Gespräche in der Küche oder auf dem Flur.
Die Forschung würde daher sagen, dass Homeoffice kein Dauerzustand sein sollte. Empfohlen wird eine hybride Lösung, so dass niemand vergessen wird und sich die Mitarbeitenden zumindest zeitweise vor Ort austauschen können. Entsprechend sollte auch während der Coronazeit idealerweise rotiert werden, so dass alle Mitglieder eines Teams Zeiten im Büro und Zeiten im Homeoffice haben.
Was kann der oder die Einzelne bzw. die Führungskraft darüber hinaus tun, um den Teamgeist aufrecht zu erhalten?
Zacher: Natürlich ist die Kommunikation noch mal wichtiger, wenn Teams räumlich getrennt arbeiten. Chatprogramme lassen zu, dass sich Beschäftigte auch informell austauschen können. Das hilft aber alles nicht so wirklich, den sozialen Austausch herzustellen.
Vorgesetzte spielen deshalb eine große Rolle. Sie können etwa anregen, dass Teammitglieder zu Geburtstagen von einem Kollegen oder einer Kollegin einen Blumenstrauß vorbeigebracht bekommen. Auch ein spontaner Anruf, ein kurzer Check mit einzelnen Mitarbeitern kann hilfreich sein. Solche Initiativen können am Ende dazu beitragen, dass sich ganz neue Beziehungen entwickeln.
Haben Sie auch einen Rat an diejenigen, die sich vergessen fühlen?
Zacher: Es ist eine Typenfrage, wie Mitarbeitende auf sich aufmerksam machen. Das ist für einige leichter, für Introvertierte eher schwieriger. Es gilt aber: Netzwerken ist auch aus dem Homeoffice heraus wichtig. Deshalb sollte man sich bemerkbar machen und dabei kreativ sein: sei es, indem man selbst ein Meeting einberuft oder zur Geburtstagsfeier über Videocall einlädt.
Das lässt sich mit der Laufbahnentwicklung vergleichen: Wer sich weiterentwickeln will und den nächsten Karriereschritt anstrebt, muss ebenfalls eine Extraportion Initiative zeigen.
Wer muss eingreifen, wenn die Stimmung zu kippen droht?
Zacher: In größeren Unternehmen ist das vor allem Aufgabe der Führungsebene oder der Personalentwicklung. Sie müssen sich Feedback von Mitarbeitenden einholen, wie etwa die Arbeit im hybriden Modell läuft und gegensteuern, sollte es nötig sein.
Bei kleineren Betrieben kommt das eher aus den Teams selbst heraus. Hier könnte es ein Ansatz sein, aus dem Alltagsgeschäft herauszutreten und zum Beispiel außer der Reihe ein Team-Treffen im Park zu organisieren.
Das Corona-Virus macht Langzeitplanungen nahezu unmöglich. Wie bekommen Teams dennoch sowas wie eine "Perspektive" für die kommenden Monate?
Zacher: Eine der Hauptaufgaben von Führung ist das Managen von Unsicherheiten, egal, ob das ökonomische Unsicherheiten sind oder etwa eine geschäftliche Neuausrichtung. In Zeiten von Corona geht es um die Frage: Wann ist alles wieder so wie vorher? Die Erwartung muss wohl sein, dass wir nie wieder alle so arbeiten werden wie vor Corona. Führungskräfte sollten das kommunizieren und versuchen, die Mitarbeitenden in kleinen Schritten auf die neue Normalität einzustellen.
Wenn das Team den Mut verliert, sollten Führungskräfte gucken: Was sind denn Quellen des Optimismus? Das kann soweit führen, dass Aufgaben neu verteilt werden. Wenn Unternehmen aktiv reflektieren, wie sie sich auf die neue Situation einstellen können, kann das sogar eine Riesenchance sein. Da muss man die große Offenheit nutzen, die der Moment mit sich bringt. (Interview: Amelie Breitenhuber, dpa)
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