Ist das Käse oder doch nur ein Imitat?
Hinter langen Bezeichnungen auf der Verpackung verbergen sich häufig Ersatzprodukte. Wie man sie erkennt und warum in Frischkäse manchmal sogar Gelatine steckt.
Wer im Supermarkt aufmerksam die Aufschriften auf den Lebensmittelverpackungen liest, der hat Imitate beziehungsweise Ersatzprodukte schon gesehen. Nur hat er sie vielleicht nicht sofort erkannt, weil darauf nicht prominent „Imitat“ steht. Hersteller bringen solche Produkte auf den Markt, weil sie günstiger produziert werden können. Deshalb haben diese Lebensmittel einen schlechten Ruf. Aber ist dieser gerechtfertigt? Und ab wann ist ein Imitat überhaupt ein Imitat? Wir verraten die Tricks und Kniffe der Hersteller.
Was ist ein Imitat?
Was im Volksmund salopp als Imitat bezeichnet wird, heißt laut Lebensmittelrecht „nachgemachtes Lebensmittel“. Zwar sei die dazugehörige Verordnung sehr allgemein gefasst, erklärt Anja Schwengel-Exner von der Verbraucherzentrale Bayern, einige feste Kriterien müsse das Ersatzprodukt dennoch erfüllen. Erstens: Bevor eine Kopie hergestellt werden kann, muss ein Original-Lebensmittel existieren. Zweitens: Mindestens eine Zutat ist durch eine andere ersetzt worden. Drittens: Das Ersatzprodukt muss deutlich als solches gekennzeichnet sein – sowohl auf Lebensmittelpackungen im Supermarkt als auch auf Speisekarten im Restaurant.
Warum gibt es überhaupt Imitate?
„Ersatzprodukte sind in der Herstellung und Produktion meist billiger“, sagt die Ernährungsexpertin. Daneben entstünden Imitate, wenn das Originalprodukt nicht mehr ausreichend hergestellt werden könne. Im 19. Jahrhundert war das bei Butter so. Als Ersatz kam die Margarine auf dem Markt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kaffee Mangelware, weshalb die Menschen sich mit Kaffeepulver aus Eicheln oder Malz behalfen – auch bekannt als Malzkaffee oder Caro-Kaffee. Ob neue Imitate aufgrund von Essenstrends wie zum Beispiel veganer und glutenfreier Ernährung entstehen? Schwengel-Exner kann das nicht bestätigen: „Analogkäse gab es schon vor der Welle veganer Ernährung.“ Und trotzdem: Wenn Verbraucher diese Lebensmittel nicht kaufen würden, gäbe es auch keine Imitate, sagt die Expertin.
Von welchen Lebensmitteln gibt es Imitate?
Schinken-, Käse- und Garnelen-Imitate kommen sehr häufig vor. Sie alle finden sich in Gastronomie und Supermärkten gleichermaßen. Zu Käse- und Schinkenersatzprodukten sagen viele Analogkäse und Formschinken. Auch Hobbybäcker begegnen Imitaten oft. Als Alternative zu einer Vanilleschote wird das günstigere Vanillin verwendet. Das Ersatzprodukt für Marzipan ist Persipan. Anstatt aus Mandeln besteht Persipan aus günstigeren Pfirsich- oder Aprikosenkernen.
Woran erkenne ich Imitate?
Seit Dezember 2014 gilt die sogenannte Lebensmittelinformations-verordnung. Alle Mitglieder der Europäischen Union sind seitdem verpflichtet, Angaben zu Nährstoffen, der Produktherkunft und Allergenen zu machen. Auch Imitate müssen deutlicher gekennzeichnet werden. Drei Beispiele: Als Käse dürfen ausschließlich Produkte bezeichnet werden, die aus Milch hergestellt werden. Somit lautet die korrekte Bezeichnung für eine Semmel mit Analogkäse „Brötchen mit Backbelag aus einem Erzeugnis aus Pflanzenfett“. Ein Schinken-Imitat wird aus Fleischstücken zusammengeklebt. Es hat einen Fleischanteil von 60 Prozent, der Rest des Produkts sind Wasser, Binde-, Gelier-, und Verdickungsmittel. Dieses Ersatzprodukt trägt die Zusatzbezeichnung: „Aus Fleischstücken zusammengeklebt.“ Nachgemachte Garnelen sehen zwar aus wie Meeresfrüchte, sind aber nichts anderes als ein geformter, orange gefärbter und aromatisierter Fischbrei, der Surimi genannt wird.
Sind Imitate damit deutlich genug gekennzeichnet?
„Die Kennzeichnung ist zumindest viel klarer geworden“, sagt Ernährungsexpertin Schwengel-Exner. Das sehe man vor allem daran, dass die Anfragen der Verbraucher zu diesem Thema weniger geworden seien. Laut Verordnung müssen die Imitatkennzeichnungen gut lesbar direkt neben dem Produktnamen stehen. Auch die Schriftgröße ist festgelegt: Sollte die Produktbezeichnung in der Schriftgröße 16 geschrieben sein, muss der Zusatz mindestens die Größe zwölf haben. Darüber hinaus gebe es ja auch noch eine Zutatenliste und eine Nährstofftabelle, erklärt sie. Trotzdem hänge es vom Verbraucher ab, wie viel Wissen er auf diesem Gebiet mitbringt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass jemand nicht versteht, was der Zusatz „ein Erzeugnis aus Pflanzenfett“ bedeute.
Sind Originalprodukte gesünder als ihre Kopie?
Pauschalisieren könne man nicht, sagt Schwengel-Exner und nennt zwei Beispiele: Originalwurst habe viele gesättigte Fettsäuren, also schlechte Fette. Die Kopie beinhalte Pflanzenfette und dadurch mehr ungesättigte Fettsäuren – die guten Fette. Demnach sei das Imitat gesünder. Wenn jemand allergisch auf Emulgatoren reagiert und diese Bestandteil eines Imitats sind, ist natürlich die Kopie schlechter. Eines sei aber sicher, erklärt die Ernährungsexpertin: Wäre ein Imitat schädlich für die Gesundheit, dürfte es niemals verkauft werden.
Gibt es Lebensmittel, die keine Imitate sind, aber nicht alles halten, was sie auf den ersten Blick versprechen?
Es gebe da einige Beispiele, erklärt die Ernährungsexpertin. Dabei handle es sich zwar um Originalprodukte, die aber in ihrem Aussehen verändert würden, wie zum Beispiel schwarze Oliven. Die seien zwar von Natur aus dunkel, für den Verkauf würden sie aber zusätzlich geschwärzt. Mogeleien seien das aber nicht, da sie deutlich beschriftet seien. Bei einigen Produkten würden Hersteller aber den „gesetzlichen Rahmen ausnutzen“, erklärt die Ernährungsexpertin und spricht in diesem Zusammenhang von „Lücken in der Gesetzgebung“. Ein gutes Beispiel sei Frischkäse. Solange auf der Verpackung die Bezeichnung „Frischkäse“ stehe, müsse das Produkt den hohen Qualitätsanforderungen der Käseverordnung entsprechen. Steht auf der Packung „Frischkäsezubereitung“, gelte diese Verordnung nicht. Dann darf der Hersteller etwa Gelatine hinzufügen. „Anders als bei Imitatkennzeichnungen muss man dabei das Kleingedruckte auf der Rückseite der Verpackung und nicht vorne lesen.“
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