"Halal"-Fleisch kann nicht bio sein
Das höchste europäische Gericht stellt klar: Die Tiere müssen nicht nur artgerecht gehalten werden. Auch während der Schlachtung dürfen sie nicht unnötig leiden.
Wenn Fleisch das europäische Bio-Siegel trägt, muss es auch den „höchsten Normen des Tierschutzes“ entsprechen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag entschieden und damit französischen Halal-Produkten das Recht aberkannt, als „Bio-Ware“ gekennzeichnet zu werden. Im konkreten Fall hatte eine französische Tierschutz-Organisation geklagt, die erreichen wollte, dass als „halal“ ausgewiesene Hacksteaks nicht länger mit dem Hinweis „aus ökologischem/biologischem Landbau“ beworben werden dürfen. Sie begründete ihre Beschwerde damit, dass die Tiere ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden. Das Gütesiegel schreibe eine entsprechend artgerechte und schmerzfreie Tötung vor.
Halal und koscher erfüllen nicht die Standards
„Halal“ heißt so viel wie „rein“ oder „erlaubt“ und bezieht sich auf islamische Regeln. Juden sprechen in ähnlicher Weise von „koscher“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete die Entscheidung des EuGH als „Schlag ins Gesicht für die jüdische Gemeinschaft“. Religiöse Schlachtung und ökologische Tierhaltung oder Produktion schlössen sich keineswegs aus, die Bio-Zertifizierung hänge vielmehr von artgerechter Tierhaltung und -transport sowie der Fütterung ab, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.
Wissenschaftliche Studien haben allerdings nach Auffassung der Richter belegt, dass die Betäubung die beste Technik ist, um das Tierwohl während der Schlachtung am wenigsten zu beeinträchtigen. Bei rituellen Schlachtungen wird auf diese Vorbereitung allerdings verzichtet. Zwar ist auch dort vorgeschrieben, dass die Tötung mit einem präzisen Messerschnitt durchgeführt werden muss, um dem Tier möglichst wenige Schmerzen zuzufügen. Dennoch – so der Europäische Gerichtshof – leide das Tier eben doch deutlich mehr als bei einer Betäubung, die zur Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit führe.
Rituelle Schlachtungen seien in der EU zwar aus Gründen der Religionsfreiheit erlaubt, seien aber nicht geeignet, Schmerzen, Stress und Leiden der Tiere so zu mildern wie Schlachtungen mit Betäubung. Mit anderen Worten: Die unterschiedlichen Schlachtmethoden sind mit Blick auf die „Sicherstellung eines hohen Tierschutzniveaus zum Zeitpunkt der Tötung nicht gleichwertig“, wie es in der Urteilserklärung heißt.
Vorschriften zum Tierwohl gelten auch für Schlachtung
In der entsprechenden EU-Verordnung zum Bio-Gütesiegel ist vorgeschrieben, dass in allen Stadien der Produktion strenge Tierschutznormen eingehalten werden: „Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten“, heißt es in der europäischen Regelung. Diese Vorgaben der Europäischen Union über die ökologisch-biologische Kennzeichnung sollten sicherstellen, dass „das Vertrauen der Verbraucher“ in die entsprechend ausgezeichneten Produkte „zu wahren und zu rechtfertigen“ sind. Wer also Fleisch mit dem Bio-Siegel kaufe, müsse sicher sein, dass alle Vorschriften unter anderem zum Tierwohl eingehalten wurden – von der Geburt über die Haltung bis hin zur Schlachtung. Mit ihrem Urteil habe die EU garantieren wollen, dass dieses Kriterium erfüllt wird.
Der deutsche Bio-Spitzenverband begrüßt das Urteil
Fazit: Das Fleisch der Tiere, die rituell geschlachtet wurden, darf nicht mit dem Bio-Siegel der Europäischen Union in den Verkauf gelangen. Mit seinem Grundsatzurteil folgte der EuGH mal ausnahmsweise nicht dem EU-Generalanwalt. Der hatte nämlich vorgeschlagen, das Bio-Logo auf den „halal“ erzeugten Hacksteaks zu belassen. Sein Argument: Es gebe keine EU-Vorschrift, die besagt, dass für Bio-Fleisch das Tier vor der Tötung betäubt werden muss.
Der deutsche Bio-Spitzenverband begrüßte, dass das EuGH-Urteil nun europaweit Klarheit schaffe. „Bio-Bauern engagieren sich für stressarme Methoden wie etwa die Weideschlachtung“, sagte eine Sprecherin des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft zudem.
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