Glücklich Schweine, Hühner mit vollem Gefieder und Kühe, die sich gerade noch auf der Weide gesonnt haben, bevor sie der Kunde in der Wursttheke wiederfindet. Das ist oft das Bild, mit dem die Lebensmittelindustrie ihre tierischen Produkte bewirbt. Um Kunden Informationen und Orientierung zu bieten, hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nun ein staatliches Tierwohl-Gütesiegel präsentiert. "Tierwohlkennzeichen" soll es heißen.
Das soll das neue Tierwohl-Gütesiegel von Julia Klöckner bieten
Es existiert derzeit ein ganzer Wald an Siegeln, Labels und Symbolen, die für artgerechte Haltung stehen wollen. Doch was ist "Öko" und "Bio" und was hilft den Tieren? Daniela Krehl von der Bayerischen Verbraucherzentrale erklärt den Unterschied zwischen Bio- und Tierwohlsiegeln: "Bei vielen gängigen Bio-Siegeln wird die Art der Schlachtung und des Tiertransports nicht berücksichtigt." Zwar würden viele Bio-Bauern auf das Tierwohl von der Aufzucht bis zur Schlachtung achten, eine Garantie gebe ein herkömmliches Bio-Siegel jedoch nicht.
Das neue staatliche Siegel, das sich auf die Schweinehaltung konzentriert, berücksichtigt in seinen Kriterien das Wohl der Tiere und setzt klare Grenzen. Statt einer maximalen Transportzeit von 24 Stunden soll das Maximum bei Produkten mit dem staatlichen Gütesiegel bei acht Stunden liegen. Kehl befürwortet das und hebt einen weiteren Fortschritt hervor: Fahrer, die diese Produkte transportieren, werden auf den richtigen Umgang mit den Nutztieren geschult. Die Tiere sollen sicher transportiert werden, ohne Panik, die Umgebung dabei nicht zu heiß und nicht zu kalt sein.
Lange habe man am runden Tisch getagt, sagt Krehl. Für die Verbraucherzentrale Bayern bleibt das Siegel jedoch hinter manch einer Erwartung zurück. Die ursprüngliche Forderung der Zentrale: 30 Prozent mehr Platz für Tiere in der Haltung. Doch das staatliche Siegel schreibt lediglich ein Plus von 20 Prozent vor. "Die Einstiegsstufe des Siegels ist noch unzureichend für einen Mehrwert an Tierwohl", sagt Krehl.
Das amtliche Siegel tritt nun in Konkurrenz zu einer Vielzahl an privatwirtschaftlichen Gütelabels und Marken. "Mir fällt es schwer, diese Siegel mit Kriterien in Einklang zu bringen und spontan zu wissen, was sie bedeuten", sagt Krehl. "Man müsste eine Doktorarbeit verfassen, um die Unterschiede zu verstehen." Sie spricht von einem Wirrwarr ohne Überblick. Deshalb sei immer wieder der Ruf nach einem staatlichen Siegel laut geworden.
Diese privatwirtschaftlichen Güte-Siegel für Tierwohl gibt es bislang
Für mehr Tierschutz: Seit 2013 prägt der Deutsche Tierschutzbund sein eigenes Gütesiegel, das artgerechte Tierhaltung in der Lebensmittelproduktion garantieren soll. Das System "Für mehr Tierschutz" unterscheidet zwei Qualitäts-Stufen: Einstieg und Premium. Die Einstiegsstufebeinhaltet mehr Tierschutz als der gesetzliche Mindeststandard, aber laut Einschätzung der Verbraucherzentrale "noch kein sehr hohes Tierschutzniveau". Das betont auch der Naturschutzbund in einem Qualitätscheck der Gütesiegel: "Erst die Premiumstufe kennzeichnet eine tiergerechte Haltung." Die Tiere haben noch mehr Platz im Stall und können zwischen unterschiedlichen Bereichen wechseln, durch Auslauf im Freien oder offene Stallbereiche.
Die Einstiegsstufe "Für mehr Tierschutz"
Masthühner: Langsameres Wachstum der Tiere für bessere Gesundheit, Ställe mit mehr Platz und Strukturelementen (zum Beispiel Sitzstangen, Strohballen), Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel, Stallanbau mit Außenklima ("Kaltscharrraum"), eine maximale Transportdauer von vier Stunden, schonende Schlachtung
Mastschweine: Verbot der betäubungslosen Kastration männlicher Ferkel, Verbot des Schwänzekürzens (Ausnahmen sind in begründeten Einzelfällen möglich), Ställe mit mehr Platz und getrennten Liege- und Aktivitätsbereichen, Stroh und weitere Materialien zur Beschäftigung, Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel, eine maximale Transportdauer von vier Stunden und eine maximale Transportstrecke von 200 Kilometern, schonende Schlachtung
Legehennen: Mehr Platz im Stall, Einstreu zum Beispiel aus Stroh zum Picken, Scharren und Sandbaden, Beschäftigungsmaterial, Kaltscharraum, Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel, Bestandsobergrenze
Die Eier sind entsprechend der EU-Bestimmungen als "Eier aus Bodenhaltung" gekennzeichnet, da die Legehennen keinen Auslauf im Freien haben.
Milchkühe: Enthornung nur unter Betäubung und mit Schmerzmittelgabe erlaubt, eine Bestandobergrenze von 600 Tieren pro Betrieb, Viel Platz im Stall (Sechs Quadratmeter Stallfläche pro Tier), eingestreute Liegefläche, Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel, eine maximale Transportdauer von vier Stunden, schonende Schlachtung
Das sind die Kriterien für die Einstiegsstufe:
Die Premiumstufe "Für mehr Tierschutz"
Masthühner: Zusätzlich zu den Anforderungen der Einstiegsstufe erfordert die Premiumstufe eine Mastdauer von mindestens 56 Tagen, Ställe mit noch mehr Platz und Auslauf.
Mastschweine: Zusätzlich zu den Anforderungen der Einstiegsstufe erfordert die Premiumstufe ein Verbot des Schwänzekürzens, Ställe mit noch mehr Platz, Liegebereich mit Langstroh eingestreut, Außenklimakontakt durch Auslauf oder offene Stallfront
Legehennen: Zusätzlich zu den Anforderungen der Einstiegsstufe erfordert die Premiumstufe einen Auslauf im Freien von vier Quadratmetern pro Tier im Einklang mit den EU-Anforderungen für Eier aus Freilandhaltung.
Milchkühe: Zusätzlich zu den Anforderungen der Einstiegsstufe erfordert die Premiumstufe einen Zugang zur Weide oder einem Laufhof, eine Bestandobergrenze von 350 Kühen pro Betrieb.
Das sind die Kriterien für die Premium-Stufe:

Initiative Tierwohl: Sie setzt sich dafür ein, dass Hühnchen, Puten und Schweine besser gehalten werden. Landwirte, die sich bei der Gesellschaft zertifizieren lassen, bieten ihren Tieren zum Beispiel zehn Prozent mehr Platz im Stall, als es das Gesetz vorsieht. Außerdem bekommen die Tiere ein zusätzliches Beschäftigungsangebot. Auch fast alle großen Supermärkte nehmen teil: Aldi, Lidl, Edeka, Kaufland, Rewe Penni und Netto sind dabei. Für jedes verkaufte Kilo Fleisch zahlt der Handel 6,25 Cent auf ein Tierwohlkonto ein. Das Geld geht an die Initiative, die es wiederum an die beteiligten Landwirte weitergibt. Die Bauern können so ihren Mehraufwand finanzieren.
Seit April 2018 prangt das Siegel der Initiative auf allen Geflügelfleisch-Produkten der teilnehmenden Betriebe. Bei Schweinefleisch arbeitet die Gesellschaft noch an der Umsetzung. Die Verbraucherzentralen begrüßen das Siegel, bemängelt aber, dass die Haltungsbedingungen derzeit nur wenig über den gesetzlichen Vorgaben liegen. Zusätzlich hat die Initiative das Lable „Haltungsform“ auf den Markt gebracht. Dort werden in vier Stufen von Stallhaltung (1) bis Premium (4) angegeben, wie ein Tier gelebt hat. Wichtig sind dabei zum Beispiel der Platz, den ein Tier hatte, ob es Zugang nach draußen hatte und welche Beschäftigungsmaterialien im Stall vorhanden waren. Je höher die Stufe, desto höher sind auch die Anforderungen an die Tierhalter. Auch daran beteiligen sich die genannten Märkte. Dieses Siegel gibt es auch für Rinder- und Kalbfleisch.
Neuland: "Neuland" wurde 1988 in Bonn ins Leben gerufen, als "Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung". Die Initiatoren waren der Deutsche Tierschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Auf seiner Homepage listet der Verein Neuland die wichtigsten Kriterien für das Label auf, unter anderem eine Haltung auf Stroh ohne Fixierung, Auslauf ins Freie beziehungsweise Weidehaltung, Tageslicht im Stall, die Verwendung von ausschließlich regionalen Futtermitteln und keine präventive Antibiotikabehandlung.
In seinem Siegel-Qualitätscheck bezeichnet der Naturschutzbund Deutschland das Neuland-Label als "ein sehr anspruchsvolles Programm für artgerechte Tierhaltung". Er weist aber auch darauf hin, dass Neuland nicht durchwegs reine Bio-Ware anbietet. Beim Ackerbau zur Futterproduktion würden auch konventionelle Dünge- und Pflanzenschutzmitteln eingesetzt, die im Bio-Anbau nicht erlaubt sind. 2014 geriet Neuland allerdings massiv in die Kritik: Damals berichtete unter anderem der Deutschlandfunk über grobe Mängel in der Qualitätskontrolle des Siegels.

Tierschutz-kontrolliert: Hinter dem Güte-Siegel "Tierschutz-kontrolliert" steht die gemeinnützige Tierschutz-Organisation "Vier Pfoten". Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte sie bisher vor allem durch Aktivismus, mit Kampagnen und Projekten zum Tierschutz. Doch auch ein Gütesiegel gehört zum Programm der österreichischen Organisation, die auch international aktiv ist. Die gemeinnützige Privatstiftung unterscheidet dabei zwischen Produkten in zwei Qualitätsstufen, in Silber und Gold. Die allgemeinen Kriterien sind größeres Platzangebot, Stallstrukturierung, Beschäftigungsmaterial, Tageslicht und Auslauf sowie eine Begrenzung der Transportzeiten auf das geringstmögliche Maß.

Im Siegelcheck des Naturschutzbundes fällt das Fazit für das Label gemischt aus: "Die Einstiegsstufesoll den Landwirte die Umstellung erleichtern. Artgemäße Tierhaltung im Sinne des Tierschutzes verspricht jedoch nur die Gold-Stufe." Der Unterschied zwischen Silber und der Gold erklärt der Verein am Beispiel der Rinderzucht: Beim Gold-Standard sei zum Beispiel ein zusätzlicher Laufhof vorgeschrieben. Außerdem dürfen den Tieren hier nicht die Hörner abgenommen, was in der Silber-Stufe unter Sedierung und Schmerzbehandlung erlaubt ist.
Der Naturschutzbund überprüft die Tierwohl-Labels
Während die Anbieter von Gütesiegel die Produktion kontrollieren, kontrolliert der Naturschutzbund wiederum die Gütesiegel: Der Siegel-Check der Verbands will Konsumenten eine Orientierung in der Vielfalt an Labels bieten.