Der neue VW Polo im Test: Golf im Schafspelz
Von wegen Kleinwagen! Der Polo ist durch und durch erwachsen geworden. Wie nahe kommt er dem größeren Bruder?
Zugegeben, „Golf im Schafspelz“ trifft das Aussehen des Polo nicht wirklich. Der Kleine ist optisch alles andere als harmlos, zeigt vielmehr mit seinem geradlinigen, kantigen Design, wie man Autos heute zeichnet. Andererseits versteckt sich unter dem schicken Blechkleid gefühlt doch ein anderer, größerer – und das wäre in der VW-Familie eben der berühmte Golf.
Mit stattlichen 4,05 Metern ist die aktuelle sechste Generation des Polo sogar ein bisschen länger als die dritte Generation des Golf der 90er Jahre. Kritiker stellen da die Frage, warum selbst Kleinwagen heutzutage immer größer werden müssen. Andererseits: Was ist so verkehrt daran, dass vier Erwachsene in einem Polo inzwischen ausreichend Platz finden? Selbst auf der Rückbank sitzt es sich kommod; vorbei sind zudem die Zeiten, in denen sich die Hinterbänkler beim Einsteigen verrenken mussten.
Dass sich alle auf Anhieb wohl fühlen, liegt auch am Interieur-Ambiente des Polo. Das präsentiert sich ausgesprochen erwachsen. Der Wagen besitzt keinen notcoolen Cityflitzer-Schnickschnack, sondern das aufgeräumteste und klarste Cockpit seiner Klasse. Unweigerlich kommt einem das klassische „edle Einfalt, stille Größe“ in den Sinn. Dabei ist das Bedienkonzept hochmodern. Der Berührbildschirm spricht perfekt an, überdies bieten Tasten am Lenkrad die Chance, auf die wichtigsten Funktionen direkt zuzugreifen und den Blick auf der Straße zu belassen. Dass heute selbst im Kleinwagensegment kaum Extra-Wünsche offen bleiben, beweisen Annehmlichkeiten wie Abstandstempomat und Einparkhilfe. Letztere nimmt den gut vier Metern Auto selbst im engsten Stadtverkehr den Schrecken. Beste Unterhaltung liefert die peppige Ausstattungsvariante „Beats“ (ab 17025 Euro), die mit einer 300-Watt-Soundanlage inklusive Subwoofer punktet. Mehr Bass geht nicht in dieser Klasse.
Auf der Höhe der Zeit befindet sich die Motorenauswahl, aus der der Einliter-Turbobenziner hervor sticht. Er kann zwar das Dreizylinder-typische Pötteln nicht vollends leugnen, erweist sich sonst aber als prima Partner für den Polo. Ohne jedes Turboloch legt der Kleine los, sprintet munter auf hundert Sachen und schwimmt sogar auf der Autobahn bei 170, 180 km/h tapfer mit. Das fühlt sich nach mehr an als nach nominell 95 PS. Durch das für diesen Motor erhältliche Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe wird die Kraft exzellent verwaltet. Die Gangwechsel erfolgen im exakt richtigen Timing; und wer den Polo mit den Wippen am Lenkrad schaltet, kann richtig Spaß haben. Einzig der Spritverbrauch gibt Anlass zu leiser Kritik. Sieben Liter genehmigte sich der Kleine in der Praxis. Vermutlich hätte ein „richtiger“ Vierzylinder bei gleicher Fahrweise nicht mehr geschluckt.
Dass der Polo eigentlich für die City geschaffen ist, aber ausgerechnet auf der Langstrecke die beste Figur macht, war die größte Überraschung in unserem Test. Er zeigt auf der Autobahn einen herausragenden Geradeauslauf – in der Klasse ist das nicht selbstverständlich – und hält sich in der Geräuschentwicklung vornehm zurück. Das empfiehlt ihn durchaus für längere Urlaubsfahrten, zumal auch das Gepäckabteil üppig dimensioniert ist. Wer die Laderaumabdeckung aushängt, kann großzügig bis unters Dach packen. Auf dem Papier fasst der Kofferraum mindestens 351 Liter, das sind nur 29 weniger als beim Golf! Näher dran am großen Bruder ist der Polo in keiner anderen Disziplin. Er verdient das Prädikat „erstwagentauglich“. Aber ob er der bessere Golf ist? Mit Preisen ab 12975 Euro zumindest der billigere.
Die Diskussion ist geschlossen.