Hier lagert das Gedächtnis einer Marke
Jedes größere Autounternehmen betreibt ein Archiv. Was wird da eigentlich alles aufbewahrt? Ein Streifzug.
Lange Reihen von Aktenordnern mit vergilbtem Papier. Dazu Hängeregisterschränke voll Informationen. Archive von Herstellern bewahren deren Dokumente, Fotos und Filmmaterial auf. „Ein Archiv ist das Gedächtnis eines Unternehmens und ein wichtiger Bestandteil im Verwaltungsprozess“, sagt Ulrike Gutzmann, verantwortlich für das Konzernarchiv von Volkswagen. Es bewahre das Wichtige und lege es bei Bedarf vor. „Damit sichert es die Handlungsfähigkeit des Unternehmens für die Zukunft.“
Der Anspruch sei, Informationen und Dokumente aus Vergangenheit und Gegenwart zu bewahren und nutzbar zu machen. Die Unterlagen werden in der Regel in ihrem Entstehungszusammenhang abgegeben. Dieser bleibt gewahrt, denn er dient dazu, die Aussagefähigkeit eines Dokuments einzuschätzen und ist damit eine wichtige Information.
Das VW-Konzernarchiv wurde 1997 gegründet. Es ist zuständig für die Historie des Konzerns sowie der Marken VW und VW Nutzfahrzeuge. Neun Mitarbeiter kümmern sich darum. Fast täglich nutzen Wissenschaftler oder Journalisten Unterlagen vor Ort. Hinzu kommen pro Jahr bis zu 4000 Anfragen. Das Archiv arbeitet eng mit internen Abteilungen zusammen, die historische Dokumente und Informationen für unterschiedliche Zwecke benötigen, etwa Marketing und Kommunikation, aber auch Design und Rechtswesen.
VW kann auf neun laufende Regalkilometer Akten zurückgreifen. In einer speziellen Software sind über 1,3 Millionen Einträge enthalten. Die ältesten Unterlagen stammen aus den 1930er Jahren, die jüngsten sind Publikationen aus dem laufenden Jahr.
Bei Porsche gab es bereits ab 1940 eine lose Sammlung von historischen Unterlagen des Konstrukteurs Ferdinand Porsche, noch vor der eigentlichen Gründung des heutigen Unternehmens. Seit 1982 arbeitet das Archiv, das die wichtigen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situationen des Unternehmens festhält. „Unsere Geschichte trägt zum Markenbewusstsein bei. Tradition ist die Innovation aus der Vergangenheit“, sagt Archivleiter Frank Jung. So sei auch der Technik-Transfer von der Rennstrecke in die Serie bei Porsche kein Spruch. „Wir können das alles schriftlich belegen.“
Das „Geschäft“ beginnt zehn Jahre nach Auslaufen des Modells
Derzeit sammeln neun Mitarbeiter Broschüren, Kataloge, Produktionszahlen, Strategiepapiere, Entwurfsskizzen und Entwicklungsunterlagen aus den Fachabteilungen, die diese für die aktuelle Arbeit nicht mehr benötigen. „In der Regel beginnt unser Geschäft erst zehn Jahre, nachdem ein Modell nicht mehr im Markt ist“, sagt Jung. „Die Kunst ist es dabei, nicht blind zu horten, sondern zu entscheiden, was historisch relevant ist.“ Das sei deshalb wichtig, damit künftige Generationen ein unverfälschtes Bild von Unternehmensentscheidungen und Vorgängen nachzeichnen können. Nicht nur in drei Jahren, sondern noch in 300 Jahren.
Bisher kamen 2,5 Kilometer Aktenregale zusammen. Das älteste Dokument stammt von 1887 und ist ein Foto der Familie Porsche. Eine besonders wertvolle Archivalie ist die erste Zeichnung des Porsche-Wappens von 1952. Etwa 6000 Anfragen pro Jahr erreichen das Archiv, viele aus internen Abteilungen und dem Museum, die meisten aber von Journalisten und Autoren. Anfragen zum eigenen Auto, wie etwa zum damaligen Auslieferungszustand werden heute über die Porsche Classic Zentren beantwortet.
Bei BMW stammt der erste Hinweis auf ein historisches Archiv aus den frühen 1940er-Jahren. Anfangs waren das Registraturen und ein Archiv für technische Dokumente, teilweise sammelten Mitarbeiter auch Fotos und Prospekte. Zum 50. Firmenjubiläum 1966 entstand eine Festschrift mit vielen Infos und Daten, die anschließend sortiert und abgelegt wurden. Beim Bau des Museums 1973 entwickelte sich daraus ein Archiv. Mit Gründung der Sparte Mobile Tradition 1994 wurden verschiedene Sammlungen zusammengelegt und das Archiv ausgebaut. Heute umfasst es etwa 41 000 Druckschriften, 2,5 Regalkilometer mit Akten und wird von zehn Mitarbeitern gepflegt.
„Bei uns finden sich alle Unterlagen, die im Unternehmen für den aktuellen Geschäftsverkehr nicht mehr gebraucht werden und die aus historischer Sicht von Bedeutung sein können“, sagt Archivleiter Fred Jakobs. Für ihn ist wichtig, dass BMW glaubwürdig in den Aussagen ist und das belegen kann. Bis zu 10000 Anfragen erhält er pro Jahr. Viele Unterlagen wie Betriebsanleitungen, Ersatzteillisten, Prospekte und Werkstatthandbücher liegen mittlerweile digital vor und können online abgerufen werden. Kunden oder Historiker können auch selbst vor Ort im Archiv recherchieren.
All das zu sammeln und zu bewahren, was für die Dokumentation des Unternehmens und seiner Produkte von Bedeutung ist. Darin sieht Gerhard Heidbrink vom Mercedes-Archiv die Aufgabe. Gerade als ältestem Automobilhersteller der Welt falle Mercedes eine besondere Bedeutung zu. Ein Konvolut an Dokumenten zur Benz-Patentschrift von 1886 schaffte es 2011 ins Weltdokumentenerbe der UNESCO. Die Patentschrift von 1886 gilt als Geburtsurkunde des Automobils. (dpa)
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