
Wie miste ich meinen Kleiderschrank aus?


Das Problem kennen viele: Man steht vor einem vollen Schrank und weiß nicht, was man anziehen soll. Anuschka Rees erklärt, wie sich das ändern lässt.
Frau Rees, Sie haben das Buch „Das Kleiderschrank-Projekt“ geschrieben. Darin geht es darum, wie man seinen Schrank ausmistet – nämlich indem man seinen eigenen Stil findet. Wie würden Sie denn Stil definieren?
Rees: Stil hört sich sehr hochgestochen an. Da denkt man an extravagante Leute. Aber Stil bedeutet einfach, dass man weiß, das sind die Farben, die ich gerne mag, in diesen Materialien und Schnitten fühle ich mich wohl. Aus meiner Sicht kann Stil auch bedeuten, jeden Tag Jeans und ein weißes T-Shirt zu tragen. Das hört sich so simpel an, aber viele Menschen kaufen Kleidung aus ganz anderen Gründen. Wegen der Empfehlung eines anderen oder weil etwas gerade im Trend liegt. Und nach einer Weile denken sie: So richtig gefällt mir das gar nicht. Deswegen ist es mir wichtig, dass die Menschen erst wissen, was ihr Stil ist, bevor sie ihren Kleiderschrank ausmisten.
Wenn man bislang nach dem Prinzip eingekauft hat: Ich gehe in einen Laden, schaue, was mir gefällt und passt und nehme das mit. Welchen Tipp haben Sie dann, wie man herausfindet, was man wirklich mag?
Rees: Das geht in zwei Schritten. Der erste ist der Blick in den eigenen Kleiderschrank. Auch da hängen Lieblingsteile. Dann kann man überlegen: Wie unterscheiden sich die Lieblingsteile von Fehlkäufen. Der zweite Schritt ist, sich Inspirationen zu suchen – etwa in Blogs, sozialen Medien oder in Mode-Zeitschriften. Da guckt man, welche Kleidung spricht einen an. Oder schaut, was man sich vorstellen könnte, selbst zu tragen.
"Wenn dir etwas gefällt, dann trage es"
Und wenn einem nur Dinge gefallen, die nicht zur eigenen Figur passen?
Rees: Ich glaube nicht an die Idee, dass basierend darauf, ob man mehr oder weniger Oberschenkel hat oder eine größere oder kleinere Oberweite, man bestimmte Schnitte nicht tragen kann, dafür aber bestimmte Schnitte tragen muss. Ich sage immer: Wenn dir etwas gefällt, dann trage es. Egal, ob es dir nach herkömmlichen Vorstellungen stehen soll oder nicht.
Wie geht es weiter? Man weiß nun, was man tragen möchte und beginnt, den Schrank auszumisten. Was gehört gar nicht mehr wieder hinein?
Rees: Ich bin kein großer Fan von Listen wie: zehn Teile, die jede Frau braucht. Aber es gibt Anhaltspunkte. Klamotten, die wirklich nicht mehr passen, kommen raus. Genauso ist es mit Kleidungsstücken, die sich nicht gut anfühlen. Bei denen man denkt: „Ich freue mich auf heute Abend, wenn ich das wieder ausziehen kann.“ Weil sie kratzen oder spannen. Auch Dinge, die kaputt sind und sich nicht mehr reparieren lassen, müssen draußen bleiben. Im zweiten Schritt kann man überlegen: Was hatte ich schon über ein Jahr lang nicht mehr an, weil es mir zum Beispiel nicht mehr gefällt? Das kommt auch raus.
Wenn man auch das Ausmisten hinter sich gebracht hat, kann es dann nicht leicht passieren, dass man wieder vor dem Schrank steht und denkt: Jetzt habe ich nichts zum Anziehen? Dann fährt man wieder in die Stadt und kauft das nächstbeste Teil.
Rees: Das Problem ist, dass viele Menschen Shoppen als Hobby ansehen. Sie gehen nicht einkaufen, weil sie etwas Besonderes haben wollen. Es geht ihnen nur um den Akt des Shoppens an sich. Diese Menschen können sich überlegen, warum sie shoppen gehen. Was verbinden sie damit? Ist das Spaß oder Entfaltung der Kreativität oder Entspannung? Oder machen sie es, weil sie dabei mit Freunden unterwegs sind, also aus einem gesellschaftlichen Gesichtspunkt? Wer ergründet hat, warum er shoppen geht, kann überlegen, ob es nicht etwas anderes gibt, das die gleichen Bedürfnisse befriedigt. Und dann kauft man auch nicht mehr irgendwelchen Quatsch.
Wie kann eine gute Garderobe aussehen?
Wie kamen Sie denn darauf, ein Buch über die Themen Ausmisten und den eigenen Stil zu schreiben?
Rees: Ich habe in London studiert, einer Stadt, in der man sehr gut shoppen kann. Und da ich damals nur ein Studenten-Budget hatte, habe ich mir sehr günstige Teile gekauft. Ich hatte viele verschiedene Klamotten und trotzdem ging es mir häufig so, dass ich vor meinem Kleiderschrank stand und dachte: „Ich habe nichts zum Anziehen.“ Schon damals habe ich einen Blog geschrieben und begonnen, mich näher damit zu beschäftigen, wie eine gute Garderobe aussehen kann. Außerdem habe ich Psychologie studiert. Dabei habe ich gelernt, wie Werbung uns davon überzeugen will, kurzfristige Entscheidungen zu treffen, Geld auszugeben, ohne darüber nachzudenken. Also habe ich mir überlegt, wie ich anders Kleidung einkaufen kann. Daraus ist ein Buch entstanden.
Haben Sie heute noch manchmal das Gefühl, nichts passendes zum Anziehen zu haben?
Rees: Nein. Wenn es um meinen Alltag geht, fühle ich mich ganz gut ausgestattet. Und es ist schön, dass ich morgens nicht mehr so viel Zeit brauche, um mir darüber klar zu werden, was ich anziehen möchte. Ich kann einfach sagen, ich nehme irgendwas aus meinem Kleiderschrank und das passt und gefällt mir.
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