Fahrradclub ist gegen Helmpflicht – weil Helme keinen Spaß machen
Eine Polizeigewerkschaft fordert eine Helmpflicht für Radfahrer - doch diese Idee ist umstritten. Nicht nur der Radfahrverband ADFC lehnt eine Vorschrift ab.
Es ist eine kleine Notiz in der Unfallstatistik des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Sie steht gleich neben der Zahl der Radfahrer, die 2018 in der Region bei Verkehrsunglücken gestorben sind: "Von den zwei getöteten Radfahrern trug keiner einen Fahrradhelm!" Am Ende des Satzes: ein Ausrufezeichen. Dass Fahrradhelme vor Kopfverletzungen schützen, ist unumstritten - unter Polizisten, Fahrradfreunden, Ärzten. Immer wieder werben Verbände und Behörden für den Helm. Doch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen will noch einen Schritt weiter gehen und aus der Empfehlung eine Pflicht machen: Sie fordert eine gesetzliche Helmpflicht für Radler.
In Finnland gilt ein generelles Helmgebot, in Österreich müssen Kinder und Jugendliche mit Kopfschutz radeln, bis sie zwölf Jahre alt sind. Im deutschen Gesetz gibt es dagegen keinen Paragrafen, der Radlern vorschreibt, einen Helm zu tragen. Zu den Gegnern einer gesetzlichen Regelung zählt auch - und das überrascht - ein deutscher Radfahrverband. "Eine allgemeine Vorschrift ist aus unserer Sicht überhaupt nicht sinnvoll", sagt Arne Schäffler. Er ist Vorstandsmitglied im Kreisverband Augsburg des "Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs" (ADFC).
Bei Kindern ist der Kopfschutz beim Radfahren unabdingbar
Schäffler argumentiert: "Verwundungen am Kopf sind bei weitem nicht die häufigste Verletzung bei Radunfällen." Viel häufiger seien Blessuren an Schultern, Armen und Handgelenken. Ein strenges Gesetz, das sich auf den Kopfschutz konzentriert, sei deshalb nicht sinnvoll, sagt Schäffler. Im schlimmsten Fall biete ein Helm auch keinen ausreichenden Schutz. "Bei Unfällen mit großen Fahrzeugen ist klar, wer den Kürzeren zieht." Er bezeichnet andere Vorsichtsmaßnahmen als fast genauso wichtig: Knie- und Ellenbogenprotektoren, Augenschutz, Lichter und vor allem Bremsen, die funktionieren.
Schäffler wünscht sich mehr Aufklärung über Verkehrssicherheit: "Viele Eltern sind beim Schutz ihrer Kinder beim Radfahren zu nachlässig." Zwar ist der ADFC-Vorstand gegen eine allgemeine Helmpflicht, doch für Kinder könne sie sinnvoll sein. Gerade jungen Radfahrern biete der Fahrradhelm viel Schutz: Bei Verkehrsunfällen, in denen Kinder hochgeschleudert werden, sei die Gefahr für Kopfverletzungen besonders groß. Also ein Helmgebot für Kinder? Das wäre denkbar, sagt Schäffler. Denn nur wenige junge Radfahrer tragen freiwillig einen Fahrradhelm.
Der Widerstand gegen den Kopfschutz beginnt oft in der Schulzeit. "Ab einem Alter von zehn, elf Jahren werden Helme plötzlich völlig uncool", sagt Schäffler. Das habe er auch bei seinen eigenen Kindern beobachtet. Doch auch Erwachsene stören sich daran, wie sie mit Helm aussehen: Mit dem Fahrradhelm in der Hand bei einem Meeting erscheinen? Das sei für viele Geschäftsleute keine Option, sagt Schäffler. "Wir wollen, dass immer mehr Menschen auf alternative Verkehrsmittel umsteigen. Doch sie sollten dabei auch Spaß haben." Und dieser Spaß würde für viele bei der Helmpflicht enden.
Hitze, Schweiß und Kälte - Fahrradhelme können unangenehm werden
Im Sommer sammeln sich Hitze und Schweiß unterm Helm, im Winter ist er zu kalt - so ein Kopfschutz könne schnell unangenehm werden, sagt Schäffler. "Experten schätzen, dass bei einer Helmpflicht weniger Menschen aufs Rad steigen würden. Vielleicht auch nur aus Sorge um die eigene Frisur." Eine Studie, die das baden-württembergische Verkehrsministerium 2017 in Auftrag gegeben hat, prognostiziert einen Rückgang an Radfahrern um drei bis neun Prozent - wenn es denn zu einer Helmpflicht käme.
Wie viele Radfahrer in Deutschland sich einen Helm aufsetzen, versucht das Bundesamt für Straßenwesen zu erfassen. Die Statistik für das Jahr 2017 besagt: Über alle Altersgruppen hinweg trugen 19 Prozent der Radler einen Schutzhelm, darunter 72 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Steigt das Alter, sinkt die Quote: Unter den elf- bis 16-jährigen Radfahrern trugen 31 Prozent einen Helm. Die niedrigste Quote gibt es unter Radlern bis 30 Jahren.
Bayerische Polizei-Gewerkschaft sieht Helmpflicht kritisch
Im Gegensatz zum ADFC fordert die nordrhein-westfälische Polizeigewerkschaft GdP die gesetzliche Helmpflicht - doch bayerische Gewerkschaftsmitglieder nehmen Abstand von dieser Idee. "Ob mit Helm oder ohne, das muss jeder in Eigenverantwortung entscheiden", sagt Peter Schall, der bayerische Landesvorsitzende der GdP Bayern. Selbstverständlich empfehle die Polizei, Radhelme zu tragen. "Wir müssen die Gefahren im Verkehr im Auge behalten. Die Zahl der Verkehrstoten betrachten wir natürlich mit Sorge", sagt Schall. "Aber eine gesetzliche Helmpflicht, das wäre zu viel des Guten." Solche Fragen per Gesetz zu regeln sei immer nur das "letzte Mittel". Vor allem die Kontrolle der Vorschrift wäre für die Polizei eine Herausforderung. "Der Radler hat kein Nummernschild. Und er muss keinen Ausweis bei sich tragen", sagt Schall. Auch deshalb sieht er ein mögliches Helmgesetz kritisch.
Ein größeres Problem sieht der GdP-Landesvorsitzende bei der steigenden Zahl der Unfälle mit E-Bikes und Pedelecs. Mit diesen elektrischen Rädern erreiche man deutlich höhere Geschwindigkeiten, sagt Schall, und damit nehme auch die Gefahr und Schwere der Unfälle zu. "Viele ältere Fahrer sind mit dem Tempo und der Eigendynamik der Räder überfordert."
Im Jahr 2017 hatten wir unsere Leser gefragt, wo sie sich als Radfahrer gefährdet fühlen. In unserer Karte sehen Sie das Ergebnis:
Welche Folgen Verkehrsunfälle auf dem Rad haben können, weiß Professor Stephan Vogt von der Augsburger Hessing-Klinik. Der Chefarzt für Sportorthopädie und arthroskopische Chirurgie, sagt: "Ein Helm ist immer zu empfehlen. Vor allem im Alltag oder beim Sport mit Rad, um vor schweren Verletzungen zu schützen oder sie abzumildern." Dennoch biete der Kopfschutz keine absolute Sicherheit. Vogt sagt: "Studien zeigen, dass Personen mit Helm teilweise riskanter fahren als Personen ohne Helm."
Das ist ein Argument, dass auch Arne Schäffler vom ADFC hervorhebt. Er würde sich deshalb anstatt eines Helm-Gebots gründlichere Kontrollen wünschen. Die Polizei müsse prüfen, ob Radfahrer sich an die bisherigen Regeln der Straßenverkehrsordnung halten. "In München gibt es sogar eine Fahrradstaffel, in Augsburg prüft die Polizei zu wenig", sagt Schäffler.
Das sagt die Unfallstatistik für Augsburg und Umgebung
Dass sich die Radfahrunfälle in der Region häufen, zeigt die Statistik des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Im Jahr 2018 ereigneten sich in der Stadt Augsburg 801 Radfahrunfälle, 702 Mal wurden dabei Verkehrsteilnehmer verletzt. Im Vergleich zum Jahr 2009 sind diese Zahlen um rund 40 Prozent gestiegen. Eine ähnliche Steigerung verzeichnet die Statistik auch für das Umland im Norden von Augsburg.
76 Mal waren E-Bikes in Unfälle verwickelt, 2017 waren es noch 55 Fälle. Fast vierzig Prozent dieser Unfälle passierten, ohne dass andere Verkehrsteilnehmer daran beteiligt gewesen wären. Die häufigsten Ursachen für Radunfälle waren Fehler beim Abbiegen, beim Wenden oder Rückwärtsfahren (28 Prozent). Auf Rang zwei der Unfallursachen stehen Verstöße gegen die Vorfahrtsregeln (26 Prozent).
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Ja genau, wo kämen wir denn da hin den armen Radfahrern Sicherheitsvorkehrungen vorzuschreiben, so wie man es bei anderen Verkehrsmitteln (z.B. Sicherheitsgurt) macht. Sollen die anderen doch besser aufpassen.
Wobei... wäre ja eh egal. Gefühlt 50 % der Radfahrer interessieren sich ohnehin nicht für geltende Verkehrsregeln (z.B. Ampeln). Die sind nur für die anderen da.
Ein Helm ist sicher in vielen Situationen sinnvoll (auch wenn das teils umstritten ist).
Jedoch geht es hier um jedermanns eigene ‚Birne‘ und deshalb gehört da auch ein Stück weit Eigenverantwortung und eigene Entscheidungsmacht dazu.
Ich bin ein Gegner davon alles gesetzlich regeln zu wollen!