Sterne-Koch Bobby Bräuer verrät Rezepte aus der Sterneküche
Zwei-Sterne-Koch Bobby Bräuer kennt man vor allem in der Gourmet-Szene. Dabei steht seine Spitzenküche Tausenden offen. Jetzt hat er einige Rezepte verraten.
Fragt man nach der Haupttourismusattraktion Bayerns, fällt fast jedem der Name Schloss Neuschwanstein ein. Geht es aber nach den reinen Besucherzahlen, führt, was viele nicht wissen, ein anderes architektonisches Wunderwerk die Liste an: Die BMW-Welt in München zählt fast doppelt so viele Touristen, die mehrheitlich aus dem Ausland kommen. Und was viele ebenfalls nicht wissen: Der futuristische Auto-Tempel zieht nicht nur Fans der weißblauen Marke an, sondern seit Jahren auch Gourmets aus dem ganzen deutschsprachigen Raum.
Seit fünf Jahren kocht hier Martin „Bobby“ Bräuer. Der 58-jährige ehemalige Souschef von Eckart Witzigmanns legendärem Drei-Sterne-Haus „Aubergine“ brach in jungen Jahren sein Studium ab, um eine Kochlehre in Otto Kochs Münchner Restaurant „Le Gourmet“ zu machen. Heute zählt er nicht unbedingt zu den bekanntesten deutschen Spitzenköchen, aber zu den besten: Keine neun Monate nach der Eröffnung in der BMW-Welt holte er den ersten Michelin-Stern für das neue Restaurant. „Der erste Stern, über den BMW sich freut“, scherzte der Münchner Autobauer und Mercedes-Rivale damals. Der zweite Stern folgte nur ein Jahr später.
Sternekoch Bobby Bräuer kocht in der BMW-Welt in München
Betont frei von Extravaganz heißt Bobby Bräuers Zwei-Sterne-Restaurant unter dem elegant geschwungenen Dach der BMW-Welt schlicht „EssZimmer“. Ebenso lakonisch lobte es der Schweizer Gourmet-Kritiker David Schnapp mit dem Satz: „Vermutlich isst man weltweit in keinem Autohaus besser.“ Der große Vorteil für die Besucher der automobilen Erlebniswelt ist, dass nicht nur das kleine, feine „EssZimmer“ mit seinen 45 Plätzen und der hochpreisigen Menükarte unter Bobby Bräuers Regie läuft, sondern auch die drei anderen Restaurants der BMW-Welt, die auf die Marken des Konzerns anspielen: Die „Bikers Lodge“, das „Coopers“ und die „Bavarie“.
So steht auch weit unterhalb der „Rolls-Royce“-Liga Bräuers Spitzenküche auf unterschiedlichen Ebenen täglich tausenden Besuchern offen. Als „Volks-Wirt“ würdigte vor langer Zeit ein Gourmet-Journal den Münchner nicht nur in Anspielung auf sein abgebrochenes Wirtschaftsstudium, sondern auch wegen seiner stets frisch-saisonal und regional ausgerichteten ehrlichen Küche. „Kochen, was Spaß macht, alles kann, nichts muss“, beschreibt Bräuer seine Linie.
Witzigmann-Schüler Bräuer hat erst jetzt sein erstes Kochbuch vorgelegt
Im Gegensatz zu anderen Witzigmann-Schülern hat er erst jetzt sein allererstes Kochbuch vorgelegt, dessen Titel ganz seiner offenen, täglich praktizierten Philosophie folgt: „Ein Hot Dog und zwei Sterne – Brillant kochen auf jedem Niveau“ (Gräfe und Unzer, 240 Seiten, 29,99 Euro). So wie die Küchen seiner Restaurants in der BMW-Welt völlig offen einsehbar gebaut sind, so transparent gibt Bobby Bräuer einen tiefen Einblick in seine Rezepte und Kochgeheimnisse bis hin zu detaillierten Anweisungen des Dekorierens auf dem Teller. „Ich will Denkanstöße geben, dass man sagt, das könnte ich auch mal probieren“, erklärt er. Das geht vom deftigen Kichererbsen-Eintopf aus dem „Coopers“ bis hin zur aufwendig an Gel-Tupfern von Tomaten, Limetten und Kapern servierten Taube Grenobler Art aus dem „EssZimmer“.
„Wir schauen wie alle auf die Saison, und dann kann man die Produkte asiatisch kombinieren, französisch oder deutsch interpretieren – da ist heute der Kreativität keine Grenzen gesetzt“, beschreibt der Münchner seine Küche. „Das Schöne von heute ist, dass heute Dinge erlaubt sind, die vor zwanzig Jahren noch als undenkbar galten.“ Das gelte beispielsweise für den Menüaufbau: „Heute kann ich nach den Vorspeisen vor dem Hauptgang noch mal eine kleine Suppe oder Essenz als Shot schicken, vorausgesetzt, es ergibt im Menü einen Sinn.“
Von Hotdog bis Tiramisu: Rezepte vom Sternekoch
Wichtig für fast jedes Gericht ist für Bräuer das Spiel mit den sogenannten Texturen: „Wir schauen darauf, dass wir etwas Weiches haben, eine cremige Komponente, eine crunchige Komponente und dabei auch unterschiedliche Geschmacks-Nuancen wie süß, sauer oder salzig herausarbeiten.“ Ein Beispiel dafür ist selbst Bobby Bräuers Hotdog, den er bei Events bisweilen als Amuse-Gueule serviert: Die längs geschnittenen Streifen von Hotdog-Würstchen bettet er im Mini-Milchbrötchen auf etwas Sekt-Sauerkraut mit Senfkörnern. Als Clou mischt er unter das Topping aus Würfelchen frittierter Röstzwiebeln knusprig gebratenen Pancetta-Bauchspeck.
Einen Knusper-Crunch gönnt der Koch auch seinem Tiramisu. Bräuer, der in seinen Anfangsjahren als Deutscher Küchenchef im damals schwer angesagten Münchner Italiener „Al Pino“ war, nimmt dafür knapp 200 Gramm zerdrückte Amarettini. Sie werden aber nicht mit Espresso eingeweicht. Stattdessen lässt er ein Blatt eingeweichter Gelatine mit einer Tasse Espresso schmelzen, schlägt 50 Gramm ganz frisches Eigelb und 80 Gramm Zucker zehn Minuten schaumig. Die letzte Minute kommen noch 250 Gramm Mascarpone dazu. Dann gibt er die Espresso-Gelatine und als Clou zwei Esslöffel Kahlua-Kaffeelikör dazu. Nun hebt er 150 Gramm leicht angeschlagene Sahne unter. Er schichtet das Dessert in vier Gläser, im Sommer garniert mit frischen Erdbeeren, Minzblättern und drei ganzen Amarettini.
So vergleichsweise simpel sind natürlich nicht viele von Bräuers Rezepten. Aber auch jeder Otto-Normal-Koch kann sich vieles daraus herauspicken. Seine Zubereitung zarter Hühnerbrustfilets etwa.
Bräuer heizt den Backofen auf 160 Grad vor und erwärmt in einer ofenfesten, beschichteten Pfanne etwas Olivenöl. Darin legt er die Maishähnchen-Brustfilets auf die zuvor leicht bemehlte Hautseite hinein und schiebt sie zehn Minuten in den Ofen. Zur Hälfte der Zeit übergießt er das Fleisch mit Bratensaft. Am Schluss fügt er noch Butter und einen Zweig Rosmarin hinzu und serviert die Filets mit glasierten Rauten vom gelben und grünen Zucchini sowie mit Balsamico beträufelten Feigen-Achteln und gerösteten Pinienkernen.
Hobbyköche können das Spiel mit Schokolade einfach nachkochen
Und warum nicht einmal wie Bräuer im „EssZimmer“ ein herrliches Stück Fleisch wie sein drei Stunden geschmortes Stück Zwerchrippe vom Rind mit ebenso hübschen wie leckeren Farbtupfern einer Pinien- und einer Paprikacreme servieren? Die Paprikacreme macht Bräuer aus 200 Milliliter Paprikapüree, das er salzt und pfeffert und mit drei Gramm Agar-Agar bindet. Er stellt die Masse eine Stunde kalt, mixt sie kurz auf und füllt das Gel in eine Squeezeflasche: Die an Chemielabore erinnernden Plastikflaschen mit der dünnen Spitze sind heute fast unentbehrlich fürs Garnieren in Gourmetrestaurants.
Für die Piniencreme dünstet Bräuer zwei fein gewürfelte Schalotten in 60 Gramm Butter glasig und gibt 50 Gramm geröstete und grob gehackte Pinienkerne zu. Er gießt, mit 140 Milliliter Geflügelbrühe auf und lässt die Flüssigkeit wieder auf die Hälfte reduzieren. Dann nimmt er den Topf vom Herd und mixt den Inhalt mit 20 Gramm geriebenem Parmesan, etwas Salz und Pfeffer zu einer geschmeidigen Creme, die er in eine Squeezeflasche füllt und in heißem Wasser warm stellt. Mit der Spitze der Flaschen zieht Bräuer eine Linie Piniencreme und macht Tüpfelchen aus Paprikamus.
Ein für Hobbyköche ebenfalls nachkochbares Highlight ist Bräuers Spiel mit Schokolade. Unter seine Blaubeeren auf einer raffinierten grünen Sauerampfer-Buttermilch-Soße und Limettencreme mischt er zum Verwechseln ähnliche Schoko-Blaubeeren, die er aus Kuvertüre und Blaubeermus macht. Im Buch beschreibt er eine Himbeer-Variante: 150 Gramm Himbeermark mit 20 Gramm Zucker und einem Teelöffel Himbeeressig aufkochen, mit 1,5 Gramm Agar-Agar binden und 30 Gramm geschmolzene dunkle Kuvertüre langsam einfließen lassen, zum Erkalten auf ein Backblech gießen und in Würfel schneiden.
Nebenbei streut Bobby Bräuer in sein Kochbuch persönliche Geschichten ein und erzählt beispielsweise vom spannenden Kampf um seinen ersten Stern im Münchner Restaurant „Königshof“: Als er ihn endlich bekam, hatte er bereits die Hoffnung aufgegeben und woanders einen Vertrag unterschrieben. Auch dank solcher Einblicke in die Welt der Spitzengastronomie legt der Münchner Koch damit wohl die appetitanregendste Autobiografie des Jahres vor.
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