So schlau sind Schweine
Schweine sind unterschätzte Tiere. Sie sind schlau und können taktieren. Marianne Wondrak verbringt viel Zeit mit 39 Schweinen.
Schweine haben es meiner Kollegin, der Tierärztin Marianne Wondrak, seit jeher angetan. Sie leitet eine ganz spezielle Forschungsgruppe, das „Clever Pig Lab“ des Messerli Forschungsinstituts der Vetmeduni Wien mit seinen 39 grunzenden Tieren. Ja, das gibt es wirklich! Und weil Marianne Wondrak am allerbesten selbst schildern kann, was sie erlebt und erforscht, lehne ich mich in der heutigen Kolumne bequem zurück und lasse sie erzählen:
„Unsere Schweine, es sind 39 Kune-Kune-Schweine, haben echte Persönlichkeiten. Manchmal komme ich mir vor wie in einer Schulklasse. So unterschiedlich wie die Kinder sind auch unsere Schweine. Es gibt ganz ehrgeizige und strebsame unter ihnen, rabiate Tiere, aber auch Faulenzer und Kuschelbären. Und man darf sich durch die Optik nicht täuschen lassen. Einer unserer stärksten und größten Eber ist ein Kuschelbär. Außen wie ein Elefant, innerlich ein Miezekätzchen. In unseren Experimenten lassen wir die Schweine unter anderem am Bildschirm arbeiten. Sie müssen mit dem Rüssel unterschiedliche Bilder berühren. Wir wollten wissen: Können Schweine mit rein visuellen Reizen Bilder in Kategorien einteilen? Das ist schon deswegen interessant, weil der Sehsinn bei den Schweinen ja nicht besonders ausgeprägt ist.
Schweine erkennen menschliche Gesichter
Am wichtigsten ist der Rüssel. Riechen und tasten kommen vor dem Sehen. Aber es war trotzdem erstaunlich, denn die Schweine konnten das unglaublich gut. Wir haben ihnen sehr unterschiedliche Bilder von menschlichen Gesichtern gezeigt, verschiedene Haarfarben, Frisuren und Hautfarben und verschiedene Altersklassen. Die Schweine konnten dennoch hoch signifikant diese Bilder in die Klasse Gesicht einordnen und von der Klasse Hinterkopf unterscheiden. Einige Tiere haben zu hundert Prozent richtig gewählt.
Daneben untersuchen wir auch das soziale Leben der Tiere. Wir analysieren unter anderem die sozialen Netzwerke. Wer ist im Zentrum der Gruppe, wer ist eher eine Randerscheinung? Und wer unterhält welche Verbindungen zu wem. Das ist entscheidend, weil uns auch zum Beispiel die Informationsübertragung, also das soziale Lernen, interessiert.
Unter Ebern gibt es Kameradschaften
Es gibt bei den Schweinen definitiv Sympathien und Antipathien. Unter den Ebern finden wir richtige Kameradschaften. Befreundete Tiere helfen sich sogar gegenseitig. Wenn zum Beispiel unser Eber Zeppelin mit einem anderen Tier rauft, kommt sofort Zacharias angetrabt, um sich einzumischen. Zacharias ist nämlich Zeppelins bester Freund und unser ranghöchster Eber. So kann es Zeppelin auch mit Tieren aufnehmen, die eigentlich stärker sind als er. Aber nur, wenn Zacharias in der Nähe ist und aufpasst.
Das war nicht immer so. Bei Zeppelin erkennen wir eine gewisse Schlitzohrigkeit. Früher war er nämlich der beste Freund von Eber Zeus. Dann gab es in der Struktur der Gruppe deutliche Änderungen: Zacharias ist zum obersten Eber aufgestiegen. Kaum hatte Zeppelin gespürt, dass sich die Machtverhältnisse ändern, ließ er seinen alten Kumpel Zeus links liegen und suchte immer stärker die Nähe zu Zacharias, also zum neuen Boss. Diese Strategie ging auf, jetzt ist der neue Chef sein bester Freund und Zeus ist für Zeppelin abgehakt.
Oft werde ich gefragt, ob Hunde oder Schweine schlauer sind. Vergleiche zwischen den Arten sind aber extrem schwierig. Nach unserem Versuchsvergleich am Bildschirm muss man in Summe sagen: Die schenken sich nichts.
Das Training ist aber mit den Schweinen eine Spur einfacher, denn sie reagieren extrem schnell, wollen gefallen und alles richtig machen.“
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.
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