Polestar 2 im ersten Test: Der bringt einfach alles mit
Volvos Elektromarke beschränkt sich im neuen Modell auf das Wesentliche. Gerade deshalb könnte der Polestar 2 den Markt für Stromer aufmischen. Der Test.
Vielleicht hat die Wahl des Namens ja eine tiefere Bedeutung. Der Polestar, auf gut Deutsch Polarstern, diente den alten Seefahrern zur Orientierung, weil er sehr nahe über dem Nordpol liegt. Der Polestar auf vier Rädern könnte ein leuchtendes Vorbild sein.
Nach dem Modell 1, dem exklusiven Sportflitzer für über 150.000 Euro, kommt jetzt der Polestar 2 und fährt in preisgünstigere Regionen. Rund 56.000 Euro kostet der reinrassige Stromer - abzüglich des Umweltbonus landet man tatsächlich bei knapp 47.000 Euro.
Polestar 2: In Schweden entwickelt, in China gebaut
In Schweden entwickelt, in China gebaut - der Polestar 2 ist ein alltagstaugliches Elektro-Auto für fünf Passagiere mit ordentlich Platz für Gepäck. Und man muss nicht andauernd aufladen. 470 Kilometer Reichweite dürften für den Alltag reichen.
Es sei denn man gibt sich den Verlockungen der beiden E-Motoren hin. 408 PS und ein sofortiges Drehmoment von 660 Newtonmetern machen so manchen Vertreter der Verbrenner-Fraktion nass. 4,7 Sekunden von 0 auf Tempo 100 sind ja auch kein Pappenstiel. Die beiden E-Maschinen auf Vorder- und Hinterachse haben immer ausreichend Kraft und treiben alle vier Räder an.
So fährt sich der Polestar 2
Dass das Fahrverhalten dabei an das eines Sportwagens erinnert, liegt an der Gewichtsverteilung von fast 50:50 und an dem messerscharf eingestellten Fahrwerk. Wie bei Elektroautos üblich kennt das Getriebe nur einen einzigen Gang. Das ermöglicht das so genannte One-Pedal-Driving. Wenn man vom Gas, pardon Strom, geht bremsen die E-Motoren automatisch das Fahrzeug ab. Mit dem Vorteil, dass diese Energie nicht wie bei herkömmlichen Autos verloren geht, sondern zurück in den Akku fließt. Wer geschickt mit dem Gaspedal umgeht, braucht in aller Regel das Bremspedal nicht mehr.
Beim Aussehen besticht der Polestar durch Einfachheit. Skandinavisch klar, ganz nach dem alten Küchen-Credo: Am besten schmeckt eine Sauce, wenn sie ordentlich einreduziert ist. Und so verhält es sich auch mit gutem Design.
An Bord des Polestar 2 ist das komplette Google-Infotainment
Bei den Instrumenten setzt Polestar ebenfalls auf Minimalismus. Das TFT-Display mit den wichtigsten Fahrdaten glänzt durch Übersichtlichkeit. Von daher ist es auch zu verschmerzen, dass es kein Head-up-Display gibt. Der Hauptbildschirm liegt mittig. Der große viergeteilte Monitor spiegelt das Google-Entertainment-System. Als erster Hersteller überhaupt übernimmt Polestar die komplette Digital-Architektur der Kalifornier.
Erweitert wurde das System durch spezielle E-Features. So zeigt Google Maps nicht nur Strom-Tankstellen an, sondern ändert die Routenführung selbstständig, wenn die Gefahr besteht, dass der Saft ausgeht. Auch bei der Sprachassistenz glänzt Google. Nicht ganz dialektfreies Hochdeutsch - kein Problem. Der nächste Weg zur Leberkäs-Semmel? „Noch 6,5 Kilometer, dann kommt links eine Metzgerei!“
Ein Extra-Platz für das Ladekabel
Überzeugend klar und einfach - diese Philosophie zieht sich fast überall durch. Unter der Motorhaube haben die Entwickler einen Extra-Platz geschaffen, um die Ladekabel unterzubringen. Die seitlichen Schweller wurden so geformt, dass man beim Einsteigen nicht mit der Hose gegen das dreckige Auto stößt.
Warum die schicken randlosen Seitenspiegel hingegen zu klein geraten sind, versteht man nicht. Auch auf die Verkehrszeichenerkennung sollte man sich nicht verlassen. Sonst wären wir auf der Autobahn mit Tempo 30 geschlichen, denn das wurde im Display angezeigt. Der Hersteller hat jedoch schon Nachbesserung versprochen.
Polestar 2: technische Daten
- Leistung: 2 x 150 kW = 300 kW (408 PS)
- Drehmoment: 2 x 330 Nm
- Länge/ Breite/ Höhe: 4,61/ 1,86/ 1,48 m
- Leergewicht/Zuladung: 2123 kg / keine Angaben
- Kofferraum: 405 l(vorne 35 l) – 1095 l
- 0-100 km/h: 4,7 Sekunden
- Spitze: 205 km/h
- Normverbrauch: 19,3 kWh/100 km
- Reichweite kombiniert: 470 km
- Batterie-Kapazität: 78 kWh
- Ladezeit: 40 min DC 0 – 80 % (AC: 8 Stunden min.)
- Energieeffizienzklasse: A+
- Preis: ab 56.440 Euro (keine Prämien abgezogen)
Bei der Reichweite liegt der schwedische Chinese im realistischen Bereich. Auf unserer sehr spritzigen Testfahrt, die sich über 120 Kilometer erstreckte, „verbrauchten“ wir zwar 190 Kilometer. Aber das ist nicht unbedingt verwunderlich: Bei den Elektro-Autos ist es wie im richtigen (Verbrenner-)Leben. Wer zu oft auf die Tube drückt, den bestraft der Tankwart. In diesem Fall die Stromrechnung!
Die Diskussion ist geschlossen.