Sie gewinnen immer
Wenn eine Familie aus zwei Ländern stammt, muss man sich bei der Fußball-WM entscheiden. Oder doch nicht? Die Augsburger Nina Kraus und ihr Sohn erzählen.
Im einem gewissen Zwiespalt befindet sich die Familie Kraus wegen der Fußball-Weltmeiterschaft in Russland schon. Wenn am heutigen Samstag die Teams aus Deutschland und Schweden auflaufen, hat das in Göggingen wohnende deutsch-schwedische Paar die Qual der Wahl – gewinnt aber irgendwie auf jeden Fall. Nina aus Borås und Stefan aus Augsburg müssen sich aber wieder einmal entscheiden, welcher Mannschaft sie ab 20 Uhr zujubeln werden – Deutschland oder Sverige. Je nachdem werden es beide sein.
Nachdem die deutsche Elf als Weltmeister mit der Niederlage gegen Mexiko einen Fehlstart erster Klasse hinlegte, war Sohn Johann, 15, auch mit dem ersten Spiel der Schweden (1:0 gegen Südkorea) unzufrieden. „Eigentlich bin ich für Schweden“, erklärt er, aber nach der abgelieferten Leistung müsse er wohl doch für Deutschland sein. Bruder Jakob, 20, werde wahrscheinlich eher zum Heimat-Team seiner Mutter halten. „Der ist sehr schweden-affin“, bestätigt diese.
Bereits vor Beginn des Turniers hatte Nina Kraus zum WM-Gucken eingeladen. Etwa 20 Freunde versammelten sich bei ihr daheim um den Fernseher, wobei auch italienische Fußball-Leidenschaft vertreten war. Für die Apothekerin, die im Apothekergäßchen den Laden Green Glam für Naturkosmetik unterhält, war die Einladung in diesem Fall auch als Wiedergutmachung gedacht. Schließlich sei es den schwedischen Fußballern geschuldet gewesen, dass sich die Squadra Azzurra nicht für Russland qualifizieren konnten.
Eine Ausstrahlung, die keine Niederlagen zulässt
Nina, die eigentlich Dr. Christina heißt, hat über Heilpflanzen ihre Doktorarbeit geschrieben. Heute stellt sie Naturkosmetik auch selbst her und hat Bücher darüber verfasst. Sie hat ihr Geschäft, doch den größten Teil ihres Handels mache sie ohnehin übers Internet. 150 Marken werden inzwischen von ihr und den sieben Mitarbeitern angeboten.
Nina Kraus hat eine optimistische Ausstrahlung, die eigentlich gar keine Niederlagen zulässt. Und was soll’s, zumindest gegen das Verlieren und das WM-Fieber ist ohnehin kein Kraut gewachsen. Das Unentschieden zwischen Portugal und Spanien hat Johann gezeigt, dass ein Ronaldo allein auch nicht reicht, um zu siegen. Wobei für den Schüler des Maria-Theresia-Gymnasiums Spanien wieder einmal ein aussichtsreicher Anwärter auf den Titel wäre. Sein zweites Traumfinale hieße Schweden gegen Island. Die Mannschaft aus dem hohen Norden hat nach Ansicht des 15-Jährigen eben jene Terrier-Qualitäten, wie sie aktuell jedem Fußball-Fan so imponieren. Aber: Die Spanier spielen sehr stark, meint Johann, der außerhalb der WM ein großer FCA-Anhänger ist. FCA-Spieler Alfred Finnbogason brillierte in der Partie gegen Argentinien und hielt seine Isländer mit 1:1 im Spiel. Deshalb meint Johann, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er den Augsburgern verloren geht, weil ihn ein anderer Verein abwirbt.
Wie aber kam es, dass Nina Kraus in Deutschland beziehungsweise Augsburg sesshaft wurde? Die Technik war schuld. Es sei 1995 gewesen, als ihr Computer nicht mehr wollte. Doch Hilfe nahte – Doktorand Stefan kam. Seitdem ist Nina Kraus in Augsburg zu Hause. Sie habe auch kein Heimweh. Sogar geträumt wird ihrer Auskunft nach auf Deutsch. Nur bei Zahlen fällt sie in ihre Muttersprache zurück. Das liege daran, dass sie die Art zu zählen auf Deutsch als kompliziert empfindet.
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