Krankenkasse wechseln: Auf was man bei der Wahl achten sollte
Wenn Zusatzbeiträge erhöht werden, können Mitglieder die Krankenkasse wechseln. Dabei sollte nicht nur auf die Kosten geachtet werden.
Es gibt Worte, die wie ein rotes Tuch sind: „Zusatzbeitrag“ ist eines davon – die meisten gesetzlich Krankenversicherten spüren unweigerlich Wut in sich aufsteigen, wenn es fällt. Und schon bald könnte es in der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV, soweit sein, dass man dieses Wort häufiger liest und hört. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, hat jüngst jedenfalls schon mal damit gedroht: „Um einen flächendeckenden Anstieg der Zusatzbeiträge im kommenden Jahr zu vermeiden, braucht es für 2021 einen extra Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds“, so die Verbandschefin.
Der Grund: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Ausgaben für die medizinische Versorgung auch ohne Corona-Effekte weiter ansteigen werden, während die Einnahmesituation ab dem kommenden Jahr aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr schwierig wird“, sagte Pfeiffer. Daher bedürfe es einer großen gemeinsamen Anstrengung aller Akteure im Gesundheitswesen und der Politik, um die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung auch im kommenden Jahr zu sichern.
Krankenkasse wechseln: Sonderkündigungsrecht nutzen
Gesetzlich Krankenversicherte müssen aber die höheren Beiträge nicht zwangsläufig akzeptieren: Mit Erhebung eines Zusatzbeitrags durch ihre Krankenkasse oder dessen Erhöhung haben sie ein Sonderkündigungsrecht und können zu einem günstigeren Konkurrenten wechseln. Wenn eine Kasse einen Zusatzbeitrag erheben oder den bestehenden Zusatzbeitrag erhöhen will, muss sie ihre Mitglieder spätestens einen Monat zuvor darüber informieren und auf das Sonderkündigungsrecht aufmerksam machen.
Mitglieder, die ihr Sonderkündigungsrecht wahrnehmen möchten, können dies mit einem formlosen Brief an die bisherige Krankenkasse tun – und zwar bis zum Ende des Monats, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder erhöht wird. Anschließend müssen sie einer neuen Kasse beitreten und davon eine Bestätigung an die bisherige Krankenkasse schicken. Ist das bis zum Ende des übernächsten Monats nach der Kündigung geschafft, ist der Wechsel vollzogen.
Ein Kassenwechsel ist aber prinzipiell jederzeit machbar. Allerdings besteht eine gesetzliche Mindestbindungsfrist: „Ein Wechsel ist in der Regel nur alle eineinhalb Jahre möglich“, sagt Jochen Sunken von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und tritt dann zum Ende des übernächsten Kalendermonats in Kraft. Wer über einen Wahltarif versichert ist und etwa einen Selbstbehalt vereinbart hat, ist seiner Kasse allerdings mindestens drei Jahre zur Treue verpflichtet.
Leistungsunterschiede bei Krankenkassen: Teilweise wird Homöopathie oder Osteopathie bezuschusst
Generell lohnt bei der Wahl der Krankenkasse aber nicht nur der Blick auf den Preis. Ebenso kommt es auf die angebotenen Zusatzleistungen an. Die allermeisten Leistungen sind zwar gleich – unabhängig davon, um welche gesetzliche Krankenkasse es sich handelt. Es gibt aber doch einen gewissen Anteil an Service- und Leistungsbereichen, in denen sich die Kassen unterscheiden. Verbraucherschützer Sunken nennt als Beispiel für Leistungsunterschiede die teilweise Kostenübernahme von Osteopathie oder Homöopathie. Attraktiv können für die Versicherten auch Bonusprogramme sein, bei denen die Kassen Prämien bieten, wenn man Vorsorgechecks nutzt.
Zum bundesweit einheitlichen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört etwa die Behandlung beim Arzt, der frei gewählt werden kann. Der Arzt muss lediglich eine Kassenzulassung vorweisen können. Die Kasse zahlt zudem die vom Arzt verordneten Medikamente, Versicherte müssen pro Medikament einen Eigenanteil von bis zu zehn Euro leisten. Die Kasse finanziert zudem eine Vielzahl von Vorsorgeuntersuchungen. Außerdem kommt sie natürlich für Krankenhausbehandlungen auf, wobei Patienten ab dem vollendeten 18. Lebensjahr auch hier eine Zuzahlung von zehn Euro pro Behandlungstag leisten müssen. Gesetzlich Versicherte haben zudem Anspruch auf Heilmittel wie Physio-, Ergo- und Sprachtherapie sowie auf Hilfsmittel.
Ein wichtiger Unterschied zwischen den Kassen ist der Service. „Manche Kassen setzen eher auf einen digitalen oder telefonischen Service, andere halten ein dichteres Filialnetz vor“, sagt Sunken. Wer Wert auf Beratung vor Ort legt, sollte eine Kasse auswählen, die eine Geschäftsstelle in der Nähe hat. Etliche Kassen haben Extras im Angebot: Reiseimpfungen etwa oder zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen. Oft, aber eben nicht immer, übernehmen sie auch die Kosten für eine professionelle Zahnreinigung.
Wichtiges Kriterium für viele: Haushaltshilfe
Und wenn die Krankenkasse im Fall einer längerfristigen Erkrankung eine Haushaltshilfe stellt, kann das gerade für Eltern eine große Entlastung sein. Laut Gesetz endet dieser Anspruch, wenn das Kind zwölf Jahre alt ist. Da ist es von Vorteil, wenn die Krankenkasse das Alter des Kindes auf 14 heraufgesetzt hat oder die Haushaltshilfe grundsätzlich gewährt, unabhängig davon ob ein Kind im Haushalt lebt.
Wichtig ist also, sich das Gesamtpaket genau anzusehen: Wie hoch ist der Zusatzbeitrag? Welche Leistungen und Zusatzangebote gibt es –und nutze ich diese auch? Wie attraktiv ist das Bonusprogramm für mich und meine Familie?
„Ein Wechsel einzig mit Blick auf nur einen dieser Faktoren ist nicht zu empfehlen“, sagt Verbraucherschützer Sunken. So spart ein oder zwei Promillepunkte niedrigerer Zusatzbeitrag zwar Geld. Das steht aber möglicherweise nicht im Verhältnis zu schlechteren Leistungen der Krankenkasse. Eine teurere Krankenkasse muss also nicht zwingend die schlechtere Wahl sein – auf das Preis-Leistungs-Verhältnis kommt es an.
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