
Halten nachhaltige Banken, was sie versprechen?

Ökologisch ausgerichtete Institute versprechen zum Beispiel, keine Projekte zu finanzieren, die mit Kinderarbeit, Rüstung oder fossiler Energien in Verbindung stehen. Aber halten die Banken, was sie versprechen?
Um sechs Uhr morgens steht er auf, spätestens um sieben ist Jörg Wenzel im Büro. Der 57-Jährige führt Kundengespräche, beantwortet E-Mails – und ehe man es sich versieht, ist es schon wieder Feierabend. So beschreibt Jörg Wenzel, Finanzberater für ethisch-nachhaltige Geldanlagen in Würzburg, seinen Tag. Es sind typische Aufgaben eines Bankers und ebenso typisch ist sein Profilbild auf dem Karriere-netzwerk Xing: kurze braune Haare, schwarzer Anzug, weißes Hemd. Im Büro lässt er es mit einem lila Hemd und Jeans ein wenig lockerer angehen. Er lächelt sympathisch. Erst ein Blick auf seine Füße verrät, dass an ihm etwas anders ist: Er läuft barfuß.
Vor 24 Jahren machte sich Jörg Wenzel als Finanzberater selbstständig. 2012 setzte er dann den Schwerpunkt auf ethisch-nachhaltige Geldanlagen. „Ich arbeite auf Honorar“, erklärt er. „So kann ich eine ergebnisoffene, unabhängige Beratung garantieren. Die meisten glauben, der Banker sei ein Berater, aber das stimmt nicht: Er arbeitet auf Provision. Seine Aufgabe ist es, die Produkte seines Arbeitgebers zu verkaufen. Viele Menschen kommen zu mir, weil sie das Vertrauen in die Banken verloren haben.“
Größtes Institut: GLS Bank mit 280.000 Kunden
Bei Jörg Wenzel läuft es geschäftlich sehr gut. Dennoch sind ethisch-nachhaltige Banker noch immer eine Seltenheit.
In Deutschland gibt es 15 Banken, die feste nachhaltige und soziale Kriterien befolgen. Davon sind acht kirchlich orientiert. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 gab es hierzulande 1717 Kreditinstitute.
Die größte nachhaltige Bank in Deutschland ist die GLS Bank mit rund 280.000 Kunden. Laut GLS-Sprecher Julian Mertens befolgt sie in ihrem Geschäft 14 Ausschlusskriterien, darunter Waffen und Rüstung, Kinderarbeit, Atomkraft und industrielle Tierhaltung. Zusätzlich gebe es 14 Positivkriterien, wie Biolandwirtschaft, erneuerbare Energien oder Bildung. Aber wer überprüft, ob diese Kriterien befolgt werden?
Verbraucherzentrale: Begriffe wie nachhaltig oder ethisch sind nicht geschützt
„Begriffe wie ‚nachhaltig‘ oder ‚ethisch‘ sind nicht geschützt“, sagt Anke Behn, Referentin für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bremen. „Es gibt auch keine einheitlichen Mindeststandards für eine nachhaltige Geldanlage. Daher ist die Ausrichtung der einzelnen Banken unterschiedlich.“
Orientierung bietet der Fair Finance Guide
Eine Orientierung bietet der Fair Finance Guide – ein unabhängiges Projekt der Organisation Facing Finance. Darin werden die sozialen und ökologischen Kriterien von 16 Banken untersucht und ob diese eingehalten werden. Ein Ergebnis von 100 Prozent bedeutet, dass alle aktuellen Bewertungskriterien des Fair Finance Guide erfüllt werden. Mit 95 Prozent schneidet die GLS aktuell am besten ab, danach folgen die Triodos Bank und die Ethik Bank mit etwa 90 Prozent. Die genossenschaftliche DZ Bank erreicht 31 Prozent, die Stadtsparkasse Düsseldorf lediglich 17 Prozent. Keine konventionelle Bank schafft es über 55 Prozent. Den meisten konnten finanzielle Verbindungen zu Rüstungsproduzenten oder Unternehmen nachgewiesen werden, die schädlichen und ausbeuterischen Rohstoffabbau betreiben.
Und an wen vergibt die GLS Kredite? „Vor kurzem haben wir in das größte grüne Wasserstoff-Mobilitätsvorhaben in Deutschland investiert“, nennt Julian Mertens ein Beispiel. „Das Projekt gewinnt aus Windenergie Wasserstoff, der wiederum für ÖPNV-Busse und eine Wasserstofftankstelle verwendet wird.
Im Bereich Mode unterstützen wir Armed Angels, Vaude und den Avocadostore. Auch der Alnatura Campus in Darmstadt wurde von der GLS finanziert.“ Wofür das Geld verwendet wird, überprüft die GLS selbst: „Der Mensch steht im Mittelpunkt, das gilt auch für Unternehmer. Deshalb gehen wir immer vor Ort, wenn wir einen Kredit vergeben, um das Projekt kennenzulernen.“
Aber nicht nur die Banken, auch der einzelne Verbraucher hat Einfluss auf den Finanzmarkt. Schließlich kann er mit der Wahl des Girokontos bestimmen, für welche Projekte sein Geld verwendet wird. Der wesentliche Unterschied eines nachhaltigen Girokontos zu einem konventionellen ist laut Julian Mertens, dass das Geld mit Sinn und Werten verknüpft wird.
Ein nachhaltiges Girokonto kostet nicht mehr als ein normales
Ein Vergleich der Anbieter zeigt: Ein nachhaltiges Girokonto muss nicht mehr kosten. Die Gebühren betragen je nach Anbieter und Konditionen bis zu neun Euro pro Monat. Das Finanz-Start-up Tomorrow bietet sogar ein kostenloses Girokonto. Um die Sicherheit des Geldes müssen sich Verbraucher keine Sorgen machen. „Durch die gesetzliche Einlagensicherung sind in Deutschland grundsätzlich 100.000 Euro pro Anleger geschützt“, sagt Anke Behn von der Verbraucherzentrale.
Für Jörg Wenzel ist das Girokonto der erste Schritt auf dem Weg zu nachhaltigem Banking: „Wir kaufen Fairtrade, wir gehen in den Bioladen und sind bereit, dort mehr Geld auszugeben. Aber im Bereich der Geldanlage machen wir uns überhaupt keine Gedanken. Wir geben der Bank unser Geld und damit unsere Verantwortung und kommen nie auf die Idee, den Banker zu fragen: Was macht ihr eigentlich mit meinem Geld?“
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem Masterstudiengang Fachjournalismus der Hochschule Würzburg-Schweinfurt entstanden. In 10 Folgen beschäftigen sich die Studenten mit den Themen „Grüne Geldanlagen“ und „Fit durch den Winter“.
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