Wer 2017 einen Pflegegrad beantragt hat, musste sich gedulden. Bis das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) fertig war, konnten Monate vergehen. Im Jahr 1 der Pflegereform war die Bearbeitungsfrist von maximal 25 Arbeitstagen ausgesetzt. „Im Umstellungsjahr wurden über 1,6 Millionen Versicherte nach dem neuen System begutachtet und zusätzlich 268000 nach dem alten“, betont Michaela Gehms, Sprecherin des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDS).
Seit diesem Jahr haben Patienten wieder Anspruch auf flotte fünf Wochen Bearbeitungszeit. Hakt es nach wie vor, muss die Kasse für die Verzögerung entschädigen. Von einem einzigen Gutachtertermin hängt immer noch ab, ob und wie viel Geld fließt.
Wie viel Zeit hat die Pflegekasse, um über Anträge zu entscheiden?
Die Umstellung auf fünf Pflegegrade und die große Zahl von Neuanträgen gerieten 2017 zur Herkulesaufgabe für den MDK. Die sonst üblichen 25 Arbeitstage, binnen derer die Pflegekasse über Anträge auf Pflegeleistungen entscheiden muss, galten ein Jahr lang nicht mehr. Bei Verbraucherzentralen meldeten sich viele Familien, die über Monate auf eine Einstufung und letztlich auch auf die finanziellen Zuwendungen warten mussten. Ein Trost: Die Pflegeleistung wird ab Antragstellung bezahlt. Auch bei langer Wartezeit geht kein Cent verloren.
Wie soll es jetzt laufen?
Seit 1. Januar dürfen Antragsteller darauf pochen, dass die Pflegekasse innerhalb von 25 Arbeitstagen darüber entscheidet, ob und welcher Pflegegrad vorliegt. Die Einhaltung der Frist scheint sich inzwischen eingespielt zu haben. In akuten Fällen ist eine Entscheidung sogar binnen einer Woche fällig. Zum Beispiel dann, wenn jemand im Krankenhaus liegt und die weitere Versorgung unklar ist.
„Wir hatten in letzter Zeit keine Beschwerden mehr von Antragstellern“, berichtet Verena Querling, Pflegerechtsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Bearbeitungszeit sei von MDK zu MDK allerdings sehr unterschiedlich. „Es ist gut, dass die langen Wartezeiten nun vorbei sind und die Versicherten schnell wissen, wie viel Geld sie zur Verfügung haben und wie sie die Pflege organisieren können“, betont Gisela Rohmann, juristische Pflegeexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Wie holt man sich eine Entschädigung?
Vergehen 25 Werktage, ohne dass der Pflegebedürftige oder seine Familie einen Bescheid im Briefkasten haben, dürfen sie eine finanzielle Entschädigung einfordern. Einem Antragsteller stehen dann sofort 70 Euro pro angefangener Woche als Pauschale zu. Diese Regelung war 2017 ebenfalls ausgesetzt, ist seit 1. Januar diesen Jahres aber wieder in Kraft. Sie gilt laut Bundesversicherungsamt auch für Fälle aus 2017.
Die Berechnung ist gar nicht so einfach. Beispiel: Wer im Oktober 2017 einen Antrag stellte und am 20. Januar Bescheid bekam, hat noch keinen Anspruch. Die Frist war erst am 3. Februar verstrichen, nach genau 25 Werktagen. Die Regelung gilt nicht, wenn der Versicherte im Pflegeheim lebt und bereits mindestens Pflegegrad 2 hat.
Welchen Fehler sollte man nicht machen?
Wer dauerhaft Hilfe im Alltag braucht, sollte sich begutachten lassen. Ein Antrag bei der Pflegekasse sollte möglichst nicht auf die lange Bank geschoben werden. Denn: Entscheidend für eine mögliche Pflegeleistung ist der Tag, an dem der Antrag eingeht. Im Auftrag der Pflegekassen kommen die MDK-Experten dann ins Haus, um sich ein Bild vom Alltag des Patienten zu machen. Meist haben sie für die Begutachtung gerade mal eine Stunde Zeit. Von diesem einen Termin hängt ab, ob und wie viel die Pflegekasse zahlt.
Was sollten Betreuer und Angehörige wissen?
Sie sollten Patienten bei dem Termin nicht allein lassen. So mancher neigt aus Stolz und Scham dazu, Probleme zu verharmlosen. Der Gutachter prüft, ob sich jemand noch allein in der Wohnung bewegen kann, ob Treppensteigen schwerfällt, die räumliche und zeitliche Orientierung noch klappt.
Ob jemand allein seine Medikamente einnehmen kann, beim Waschen und Essen bereits Hilfe braucht. Mithilfe eines etwas komplizierten Punktesystems von 0 bis 100 wird dann der Pflegegrad errechnet. Je unselbstständiger der Patient, desto höher seine Einstufung. Kostenfreie Informationen oder Online-Pflegegradrechner gibt es unter anderem auf den Internet-Seiten der Verbraucherzentralen.
Wann ist ein Widerspruch möglich?
Kommt eine Ablehnung oder ein niedrigerer Pflegegrad als erwartet, können Betroffene Widerspruch einlegen. 2017 wurden 12,9 Prozent der Anträge nach der neuen Berechnung abgelehnt. Über 17 Prozent bekamen lediglich Pflegegrad 1 attestiert. Das sorgte bei vielen Betroffenen für Unmut, wie Verbraucherschützer berichten. Denn: Erst ab Pflegegrad 2 besteht Anspruch auf eine Geldleistung. Bringt der Widerspruch keine Verbesserung, steht allerdings der Gang zum Sozialgericht offen. Weitere Informationen halten die Medizinischen Dienste bereit unter www.mdk.de.