Die neue Mercedes A-Klasse: Das Auto von morgen
Eine Art Alexa auf Rädern: Mercedes hat den Kompaktwagen neu erfunden. Die erwachsen gewordene A-Klasse zeigt, wohin die Reise geht im Automobilbau. Der erste Test.
Wenn bei der Vorstellung eines Autos mehr von „Konnektivität“ und „Nutzererfahrung“ gesprochen wird als von Pferdestärken, sagt das viel aus über das neue mobile Zeitalter, in dem wir leben - oder leben sollen. Mercedes hat nun mit der A-Klasse ein Auto auf die Räder gestellt, das wie kein zweites aktuelles Massenfahrzeug die Digitalisierung an Bord nimmt. Konnektivität steht dabei für die ständige Internet-Verbindung zur Datenwolke und all ihren Schätzen, die sie bereit hält. Nutzererfahrung beschreibt das - zunächst ungewohnte - Gefühl, ein Auto bedienen und erleben zu können wie ein Smartphone.
Aber von vorne. Wer sich für die neue A-Klasse entscheidet, muss auf eine ständige Beifahrerin gefasst sein, die Amazones Alexa oder Apples Siri eine Schwester im Geiste ist. Sie lässt sich mit den Worten „Hey Mercedes“ auf den Plan rufen, um für den Fahrer beispielsweise Telefonate zu vermitteln, Navi-Ziele zu setzen oder Wettervorhersagen zu liefern. Alles, was mit dem Auto und der Reise direkt zu tun hat, erledigte Fräulein Mercedes bei ersten Test recht zuverlässig.
Komplexere Fragestellungen wie „Brauche ich in Augsburg morgen eine Sonnenbrille?“ bewältigte die Dame zumindest beim ersten Ausprobieren nicht. Sollte sie eigentlich können, versprechen die Entwickler. Die Aufforderung, „Motor-Daten“ zu liefern, quittierte die Assistentin so: „Entschuldigen Sie, ich kenne ihre Mutter noch nicht“. Andernfalls hätte sie Mama wohl fluchs angerufen. Nein, Alexa-Qualität erreichte das System beim Erstkontakt nicht. Pech für Fräulein Mercedes, dass der Test nicht in einem WLAN, sondern unter einem fernen kroatischen Mobilfunknetz statt fand. Sonst hätte sie wohl besser abgeschnitten.
Ohne Frage zeigt „Hey Mercedes“ aber, wohin die Reise geht: ab in die Smartphone-Welt. Ähnlich wie iPhone und Co. lernt die A-Klasse ihren Besitzer nach und nach immer besser kennen. Sie weiß bald, welche Musik er gerne auf dem Nachhauseweg hört, wen er zu bestimmten Uhrzeiten kontaktiert und was seine bevorzugten Ziele sind. Der Fahrer selbst kann sich seine Lieblings-Konfigurationen zudem selbst in Form von „Themenwelten“ abspeichern. Diese umfassen bis zu 600 Datensätze von der Sitzeinstellung über das Fahrwerks-Setup bis zur Farbe der Innenraum-Beleuchtung. So entsteht beispielsweise eine Themenwelt für die sonntägliche Ausfahrt und eine für die werktägliche Tour zum Kindergarten.
Wenn nicht per Sprache, wird das System über mehrere Berührbildschirme gesteuert, die sowohl akustisch (Piepton) als auch haptisch (Vibration) ein Feedback geben. Zum ersten Mal in einem Auto überhaupt steht das riesige zentrale Breitbild-Display völlig frei auf dem Instrumententräger, was dem Cockpit einen futuristischen Charakter einhaucht. Die Grafik wird von einem Chip mit Videospielkonsolen-Power getrieben. Sie ist brillant und blitzschnell. Die Navi-Darstellung fasziniert besonders: Eine Kamera überträgt das Bild etwa von einer eben zu passierenden Kreuzung live auf das Display. Der Rechner bettet dann die Abbiegepfeile direkt in das Bild ein, malt quasi die richtige Richtung auf die Straße.
Noch so eine Errungenschaft der neuen Zeit: ein privates Car-Sharing-Modell, das Mercedes praktisch in die A-Klasse einbaut. Es funktioniert so: Über eine App bietet der Besitzer sein Auto zum Ausleihen an. Der Entleiher nutzt die gleiche App und bucht den Wagen für einen bestimmten Zeitraum. Ebenfalls über die App öffnet er den Wagen - und sperrt ihn nach Gebrauch wieder ab. Der Schlüssel verbleibt im Fahrzeug. Fragen des Diebstahl- und Versicherungsschutzes will Daimler sämtlich geklärt haben. Wichtig ist jedoch, dass der Fahrzeugeigner in der Verantwortung steht und das Auto nur an „Freunde und Familie“ verleiht. Und: Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn das Auto Mobilfunk-Empfang hat. In der Tiefgarage kann das schwierig werden.
Angesichts solcher digitaler Möglichkeiten wird Fahren fast zur Nebensache - was schade wäre, denn nie fühlte sich eine A-Klasse souveräner und Mercedes-liker an. Der Wagen rollt ungemein gut und leise ab. Fast wähnen sich die Insassen in einer C- oder gar E-Klasse. Man merkt, dass die Entwickler nahezu jedes Teil bis hin zum Schaltknauf darauf getrimmt haben, so wenig Geräusche und Schwingungen wie möglich zu verursachen. Die gute Dämpfung und die herausragende Windschlüpfrigkeit des Autos tun ihr Übriges.
Der Versuchung, wieder ein Auto deutlich größer zu machen als seinen Vorgänger, konnten die Entwickler nicht widerstehen. Satte zwölf Zentimeter legte die A-Klasse in der Länge zu. Kompakt geht anders. Andererseits wollten die Mercedes-Kunden ein Auto, in dem sie endlich auch hinten halbwegs großzügig sitzen können. Das gelingt nun. Und auch die Ausweitung des Kofferraumes - er nimmt jetzt zwei Wasserkisten mehr auf als früher - war dringend angebracht. „Erwachsen geworden“ sei der einstige Baby-Benz, sagen die Daimler-Leute.
Geschrumpft sind dagegen die Motoren, zumindest nach Mercedes-Maßstäben. Die Basis bildet vorerst ein 1,3 Liter kleiner Benziner im A 200, der 163 PS leistet. Er ist in der Geschichte der Marke der erste Vierzylinder mit Zylinder-Abschaltung. Bei geringer Last legen sich zwei Töpfe schlafen. Ebenfalls neu ist der Basisdiesel mit 1,5 Litern Hubraum und 116 PS im A 180d, der einen Normverbrauch von nur 4,1 bis 4,5 Litern aufweist. Beide genannten Triebwerke stammen aus einer Kooperation mit Renault. Den potentesten Motor, einen Zweiliter-Benziner mit 224 PS im A 250, macht der Daimler selbst. Alle Motoren erfüllen die Abgasnorm Euro 6d temp. Weitere Aggregate, stärkere wie schwächere, sollten folgen.
Bei ersten Ausfahrten erwies sich der A 200 als gute Wahl. Er bewegt das Auto recht spritzig und mit der gebotenen Sprit-Sparsamkeit, lediglich sein „Sound“ wirkt mitunter etwas aufdringlich. Obendrein bietet der A 200 das wohl beste Preis/Leistungsverhältnis. Der Einstieg liegt bei 30200 Euro. Wer sich das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gönnt, legt gut 2000 Euro drauf. Der Diesel hat dieses Getriebe serienmäßig an Bord und beginnt bei 31400 Euro, leistet aber fast 50 PS weniger als der Otto. Keine Frage, dass sich der Fahrzeugpreis mit der verführerischen Mercedes-Extraliste auf 40000, 45000 Euro steigern lässt. Auch das eine Art Novum in der Kompaktklasse. Das Auto von Morgen ist vieles, aber bestimmt nicht billig.
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