Volvos wilde Verwandtschaft: der Polestar 1 im ersten Test
Die Schweden packen ihre Elektro-Leidenschaft in die Submarke Polestar. Nummer 1 geht richtig ab, wie auf einer ersten Ausfahrt zu spüren war.
Früher war Polestar „nur“ der Haustuner von Volvo, doch inzwischen haben die Schweden daraus eine eigene Sub-Marke gemacht. Der junge Ableger unter der Ägide des Volvo-Chef-Designers Thomas Ingenlath soll sich im Konzern in erster Linie um Hybrid- und Elektro-Autos kümmern. Weil dabei ein dynamischer Auftritt aber nicht schaden kann, fährt das kurz und knapp Polestar 1 getaufte Erstlingswerk als flottes Sport-Coupé vor.
Dass der Apfel auch in der Auto-Industrie nicht weit vom Stamm fällt, wird beim Polestar 1 überdeutlich: Keine Frage, der 4,59 Meter lange Zweitürer ist richtig schick geworden. Warum am Heck allerdings das sternförmige Polestar-Logo und nicht das Volvo-Signet prangt, und der 1er nicht einfach auf den Namen S90 Coupé hört, ist fraglich – denn genau das ist er. Ein Grund mag sein, das man für einen Volvo schlecht rund 160.000 Euro verlangen könnte. Wen das aber nicht abschreckt, der sollte sich beeilen: In drei Jahren will die Jung-Marke nur 1500 Einheiten des Coupés bauen, danach ist Schluss.
Ein Polestar-Volumenmodell soll bei rund 40.000 Euro liegen
Der Grund für die limitierte Stückzahl liegt auf der Hand: Der Polestar 1 soll maximale Aufmerksamkeit auf die Marke lenken. Ins Volumengeschäft steigt die Elektro-Marke dagegen mit der deutlich günstigeren Mittelklasse-Limousine 2 ein, die ab Sommer ausgeliefert werden soll und zukünftig ab rund 40.000 Euro zu haben sein wird. Die aber sieht freilich nicht so spektakulär aus wie der Polestar 1, den Thomas Ingenlath streng nach dem Coupé-Lehrbuch gezeichnet hat: Lange Motorhaube, flaches Dach, knackiges Heck. Auch der Einstieg in das tiefe Cockpit ist so, wie es sich für einen Sportler gehört, unpraktisch und vor allem für größere Fahrer kaum elegant zu meistern. Innen herrscht dagegen typisches Volvo-Ambiente: Die Instrumente, das Lenkrad, der Gangwahlhebel, der Start-Drehknopf, der hochkant verbaute Touchscreen – alles ist von den Schweden längst bekannt.
Dass sich Polestar auch bei der Antriebstechnik im Regal des Mutterkonzerns bedient, liegt auf der Hand. Heißt: Hier kommt der Zwei-Liter-Vierzylinder-Benziner zum Einsatz, der in den Volvo-Modellen seinen Dienst verrichtet. Dank Turbo- und Kompressor-Aufladung kommt das Aggregat allein auf satte 309 PS, die zum Spaßhaben völlig ausreichen würden.
Aber: Warum ein Benziner, Polestar will doch eine E-Marke sein? Der Verbrenner dient im Polestar 1 „nur“ als Basis für den Hybrid-Antrieb, ihm zur Seite stehen gleich drei E-Motoren. In der Kurbelwelle sitzt einer, der 68 PS beisteuert, die beiden Maschinen an der Hinterachse liefern 232 PS ab. Macht zusammen respekteinflößende 609 PS. Noch beeindruckender liest sich das Drehmoment: 1000 Newtonmeter drücken das trotz Carbon-Karosserie 2,4 Tonnen schwere Coupé nach vorne, wovon 435 Newtonmeter auf das Konto des Ottos gehen. Der Rest der Kraft kommt von den E-Motoren und kann naturgemäß vom Start weg abgerufen werden. Die Verteilung zwischen den Motoren, Achsen und den Hinterrädern steuert der Computer.
Polestar 1: technische Daten
- Hubraum: 1969 ccm
- Leistung: 309 PS bei 6000/min
- Drehmoment: 435 Nm bei 2600–4200/min
- E-Motoren: 68 PS/161 Nm (vorne), 232 PS/480 Nm (hinten)
- Systemleistung: 609 PS/1000 Nm
- Länge/B./H.: 4,59/1,96/1,35 m
- Leergewicht/Zuladung: 2350 kg/k. A.
- Kofferraum: 143 l
- 0–100 km/h: 4,2 Sek.
- Top-Tempo: 250 km/h (elektrisch: 160 km/h)
- Normverbrauch: 0,7 l Benzin, 25,5 kWh Strom
- CO2-Ausstoß: 15 g/km
- Abgasnorm: Euro 6d
- Energieeffizienzklasse: A+
- Preis ab: 155.000 Euro
Wer in 4,2 Sekunden auf Tempo 100 brausen, sich maximal in die Sitze pressen lassen und spüren will, wie die Falten im Gesicht glatt gezogen werden, muss auf die Power aller vier Motoren zurück greifen. Es geht allerdings auch ohne den Verbrenner: Der als Plug-in-Hybrid ausgelegte Polestar 1 schafft theoretisch rund 130 Kilometer mit einer Akkufüllung; betankt werden kann die 34 Kilowattstunden große Batterie mit bis zu 50 Kilowatt Ladeleistung in weniger als eine Stunde.
Dass man den Wert auf der Straße jemals erreicht, scheint allerdings unrealistisch. Zu viel Spaß macht es, bei jeder Möglichkeit des freien Auslaufs den rechten Fuß zu senken und der Beschleunigungslust zu frönen. Wenn möglich, sollte der Straßenverlauf gerade sein: Zwar wartet der Polestar mit einem sportlich abgestimmten Unterbau auf, doch das hohe Gewicht macht sich, wenn’s ums Eck geht, nunmal negativ bemerkbar. Für flottes Kurven-Wedeln ist der Polestar 1 also genauso wenig gemacht, wie seine Volvo-Brüder aus der 90er-Baureihe.
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